Ein Wohnprojekt in Berlin unterstützt HIV-Infizierte und Aids-Kranke

Zuhause im Kiez

Finanzielle Einbruch, soziale Isolierung, Suchtprobleme - Menschen mit HIV oder Aids sind mit vielen Problemen konfrontiert. Das gemeinnützige Berliner Wohnprojekt "Zuhause im Kiez" schafft diesen Menschen seit 1989 ein Heim, in dem es ihnen leichter fallen soll mit der Krankheit zu leben.

Autor/in:
Nadine Schimroszik
 (DR)

"Ich war vereinsamt und hoffnungslos"
Reinhold nestelt an seinen Fingern und streicht sich ständig mit der rechten Hand über den Mund. Seine Zigaretten liegen vor ihm auf dem Tisch. "Ich war vereinsamt und hoffnungslos", sagt der HIV-Infizierte. Der 49-Jährige sitzt auf dem Sofa im Bewohnercafe in der Berliner Käthe-Niederkirchner-Straße und feiert seinen Geburtstag. Das Cafe ist eines der vielen Angebote von ZIK (Zuhause im Kiez), einem gemeinnützigen Wohnprojekt für Menschen mit HIV, Aids oder chronischer Hepatitis C. Über ganz Berlin verteilt gibt es Standorte, an denen derzeit 400 Kranke betreut werden. Rund 7500 HIV-Infizierte und Aids-Kranke leben in der Hauptstadt.
Deutschlandweit gibt es 59 000 Betroffene.

Im Bewohnercafe kann sich Reinhold täglich mit anderen Betroffenen austauschen. Diese singen ihm sogar ein Geburtstagsständchen und bringen Kuchen mit. Reinhold ist sichtlich gerührt. Er habe wieder soziale Kontakte, außerhalb des Drogenmilieus. Sein Gesicht erzählt heute noch von einem bewegten Leben. Sein persönlicher Betreuer habe ihm auch bei vielen Behördengängen geholfen, sagt er. Erstmals seit 20 Jahren arbeite er auch wieder, beim Grünflächenamt in Berlin-Tiergarten, freut sich Reinhold.
Neben ihm sitzt der 29-jährige André. Er ist an HIV und Hepatitis erkrankt, war lange im Krankenhaus. Der frühere Krankenpfleger wurde erst in der ZIK-Akutpflege betreut, jetzt lebt er im betreuten Einzelwohnen.

Mehr Pflege von Erkrankten nötig
"Wir mieten Wohnraum an und geben ihn provisionsfrei an HIV-Infizierte oder AIDS-Kranke weiter", erklärt der sogenannte ZIK-Sozialmakler Robert Kliem. Sie kümmerten sich um den Umzug, die Kaution und Renovierung der Wohnung. Zudem böten sie beispielsweise Schuldnerberatungen, Gesundheitsvorsorge, Beschäftigungsmöglichkeiten und Suchtgespräche an.
"Der Pflegeapparat muss weiter ausgebaut werden", betont der 46-Jährige. HIV-Infizierte würden immer älter, litten dadurch auch an anderen Erkrankungen. Zudem hätten die antiretroviralen Kombinationstherapien viele Nebenwirkungen, die den Kranken häufig sehr zu schaffen machten.

Unwissenheit und Angst von außen
André jedenfalls kann erst seit seinem Umzug wieder lächeln. "Allein bekommt man kaum Unterstützung, aber hier bin ich endlich nicht mehr nur auf mich gestellt", sagt er und schaut dabei auf den Boden. Nervös wippt er mit seinen Füßen. "Draußen bin ich immer auf Unwissenheit und Angst gestoßen, wenn ich von meiner Krankheit erzählte", erklärt der 29-Jährige. Alle hätten dann Abstand gehalten.

Ein schönes Zuhause
"Der Austausch ist den Besuchern wahnsinnig wichtig. Sie haben ein großes Bedürfnis, über ihre Krankheit zu reden", verrät Nico Altner, der das betreute Gemeinschaftswohnen in Berlin-Prenzlauer Berg leitet. Allerdings könnten auch sie keine Freunde vermitteln. Besonders Ex-Junkies falle es schwer, Bindungen einzugehen. Und ZIK sei auch der größte Wohnraumgeber für drogenabhängige Menschen.

Im Bewohnercafé schaut jedenfalls André fast täglich vorbei. Dort isst er, kocht mit den anderen Anwesenden und Betreuern und raucht. Es sieht überall sehr hübsch aus: ein Aquarium steht im Raum, die Wände sind bunt und die Möbel hell. Das Haus, in dem sich mehrere Wohnungen befinden, ist ein nett anzusehender Neubau. "Wir wollen den Bewohnern an allen Standorten ein schönes Zuhause bieten. Sie haben schließlich vorher häufig nicht viel Schönes im Leben gesehen", schildert Kliem.

Gesellschaftliche Tabus ansprechen
Wenn das Gesundheitsamt einen Bedarf bei einem Erkrankten feststellt, kann er sich bei ZIK bewerben. Es gibt eindeutig mehr Bewerber, als Plätze. "Bei den Themen Aids und HIV werden alle Tabuthemen unserer Gesellschaft angeschnitten, wie Krankheit, Tod, Homosexualität und Prostitution", sagt Kliem. Es müsse darüber geredet werden, vor allem über die Isolation der Betroffenen und die meist ungeklärte Beschäftigungsfrage.

Für Olaf stellt sich diese Frage erst wieder seit kurzer Zeit: Nach einer schweren Lungen- und Gehirnwasserentzündung ist er jetzt psychisch und physisch wieder in der Lage, allein zu wohnen. "Ich ziehe Anfang Dezember ins betreute Einzelwohnen", kündigt der 40-Jährige an. Doch er hat noch größere Pläne. Irgendwann möchte er wieder ganz selbständig sein und als Heizungsinstallateur arbeiten. Sein Ziel passt damit ideal zum wichtigsten ZIK-Grundsatz: "Hilf nur so viel und so lange, wie nötig".