Eine Bewertung der Auswahl der neuen Kardinäle

Die Kirche wird lateinamerikanischer

Die Persönlichkeiten, die ein Papst in sein wichtigstes Beratergremium, das Kardinalskollegium aufnimmt, geben stets auch Aufschluss über den kirchenpolitischen Kurs des Pontifikats.

Autor/in:
Thomas Jansen
Papst Franziskus (dpa)
Papst Franziskus / ( dpa )

Mit großer Spannung war erwartet worden, welchen kirchlichen Würdenträgern Franziskus knapp ein Jahr nach seiner Wahl die rote Scheitelkappe und den Kardinalsring als Zeichen ihrer neuen Würde überreicht. Am Sonntag gab er nun die Namen von 19 neuen Mitgliedern aus 14 Ländern bekannt, die am 22. Februar im Vatikan während einer Versammlung der Kardinäle aufgenommen werden. Insgesamt überschreitet das Kardinalskollegium vom 22. Februar an mit dann voraussichtlich 122 wahlberechtigten von insgesamt 218 Mitgliedern wieder leicht die vorgeschriebene Obergrenze von 120.

Die Liste der neuen Kardinäle bestätigt vor allem zwei Entwicklungen, die sich seit Franziskus' Amtsantritt abzeichnen. Zum einen wird die katholische Kirche unter dem argentinischen Papst (wieder) lateinamerikanischer - nachdem zuletzt zahlreiche Lateinamerikaner die Altersgrenze überschritten hatten: 5 der insgesamt 16 neuen Kardinäle, die jünger als 80 Jahre sind und damit zur Papstwahl berechtigt wären, kommen aus dem Heimatkontinent von Franziskus. Aus Afrika, Asien und Europa sind es jeweils zwei, aus Nordamerika gar nur einer.

Kollegiales Beratergremium

Lateinamerika, wo fast 40 Prozent aller Katholiken leben, ist gegenwärtig mit 14 von 107 wahlberechtigten Kardinälen, das sind rund 13 Prozent, deutlich unterrepräsentiert. 61 der künftigen Wähler (Stand Ende Februar) - und damit exakt jeder zweite - kommen dagegen aus Europa.

Zum anderen verschieben sich unter Franziskus zwischen Weltkirche und römischer Kurie die Gewichte zugunsten der Weltkirche: Das zeigt sich nun an der Benennung des Generalsekretärs der Bischofssynode, Erzbischof Lorenzo Baldisseri, als neuem Kardinal. Der Italiener trat sein neues Amt erst im September an. Seine Vorgänger hatten die Kardinalswürde allenfalls nach mehreren Jahren erhalten. Der Papst macht damit abermals deutlich, dass er die Versammlung der Bischöfe der Weltkirche als kollegiales Beratergremium stärken will. Baldisseri, der die Synode zum Thema Familie im kommenden Oktober organisiert, kann nun auf Augenhöhe mit den Kardinälen verkehren.

Vertrauen in Müller

Und dann gab es noch ein protokollarisches Detail, das nicht ohne Symbolkraft war. In der Liste der Namen, die der Papst verlas, kam Baldisseri an zweiter Stelle, direkt hinter dem engsten Mitarbeiter des Papstes, Staatssekretär Pietro Parolin, aber vor den Leitern der vatikanischen Ministerien, der sogenannten Kongregationen.

Dass Franziskus Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, den Präfekten der vatikanischen Glaubenskongregation, ins Kardinalskollegium aufnimmt, war erwartet worden - auch wenn einige Medien zuletzt über angebliche Differenzen zwischen beiden spekuliert hatten, etwa in der Frage der wiederverheirateten Geschiedenen. Mit der ranggemäßen Kardinalserhebung macht Franziskus auch deutlich, dass er Müller schätzt und ihm vertraut. Im letzten Konsistorium von Benedikt XVI., der den vormaligen Regensburger Bischof im Sommer 2012 an die Spitze der Glaubenskongregation berufen hatte, war Müller zur Überraschung mancher noch nicht zum Zuge gekommen. Nun gehört er ab 22. Februar zum Kreis der dann fünf wahlberechtigten deutschen Kardinäle.

Kein Italiener

Auffällig war schließlich auch, dass der Papst keinen der traditionellen Anwärter auf die Kardinalswürde aus Italien berücksichtigt hat. Statt der Inhaber der prestigeträchtigen Bischofssitze, dem Patriarchen von Venedig und dem Erzbischof von Turin, nimmt der Papst einen Bischof aus der zweiten Reihe, den Bischof des kleinen Bistums Perugia, Gualtiero Bassetti, ins Kardinalskollegium auf. Dass der Papst diesen Geistlichen besonders schätzt, hatte sich bereits im Dezember gezeigt, als er ihn zum Mitglied der Bischofskongregation berief.

Franziskus hält schließlich auch an der Tradition fest, verdiente Persönlichkeiten, die das 80. Lebensjahr schon überschritten haben mit der Kardinalswürde zu ehren. Dass er den früheren Privatsekretär von Johannes XXIII., den 98 Jahre alten Loris Francesco Capovilla, zum Purpurträger macht, darf auch als Verneigung vor dem Konzilspapst verstanden werden, den Franziskus Ende April heiligspricht.


Quelle:
KNA