Ein spanischer Pilger unterwegs zu Gott und Gigs

Weltjugendtag mit DJ-Set

Pilgern geht nicht nur mit Gesangbuch, sondern auch mit "EDM"-Musik. Ein spanischer Elektro-Musiker hat seine eigenen Tracks im Gepäck zum katholischen Weltjugendtag. Mehr Elektro würde der Kirche gut tun, glaubt er.

Autor/in:
Nicola Trenz
Ein DJ bei der Arbeit / © DisobeyArt (shutterstock)

Zum größten europäischen Festival mit elektronischer Musik, dem Tomorrowland, sind vor wenigen Tagen rund 600.000 Feierwütige nach Belgien gekommen.

Noch etwas mehr Leute werden in den kommenden Tagen in Lissabon erwartet – zum weltweit größten christlichen Glaubensevent, dem katholischen Weltjugendtag (WJT). Der junge Spanier Lorenzo Reckling würde gerne das Beste aus diesen beiden Welten kombinieren – und legt deshalb beim Vorprogramm des WJT Electronic Dance Music (EDM) auf. 

Mix aus Modern und Klassisch

Unter der Woche studiert der 19-Jährige klassisches Klavier. Am Wochenende legt er auf Partys und in Clubs seine eigene Elektro-Musik auf. Dass er Klassisches und Modernes verbinden will, liegt auch in seiner Biografie. Sein Vater produziert Musik, seine Mutter ist Organistin. "Sie hat schon alle möglichen Kathedralen dieser Welt gesehen durch ihre Orgelkonzerte", sagt Lorenzo. Wohl auch dadurch inspiriert ist sein Wunsch, mit elektronischer Musik Kirchen zu erfüllen. "Kathedralen haben durch die Architektur und Atmosphäre etwas Besonderes", sagt er. Welche Kirche er am liebsten mal mit EDM fluten würde? "Die Sagrada Familia in Barcelona". 

Sagrada Familia im Sonnenlicht / © TTstudio (shutterstock)
Sagrada Familia im Sonnenlicht / © TTstudio ( shutterstock )

Katholisch sein ist zu traditionell

Lorenzo läuft hinter dem schwarzen Vorhang der Bühne entlang, die auf einem Dorfplatz im Norden Portugals für den großen Abschlussabend der "Tage der Begegnung" aufgebaut wurde. Den Kirchturm des Ortes im Blick, spricht er über seine Erfahrungen und Erwartungen an Kirche. "Die Kirche ist in einer früheren Epoche stehen geblieben", findet er. Ein Beispiel dafür: "Die Kirchenmänner tragen immer noch die gleichen langen Gewänder wie früher, aber heutzutage tragen wir alle Jeans und T-Shirts. Wenn man aber in eine Messe geht mit zerrissenen Jeans und Sonnenbrille, dann wird man komisch angeschaut", beschreibt es der junge Mann und zeigt auf seine eigene kurze Hose mit Rissen. Er findet: Katholischsein in Spanien ist zu traditionell und streng. "So wie die Kleidung ändern sich auch andere Dinge über die Zeiten hinweg." 

Manchen Priestern und Gemeinden gelinge es, junge Leute zu interessieren: "Wenn sie Festivals, Zumba oder andere coole Sachen anbieten, dann kommen die Leute auch." Lorenzos Erfahrung in seiner Heimat: "Über attraktive Angebote merken die Leute dann, dass Gott uns erfüllt". 

Musik ist eine universelle Sprache

Warum also nicht mal moderne Musik und Kirche kombinieren? "Die ganzen jungen Leute, die hier beim Weltjugendtag aus allen möglichen Ländern zusammenkommen, mögen so Musik wie David Guetta, Avicii oder Coldplay", sagt er, "Musik ist eine universelle Sprache, die verbindet". Immer wieder vergleicht Lorenzo das Feiern des Glaubens in Menschenmengen mit EDM-Festivals. Auf einem Weltjugendtag ist er zu ersten Mal, aber TikTok-Videos von vergangenen "JMJ", wie das Event auf Spanisch genannt wird, haben es ihm angetan. "Wenn man moderne, coole Musik mit dem Setting des Weltjugendtags kombinieren würde, würden nicht-gläubige Menschen vielleicht auch merken, dass auch wir Spaß haben, dass auch bei uns Gläubigen eine fröhliche, moderne Atmosphäre herrscht." 

Musik im Pilgergepäck

Auch wenn sein spanisches Heimatland mehrheitlich katholisch ist, werde man dort manchmal für das Christsein diskriminiert, sagt Lorenzo. "Ich würde mir wünschen, dass man auf ganz normale oder auch interessierte Reaktionen stößt, wenn man sagt, dass man an Christus glaubt", sagt er. Das DJ-Set steht auf der Bühne schon bereit. 

Welcome zum Weltjugendtag  (DR)
Welcome zum Weltjugendtag / ( DR )

Lorenzo hat seine Musik auf USB-Sticks immer dabei – auch im Pilgergepäck zum Weltjugendtag. Mit einer Gruppe aus seinerHeimatstadt Valladolid kam er zu den Vorbereitungstagen in der Nähe von Aveiro. Spontan brachten seine Freunde ihn bei einer kleineren Party ans DJ-Pult – eigentlich nur für kurze Zeit. Der portugiesische DJ fand ihn dann so gut, dass er ihm nun die Bühne bei der größten Party des Vorbereitungsprogramms am Samstagabend überlässt. 

"Uns alle hier eint was Übergeordnetes"

Ein besonderer Gig für den Nachwuchsmusiker: "Bei der ersten Party hier habe ich gesehen, wie glücklich alle Pilger waren und wie sich Leute aus verschiedenen Nationen verbunden haben". Das sei bei anderen Festivals zwar auch so, sagt er, aber aus anderen Gründen. "Da ist man in Drogen und Suff vereint – uns alle hier eint was Übergeordnetes. Und das eint uns mehr, als Drogen." Und so übernimmt Lorenzo das Pult und präsentiert vor jungen Leuten aus verschiedenen Ländern seine Musik. Vielleicht klappt es in ein paar Jahren ja für ihn auch, einmal vor dem ganzen Weltjugendtag mit elektronischer Musik aufzutreten.

Eine Chronologie der Weltjugendtage

1986: Weltjugendtag in Rom (Italien): keine Angaben

1987: Weltjugendtag in Buenos Aires (Argentinien): 1 Million

1989: Weltjugendtag in Santiago de Compostela (Spanien): 0,5
Millionen

1991: Weltjugendtag in Tschenstochau (Polen): 1,6 Millionen

1993: Weltjugendtag in Denver (USA): 0,6 Millionen

1995: Weltjugendtag in Manila (Philippinen): 4 Millionen

1997: Weltjugendtag in Paris (Frankreich): 1,2 Millionen

Orientierungshilfe für den Weltjugendtag / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Orientierungshilfe für den Weltjugendtag / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA