Eine Bilanz zum ersten Jahr des neuen Münchner Erzbischofs Marx

Den Taktstock fest in der Hand

"Ich bin angekommen." Mit diesem knappen Satz fasste Erzbischof Reinhard Marx am Montag sein erstes Jahr in München zusammen. Dabei ist er noch nicht einmal elf Monate da. Doch das fällt kaum auf, so schnell hat sich der Westfale akklimatisiert und an seiner neuen Wirkungsstätte das Zepter in die Hand genommen. Eine erste Bilanz.

Autor/in:
Barbara Just und Christoph Renzikowski
 (DR)

Mit seinem Buch «Das Kapital. Ein Plädoyer für den Menschen» gelang Erzbischof Reinhard Marx vor wenigen Wochen ein echter Coup. Inzwischen wird die sechste Auflage verkauft. Marx und sein prominenter kapitalismuskritischer Namensvetter Karl, dazu die heraufziehende Weltwirtschaftskrise: Diese Kombination bescherte dem Pattloch-Verlag und seinem neuen Autoren eine Aufmerksamkeit sondergleichen. Die deutsche Polit-Prominenz war des Lobes voll, parteiübergreifend. SPD-Bundestagsfraktionschef Peter Struck zitierte daraus genauso wie die Herren der Opposition, von FDP-Wirtschaftsfachmann Hermann Otto Solms bis zum Linken-Vormann Gregor Gysi. Marx in aller Munde also.

Der eloquente Erzbischof hätte - zur Freude seines Verlags - Dauergast in den TV-Talkshows der Republik sein können. Doch der Kirchenmann mied die Fernseh-Kanzel, vielleicht auch wegen mehrerer Baustellen, die er in seinem Erzbistum und in Bayern aufgemacht oder vorgefunden hat.
Beim traditionellen Gespräch zum Jahresende im Münchner Presseclub zog Erzbischof Marx eine positive Bilanz seines ersten Amtsjahres: «Ich habe mich eingewöhnt und bin in der Erzdiözese München und Freising angekommen, jetzt geht es um die Vertiefung von Projekten.» Als Beispiel dafür nannte er die Gemeindereform oder den Umgang mit Ehrenamtlichen.  In den laufenden Strukturwandel der Seelsorge klinkte sich Marx ein und verlieh ihm durch die Einberufung eines Zukunftsforums zusätzlich Drive. Geht es nach Plan, werden am Ende 47 Einzelpfarreien bleiben, die übrigen rund 700 Gemeinden sind in 232 größere Räume zusammenzufassen. Eine muntere Debatte hat der diskussionsfreudige Hirte da unter seiner Herde vom Zaun gebrochen.

Ökumenischer Kirchentag und Krise der KU Eichstätt
Schon 2010 soll der Prozess abgeschlossen sein. Dann beginnt der Zweite Ökumenische Kirchentag in München, bei dem er mit dem evangelisch-lutherischen Landesbischof in Bayern, Johannes Friedrich, als Gastgeber auftritt. Der Kirchentag komme «langsam in Fahrt», sagte Marx. Ein gemeinsames Abendmahl werde es aber nicht geben. «Wir müssen mit der evangelischen Kirche zunächst über unsere unterschiedlichen Auffassungen diskutieren». Ökumene sei kein politisches Geschäft, bei dem man am Koalitionstisch einen Kompromiss schließe. Vielmehr gehe es darum, den Glauben ernst zu nehmen. Grundsätzlich sei das Verhältnis zur evangelischen Kirche gut: «Ich sehe keinen Rückschritt und keine Eiszeit, das sind propagandistische Begriffe», betonte der Erzbischof.

Nebenbei soll auch noch das Ordinariat ein neues Domizil erhalten. Damit nicht genug: Als die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) im Frühjahr in eine Führungskrise rutschte, war Marx auch als der neue Vorsitzende der Freisinger Bischofskonferenz gefragt. Schließlich wird die kriselnde Einrichtung von allen bayerischen Bistümern getragen.

Mit seinem kollegialen Führungsstil («Ich bin nicht der Oberbischof von Bayern») hat Marx seine selbstbewussten Mitbrüder zu neuer Geschlossenheit motiviert. Einmütig stehen sie nun hinter der KU. Das war nicht immer so, obwohl es sich bei der einzigen katholischen Universität im deutschen Sprachraum um ein Herzensanliegen von Papst Benedikt XVI. handelt. Soll die Hochschule eine Zukunft haben, muss sie sich zu einer Instanz in der Wissenschaftslandschaft weiterentwickeln, die auch vom gesamtdeutschen Katholizismus wertgeschätzt wird. Dazu braucht es eine breitere Grundlage.

Marx hat sich dieses Anliegen in kurzer Zeit zu eigen gemacht. Seine Stimme hat Gewicht in der Deutschen Bischofskonferenz, daher ist ihm zuzutrauen, dass er auch diese schwierige Mission hinkriegt. Schon zweimal hat er sich demonstrativ nach Eichstätt begeben. Künftig wird er eine noch exponiertere Rolle im Gefüge der KU spielen.

Bei bajuwarischen Bräuchen aller Art kennt der «Zuagroaste» keine Berührungsängste. Auf dem Nockherberg ließ sich Marx für seine Nebenbemerkung, wonach Bayern nicht das gelobte Land sei, von Bußprediger Bruder Barnabas die Leviten lesen. Am 20. Jahrestag des Todes von CSU-Übervater Franz Josef Strauß musste er einer vom Verlust der absoluten Mehrheit gebeutelten Regierungspartei kollektiv Trost spenden. Wenige Tage zuvor hatte er sich seine erste Wiesn-Maß genehmigt und im Bierzelt auch die Blasmusik dirigiert. Marx gibt in München den Ton an. Und er hat ein hohes Tempo angeschlagen.