Hilfsorganisationen fordern mehr Schutz für Indigene

Ein Tag gegen das Verschwinden - Urvölker im Blick

Ureinwohner wie die Aborigines in Australien werden immer weniger. Jede zweite indigene Sprache droht zu verschwinden. Am internationalen Tag der indigenen Völker erheben Menschenrechtler und Indigene ihre Stimme.

Autor/in:
Christian Michael Hammer
Gruppe von jungen Indigenen in Brasilien / © Marcelo Camargo (dpa)
Gruppe von jungen Indigenen in Brasilien / © Marcelo Camargo ( dpa )

Indigene Völker und ihre Kultur verschwinden Zusehens - und das scheinbar unaufhaltsam. Vor allem Sprachen sind auf allen Kontinenten bedroht. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "Sprache: ein Menschenrecht. Wie Indigene ihre bedrohten Sprachen verteidigen". Sie kommt von der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). Veröffentlicht wird sie anlässlich des Tags der indigenen Völker am 9. August.

"Die Sprachen werden meist nur mündlich überliefert und nicht in der Schule gelehrt", erklärt die GfbV-Referentin für indigene Völker, Yvonne Bangert. Die Vermittlung der indigenen Sprache falle oft den Großeltern zu - oder bleibe aus, so Bangert. Schwierigkeiten gebe es, das vorhandene Recht auf Sprache tatsächlich umzusetzen. Es sei dennoch "Anker für kollektive und kulturelle Identität" und transportiere das Wissen ganzer Kulturen.

Traditionen und Identität der Völker in Gefahr

Wenn Sprachen verloren gingen, seien überlieferte Traditionen und die Identität betroffener Völker in Gefahr, so Bangert. Beim Aktionstag geht es deshalb vor allem darum, mehr Aufmerksamkeit für die Belange Indigener zu bekommen. Weiter würdigen Aktivisten mit dem Tag auch die Leistungen und Beiträge, die indigene Bevölkerungsgruppen leisten, wenn es um internationale Probleme wie Umweltschutz geht.

Dabei sind Indigene per Definition Menschen, die Nachkommen einer Bevölkerung vor einer Eroberung, Kolonisation oder der Gründung eines Staates oder einer Region sind. UN-Schätzungen zufolge gibt es etwa 370 Millionen Angehörige indigener Volksgruppen. Sie leben in etwa 90 Staaten.

Aktionstag erstmals 1994

Die UN-Generalversammlung hatte den Aktionstag erstmals 1994 ausgerufen und erinnert damit an das erste Treffen der UN-Arbeitsgruppe für indigene Bevölkerungsgruppen im Jahr 1982. Er wird veranstaltet, um die Rechte der indigenen Bevölkerung zu fördern und zu schützen, hieß es damals. Zudem haben die Vereinten Nationen 2019 zusätzlich zum Jahr der indigenen Sprachen ausgerufen.

"Indigene Sprachen sind notwendig für die Wahrnehmung der Menschenrechte und als Teil des reichen sprachlichen und kulturellen Erbes der indigenen Völker", so die Vereinten Nationen. Sie ermöglichten die Meinungs- und Gewissensfreiheit, die für die Menschenwürde sowie für die kulturelle und politische Selbstbestimmung von entscheidender Bedeutung sei. Auch transportierten sie "die Weisheit des traditionellen Umweltwissens" und seien damit der Schlüssel zur Bekämpfung des Klimawandels und zum Leben in Frieden", wie es anlässlich des Aktionstages seitens der UN hieß.

ILO-Konvention 169​ soll Rechte der Urbevölkerung schützen

Um dafür zu sorgen, dass diese das auch weiter können, wollen die Menschenrechtler auf dem Platz der Republik in Berlin für Furore sorgen: Sie planen dort eine kunstvolle Installation aus bunten Würfeln. Außerdem wollen die GfbV und der Koordinierungskreis ILO 169 am Aktionstag dem Bundeskanzleramt einen gemeinsamen Appell übergeben und zum Handeln bewegen.

Die ILO-Konvention 169 wurde bereits 1989 gemeinsam mit Vertretern indigener Völker abgefasst und anschließend verabschiedet. Als einzige völkerrechtlich bindende Norm über eingeborene und in Stämmen lebende Völker stellt sie die derzeitige Grundlage für deren Schutz dar. Sie räumt der Urbevölkerung bei Großprojekten auf ihrem Land ein Mitspracherecht ein und hebt ihre Rechte an den natürlichen Ressourcen ihres Landes ausdrücklich hervor. Im Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD darauf verständigt, die Annahme des Abkommens anzustreben.

Kritik an mangelndem Schutz für indigene Völker

Das katholische Hilfswerk Misereor fordert indes konkret mehr Schutz für das Volk der Karipuna in Brasilien. Demnach unternimmt die brasilianische Regierung zu wenig, um das Volk der Karipuna zu schützen und ihre in der Verfassung festgeschriebenen Rechte zu verteidigen. Stattdessen würden Indigene samt ihrer Schutzgebiete als Entwicklungshindernis betrachtet. Die Situation sei sehr besorgniserregend und habe sich nach der Wahl und auch während der sieben Monate der Amtszeit von Jair Bolsonaro zum Staatspräsidenten verschlimmert. Ähnlich äußerte sich das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt. Zudem erinnerte es die Bundesregierung an ihre Formulierung zur ILO-Konvention.

Der Präsident von missio München, Wolfgang Huber, lenkt den Blick auf Indien. Dort kämpfen derzeit acht Millionen Menschen um ihre angestammten Lebensräume in den Wäldern und Bergen, erklärte er. "Wir haben eine Verantwortung für unser gemeinsames Haus und die Bewahrung der Schöpfung - aber auch für alle Menschen darin."


Quelle:
KNA