Eine Brieftaubenzucht neben dem Pfarrhaus

"Rennpferd des kleinen Mannes"

Mehr Symbolik zu Pfingsten als im nordrhein-westfälischen Bönen geht nicht. Dort hält ein Pfarrer dutzende Tauben. Sie sind für ihn Ausgleich und Hobby. Aber unterstützen sie auch die Seelsorge?

Autor/in:
Nicola Trenz
Pfarrer Benno Heimbrodt mit einer Brieftaube / © Nicola Trenz (KNA)
Pfarrer Benno Heimbrodt mit einer Brieftaube / © Nicola Trenz ( KNA )

Wie um viele Kirchen erstreckt sich auch um Sankt Bonifatius im nordrhein-westfälischen Bönen ein großer Pfarrgarten.

Etwas Besonderes findet sich aber in dem Areal zwischen der Kirche und dem Pfarrhaus. In mehreren Außenvolieren gurren und flattern Vögel, die in verschiedenen Grautönen schimmern. Benno Heimbrodt ist seit knapp drei Jahrzehnten Pfarrer in dem Örtchen - und hält fast ebenso lang dutzende Tauben.

"Taubensportler haben alle einen an der Waffel", lacht der großgewachsene Mann, während er auf seine Tauben schaut. Er ist wohl der einzige Priester in Deutschland, der mit seinen Tieren seit Jahrzehnten bei Wettfliegen mitmacht. "Wenn ich auf meiner Terrasse sitze und auf die fliegenden Tauben schaue, bin ich in einer anderen Welt."

Welche fliegt am schnellsten?

"Ich schicke dieses Jahr knapp 40", erklärt Heimbrodt. Im Fachjargon heißt das, knapp 40 seiner Brieftauben nehmen in diesem Sommer an Wettflügen teil. Der deutsche Brieftaubenzüchterverband zählt 28.000 Mitglieder, die Reisetauben züchten und sich zu sogenannten Reisevereinigungen zusammengeschlossen haben. Innerhalb einer Reisevereinigung finden die Wettflüge statt. Das Ziel der Vögel ist dabei immer der eigene Taubenschlag. Sie werden mit einem speziellen Transporter gemeinsam zu einem Ort gefahren, freigelassen und fliegen nach Hause. Seit Ende April laufen die Preisflüge. Dabei steigern sich die Distanzen mit jedem Wochenende auf bis zu 600 Kilometer. Mit moderner Messtechnik wird festgestellt, wer am schnellsten ist.

"Letztes Jahr haben die Jungvögel gut abgeschnitten", sagt Heimbrodt.

Pokale und Urkunden zieren die Wände - Ehrgeiz gehört dazu. Bei gutem Abschneiden heiße es von der Konkurrenz auch schmunzelnd mal: "Du hast mit dem Kirchturm einen Vorteil." Oder: "Der Papst fliegt mit".

Einmal hat Heimbrodt die Tauben bei einem ökumenischen Gottesdienst als Zeichen des Friedens fliegen lassen. Ansonsten sind sie aber sein Hobby, das er nicht wegen der religiösen Symbolik betreibt. Vielmehr faszinieren ihn Tauben seit seiner Kindheit.

365 Tage kümmern

Mit acht Jahren bekam er seine ersten. Als er 1996 nach Bönen kam, war einer seiner ersten Kontakte Horst Externbrink aus einem Taubenverein. "Der liebe Gott tut nichts als fügen", schmunzelt Heimbrodt. Bis dato waren Brieftauben für Heimbrodt Haustiere - der Brieftaubensport mit Zucht, Trainings und Wettflügen war ihm noch nicht vertraut.

Taubenküken / © Nicola Trenz (KNA)
Taubenküken / © Nicola Trenz ( KNA )

Mit Externbrink baute er nach und nach den Taubenschlag im Pfarrgarten auf. Als sogenannte Schlaggemeinschaft fliegen ihre Tauben bei den Wettflügen mit. Ohne die Hilfe könnte Heimbrodt das Hobby nicht ausüben. "Das ist wie Landwirtschaft, man muss sich 365 Tage im Jahr kümmern." Füttern, den Schlag sauber machen und vor allem in den wärmeren Jahreszeiten die Tiere fliegen lassen - am besten mehrmals pro Tag, damit die Vögel für die Rennen fit sind.

Gerade ist kein Flugwetter, es regnet. Dann dürfen die Tauben nicht fliegen, auch nicht bei heißen Temperaturen. Immer mal wieder macht das Wetter auch den Wochenend-Flügen einen Strich durch die Rechnung.

Heimbrodt findet es gut, dass der Tierschutz bei den Wettkämpfen eine wichtige Rolle spielt. "Ich bin Brieftaubenliebhaber, ich habe Ehrfurcht vor diesem Geschöpf. Es ist kein Sportgerät."

Auf das Futter angewiesen

All seine Tiere tragen einen Ring mit seiner Telefonnummer. Ab und an kommen Tauben nicht zurück, weil Greifvögel, Hochspannungsleitungen oder Windräder sie erwischt haben. Manchmal schaffen es verletzte Tiere nicht nach Hause und stranden kraftlos unterwegs. "Findet man so ein Tier: Ihm Wasser geben und die Nummer des Besitzers auf dem Ring anrufen", sagt der Pfarrer. Brieftauben werden in der Regel von ihrem Besitzer vermisst und können sich, anders als Stadttauben, nicht gut alleine ernähren.

Das Brieftaubenwesen ist in Deutschland auf dem absteigenden Ast, auch wenn es zum immateriellen Kulturerbe zählt. "Das Rennpferd des kleinen Mannes, sagte man früher", erzählt Heimbrodt und deutet über das Haus hinweg: "Da vorne war früher die Zeche und vor 40 Jahren war hier fast überall an den Häusern ein Taubenschlag." Heute sei er mit 61 Jahren einer der Jüngsten. Auch er ist auf der Suche nach jüngerer Unterstützung für seinen Schlag.

Ein Pfarrer, der Tauben züchtet - für die Gemeindemitglieder ist Heimbrodts Hobby schon ungewöhnlich. Eine Frau erzählt, gefragt nach ihren "Taubenpfarrer", dass ihr Auto vor der Kirche mehrfach hintereinander Vogelkot abbekommen hat. "Ich wette, das waren seine Viecher", lacht sie.

Taubenpaare trennen sich nicht

Auch dafür ist sich der Kirchenmann nicht zu schade: Mit grauem Mantel und schwarzer Kappe steigt Heimbrodt in den Taubenschlag. Er kratzt Kot von einer Holzfläche gibt einem Tier einen vorsichtigen Schubs zur Seite, um alle Stellen zu erreichen. Auch Jungvögel liegen dort. "Ich finde es berührend, wie sich beide Eltern um ihre Jungen kümmern und voll und ganz auf sie konzentrieren". Taubenpaare bleiben ein Leben lang zusammen.

Eine Brieftaube mit zwei Eiern / © Nicola Trenz (KNA)
Eine Brieftaube mit zwei Eiern / © Nicola Trenz ( KNA )

"Mich fasziniert vor allem der Heimkehrwille der Tiere", sagt Heimbrodt. "Die Taube will nach Hause, koste es, was es wolle." Bis heute ist nicht eindeutig zu sagen, wieso das so ist. In dem Verhalten sieht der Geistliche Parallelen zur Religion: "Wo komme ich her, wo gehe ich hin, was ist der Sinn? - Für solche Fragen brauchen wir Halt, und die finden wir Christen im Glauben."

Im christlichen Glauben ist die Taube Symbol des Friedens und des Heiligen Geistes. Das Pfingstfest erinnert daran, dass der Heilige Geist vom Himmel herab in die Menschen gefahren ist. Auch wenn im Pfingstevangelium keine Rede von Tauben ist, passt dieses Bild für Pfarrer Heimbrodt. Wenn seine Tauben zurückkommen, würden sie manchmal geradezu vom Himmel hinabschießen. "Ich kann mir vorstellen, wie damals ein Ruck durch die Menschen ging." Ein solches Pfingsterlebnis wünscht er sich auch für die Kirche heute: "Wir brauchen positive Leidenschaft für die Sache."

Pfingsten

Pfingsten ist für Christen das Fest des Heiligen Geistes und gilt als Geburtsfest der Kirche. Damit endet die 50-tägige Osterzeit. Das Wort Pfingsten leitet sich ab von "Pentekoste", dem griechischen Begriff für "fünfzig". Die Bibel versteht den Heiligen Geist als schöpferische Macht allen Lebens. Er ist nach kirchlicher Lehre in die Welt gesandt, um Person, Wort und Werk Jesu Christi lebendig zu erhalten.

Flammenzungen über Männern und Frauen in der Kuppel der Kirche Sankt Katharina, Saint Catherine, in Spring Lake (USA). / © Octavio Duran/OSV News (KNA)
Flammenzungen über Männern und Frauen in der Kuppel der Kirche Sankt Katharina, Saint Catherine, in Spring Lake (USA). / © Octavio Duran/OSV News ( KNA )
Quelle:
KNA