Advent in Tirol

Eine andere Geschwindigkeit des Seins

Stimmig und stimmungsvoll ist der Advent im Nachbarland Österreich. Jetzt im Dezember lohnt der Besuch, vor der imposanten Kulisse der schon verschneiten Berge locken die Adventmärkte zum Beispiel von Hall und Rattenberg in Tirol.

Advent in Rattenberg / © St.Q.
Advent in Rattenberg / © St.Q.

Die imposanten Bergmassive, die das weite Inntal überragen und irgendwie auch beschützen, sind an diesen Adventstagen oben schon mit Schnee bedeckt. Unten im Tal aber überzieht der Schnee erst zaghaft einen Teil der Wiesen. Der Winter hat noch nicht wirklich begonnen und so ist es hier in Tirol wie eigentlich überall in den Alpenregionen eine denkbar stille Zeit. Der Herbsttourismus ist längst vorbei und noch haben Mitte Dezember die Winterurlauber ihre Quartiere nicht bezogen.
Zwar kommen besonders am Wochenende Busse mit Christkindlmarkt-Besuchern aus Deutschland und Italien, aber die sind abends meist schon wieder fort, so wird es bei Anbruch der Dunkelheit tatsächlich ruhig und beschaulich auf den meist kleinen Adventmärkten entlang des Inns. Und genau diese Atmosphäre lohnt den Besuch, lohnt es, ein Wochenende im Advent in Tirol zu verbringen.

Sterne weisen den Weg in Hall

Vom Bahnhof in Hall sind es nur wenige hundert Meter Fußweg bis hinein und hinauf in die alten Gassen der Stadt. Das Mittelalter umfängt den Besucher, die Zeit scheint stehen geblieben, nur dass der geschäftige Rummel von einst, als die Stadt vom Salzhandel lebte und hier gar die ersten Silbermünzen geprägt wurden, verschwunden ist. Jetzt im Advent sind die Gassen  nur von Sternen beleuchtet, und wer ihnen folgt, findet den Weg hinauf zum oberen Stadtplatz. Dort stehen die Stände des kleinen Adventmarktes, dort duftet es nach herzhaften Krapfen, dort spielt eine kleine Bläsergruppe traditionelle Weisen, dort sind die Einheimischen beieinander, vor und hinter den Ständen.
Mittendrin ist Stadtführerin Claudia Himmler unterwegs mit einer Gruppe. Hier vom Zentrum aus hat sie alle Sehenswürdigkeiten von Hall gut im Blick. Sie zeigt Richtung Münzerturm, wo einst der silberne Guldiner geprägt wurde, der später zum berühmten Taler wurde.

„Gloria!“ statt „Prost!“

Geprägt war Hall aber besonders auch vom Salz, dass hier gewonnen wurde. Claudia Himmler erzählt, dass vor allem die Schweizer das Salz gekauft hätten für ihre Käseproduktion. Taler und Salz machten den Ort wohlhabend, als aber deswegen auch die Pfarrkirche erweitert werden sollte, fehlte der Platz, aus statischen Gründen musste der Chor etwas nach rechts gebaut werden, so bekam die Nikolauskirche einen Knick, für den sie heute berühmt ist.
Jetzt im Advent fällt der Blick aber vor allem außen auf die Fassade der Kirche, denn darauf, wie auch auf andere Häuserwände, sind groß die Zahlen Eins bis Vierundzwanzig projiziert – Sinnbilder für die Zeit vor Weihnachten.

Schmunzeln erzählt Claudia Himmler dann noch vom Gloria-Brauch. Wenn die Einheimischen nach Weihnachten rundum ihre Krippen besichtigen, schenkt der Hausherr natürlich ein Schnapserl aus, „Gloria-Wasser“ genannt, und statt profan „Prost!“ wünscht man sich „Gloria!“

Rattenberg ist ein mittelalterliches Kleinod

Eine halbe Stunde das Inntal hinab. Hier schmiegt sich, zwischen Burgruine und Inn, das kleine Städtchen Rattenberg an den Hang der Berge. Rattenberg ist nicht nur einfach klein, es ist die kleinste Stadt Österreichs mit gerade mal 400 Einwohnern. Verschlossen, trutzig wirkt die Stadt nach außen, obwohl sie keine Stadtmauer hat, aber die äußeren Häuser verstellen schützend den Blick in die Stadt, nur schmale Durchlässe führen hinein.
Drinnen ist Rattenberg ein Kleinod. Und die alten Häuser und Gassen bilden die ideale Kulisse für den Adventszauber, der den Besucher hier umfängt. Dabei fehlen die Stände fast ganz. In der einzig größeren Gasse – früher eine Durchgangsstraße für den Fernverkehr, doch die Laster rissen immer wieder die schönen Erker mit, sodass die Stadt  längst für den Verkehr gesperrt ist – sind stattdessen die Läden in den Laubengängen geöffnet.
Es glitzert ganz besonders in den Schaufenstern: in Rattenberg sind seit langer Zeit die Glaskünstler zu Hause. Und so ist es selbstverständlich, dass hier der Glühpunsch aus feinem geschliffenem Glas angeboten wird. Während die Schaufenster strahlen, ist das übrige Rattenberg in ein romantisches Dämmerlicht getaucht, nur Kerzen erleuchten die Fenster der Häuser und unten in den Gassen wärmen flackernde Holzfeuer die Besucher.

„Die ganze Stadt lebt den Advent“, sagt Eva Lind

Schnell ist das Ende der Hauptgasse erreicht, und hier steht die Bühne, auf der vor allem samstags die Rattenberger ihren Advent gestalten. Einheimische Gruppen lesen und musizieren, der Diakon der Kirchengemeinde, Franz Margreiter, der ansonsten in einem der Geschäfte als Verkäufer arbeitet, spendet ganz selbstverständlich den Segen, und die berühmte Opernsopranistin Eva Lind lässt es sich nicht nehmen, trotz frostiger Luft Lieder zum Advent zu singen. Eva Lind stammt aus einem Nachbarort und singt gerne hier. Das sei kein Halligalli, sagt sie, die ganze Stadt würde den Advent leben.

All das ist stimmungsvoll und stimmig in dieser Kulisse der kleinen, alten Stadt, die am Wochenende so ganz zum Einkehrort des Advents wird. Dazu gehört auch das Orgelkonzert in der Kirche und dazu gehört das Lichterlabyrinth, das der Künstler Gernot Candolini in einer Seitengasse aufgebaut hat. Er will bewusst die Besucher ausbremsen. Ein Labyrinth sei immer auch ein Geschenk der Zeit, sagt er, und es führe zur Mitte. Wünsche kann man mit hineinnehmen, aber es dürfe kein Wunsch sein, den man sich kaufen kann.

„Da kommt die Ruhe und Besinnung von selbst.“

Reinhard Hacker, Chef vom gleichnamigen Café, hat diese Art des Advents mit kreiert, damals als der Verkehr verbannt wurde, und die Rattenberger überlegten, wie man jetzt die eingekehrte Stille gestalten kann. Ihn stört es nicht, dass im Winter die Sonne nicht in die Stadt hineinscheint, Rattenberg sei gerade deshalb jetzt so romantisch. Überhaupt, in dieser Stadt störe nichts, sagt er, nicht einmal eine Bausünde gäbe es. Rattenberg sähe aus wie eine gemalte mittelalterliche Stadt. Und allein schon durch die Verbannung des Verkehrs sei ein andere Geschwindigkeit des Seins eingekehrt, jetzt im Advent könne man das besonders erleben. Hacker empfiehlt, freitags oder sonntags zu kommen, dann seien die Rattenberger fast unter sich. Dann singen sie hier ihre traditionellen Anklöpflerlieder: „Da kommt die Ruhe und Besinnung von selbst.“ (Stefan Quilitz)


Adventmarkt in Hall / © Stadtmarketing Hall in Tirol
Adventmarkt in Hall / © Stadtmarketing Hall in Tirol
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