Eine Berliner Initiative will die Gleichstellung des Religionsunterrichts

"Fliegend" zum Volksentscheid

Ein bundesweit einmaliges Volksbegehren tritt in seine nächste Phase. Ab Montag sammelt die überkonfessionelle Berliner Bürgerinitiative "Pro Reli" wieder Unterschriften für eine Aufwertung des Religionsunterrichts. Er soll in der Bundeshauptstadt vom freiwilligen Zusatzfach zur gleichberechtigten Alternative des staatlichen Ethikpflichtfachs werden. Im Unterschied zu den meisten anderen Bundesländern ist Religion dort wegen einer Sonderregelung des Grundgesetzes kein ordentliches Unterrichtsfach.

Autor/in:
Birgit Wilke und Gregor Krumpholz
 (DR)

Die erste Stufe des Volksbegehrens erklomm die Initiative im vergangenen Jahr bereits mit Erfolg. Sie legte dem Landeswahlleiter 34.400 Unterschriften vor, weit mehr als nach den gesetzlichen Vorgaben erforderlich. Bis zum 21. Januar des kommenden Jahres müssen es nun 170.000 sein, wenn es zu einem Volksentscheid kommen soll. Dies Initiative strebt an, dass dieser am 7. Juni 2009 zeitgleich mit der Europawahl stattfindet.

Um die erhoffte Änderung des Schulgesetzes durchzusetzen, muss die Bürgerinitiative dann ein Viertel der wahlberechtigten Berliner für sich gewinnen, das sind rund 610.000. Keine einfache Aufgabe in einer Stadt, in der nur noch jeder dritte einer Kirche angehört, eingerechnet Kindern und "Taufschein-Christen". Die Initiative muss also erheblich über die evangelischen und katholischen Kerngemeinden hinaus für sich mobilisieren.

Gesetzesänderung erleichtert "Pro Reli" das Geschäft
Eine Gesetzesänderung erleichtert "Pro Reli" jetzt aber das Geschäft. Unterstützer eines Volksbegehrens müssen ihr Votum nun nicht in den Bürgerämtern abgeben, sondern können es auch auf der Straße oder anderenorts auf den Unterschriftenlisten der Bürgerinitiative bekunden.

"Wir haben gute Chancen, einen Volksentscheid zu gewinnen", zeigt sich der "Pro Reli"-Vorsitzende Christoph Lehmann optimistisch. Unterstützung erhalten er und seine Mitstreiter außer von Kirchen, CDU und FDP auch von Prominenten wie TV-Moderator Günther Jauch und Fußball-Nationalspieler Arne Friedrich. Lehmann betont, dass über die Kirchen hinaus auch Muslime und Juden für eine Aufwertung ihres Schulunterrichts eintreten. "Unser Volksbegehren ist auch ein multi-kulturelles Anliegen", so der Notar.

Werbung mit "fliegendem Klassenzimmer"
Nach dem Startschuss zur zweiten Etappe des Volksbegehrens am Montag will die Bürgerinitiative mit einem Zelt als "fliegendem Klassenzimmer" durch die Berliner Bezirke touren. Dort gibt es dann Religionsunterricht, "damit sich jeder selbst ein Bild davon machen kann, wie der Unterricht abläuft", erläutert Lehmann.

Dies soll den Kritikern des Fachs den Wind aus den Segeln nehmen. In SPD, Linkspartei und bei den Grünen ist immer noch der Verdacht zu hören, die Kirchen wollten in ihrem Unterricht vor allem missionieren und träten im Vergleich zum staatlichen Ethikfach weniger für den Dialog der Religionen ein. Die Kirchen bestreiten dies vehement. Indem ihr Unterricht die religiöse Identität der Schüler fördere, mache er sie erst zu einem fruchtbaren Dialog bereit, halten sie dem entgegen.

Der kirchenpolitische Sprecher der bündnisgrünen Bundestagsfraktion, Josef Winkler, hat sich im Unterschied zu den Berliner Grünen hinter das Volksbegehren «Pro Reli» gestellt. Die derzeitige Regelung des Werteunterrichts diskriminiere Schüler, die Religionsunterricht besuchen möchten, sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Montag in der Bundeshauptstadt.

Winkler betonte, der Verweis auf den zusätzlichen Religionsunterricht könne vom Berliner Senat «nicht wirklich ernst» gemeint sein. Weil der Stundenplan der Schüler überfrachtet sei, werde der Religionsunterricht in die Randstunden gedrängt. Neben SPD und Linkspartei im Land Berlin lehnt auch die grüne Abgeordnetenhausfraktion eine Wahlmöglichkeit zwischen Ethik- und Religionsunterricht ab. CDU, FDP und SPD-Bundespolitiker, darunter Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse, unterstützen dagegen das Volksbegehren.