Ein Restaurant-Kritiker veröffentlicht Gottesdienst-Rezensionen

Gut beten in Rom

Würde und Schönheit von Gottesdiensten hat Papst Benedikt XVI. schon häufiger angemahnt. Dass jemand dafür Noten verteilen könnte, kam ihm wohl nicht in den Sinn. Camillo Langone hat es getan. In der Hauptbeschäftigung Restaurantkritiker der Tageszeitung "Il Foglio", durchstreifte der Journalist aus Parma die Kirchen Roms und notierte, was er in Messen sah, hörte und roch. Dabei heraus kam: "Der Messen-Führer", eine Art Landkarte des guten Geschmacks am Tisch des Herrn.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Das Buch funktioniert im Prinzip wie der «Guide Michelin» - nur dass Langone keine Sterne verteilt, sondern Kerzen (für die Ausstattung der Kirchen) und Messbücher (in der Bewertung der Gottesdienste), jeweils auf einer Skala von eins bis fünf. Seine Urteile können hart sein wie die der gefürchteten französischen Gourmets: In Sant'Eugenio bemängelt er «schreckliche Plastikstühle», die «noch anti-liturgischer als anti-ästhetisch» seien, dazu hässliche Kunstblumengestecke auf den Seitenaltären. Nur dank der üppigen Krippe in der Weihnachtszeit bringt es die Opus-Dei-Kirche doch noch auf vier von maximal fünf Kerzen.

Langone ist bekannt für seine scharfe, manchmal ätzende Feder.
Hämisch oder verletzend wird er deswegen nicht. Er beschreibt sich selbst als praktizierenden Katholiken. Ein früheres Buch von ihm heißt «Die wahre Religion, für Mädchen erklärt». Darin schreibt er in zwölf Briefen an fiktive Freundinnen, warum es wichtig sein soll, ein Kreuz an der Halskette zu tragen, ein Kind zu taufen, eine Krippe aufzustellen. Es ist eine Art Katechismus, etwas unorthodox, schräg, aber fromm.

So spürt Langone beim Gang durch Roms Gotteshäuser dem nach, was seinem Glauben dient. Die gepolsterten Kniebänke in der Paulisten-Kirche Santa Susanna sind für ihn ideal zum betenden Verweilen. Weihrauch gibt es in Fülle. Die hellen Stimmen der jungen Zisterzienserinnen aus dem Nachbarkloster beim Gregorianischen Choral findet er betörend. Dann aber der Griff ins Weihwasserbecken - es ist leer. Punktabzug. «Ist es möglich, dass keine der 25 Nonnen zehn Minuten Zeit hat, um es aufzufüllen?», fragt Langone. Dafür wirft er den frommen Schwestern einen Zettel in den Opferstock, auf dem er einen Hinweis auf Artikel 1421 des römischen Benediktionale
notiert: Über den Gebrauch des Weihwassers.

Die Form der Gottesdienst-Rezension hat allerdings schon Vorläufer, etwa in der Rubrik des «Mystery Worshipper» des englischen Internet-Magazins «Ship of fools». In Deutschland scheiterte vor Jahren eine evangelische Kirchenzeitung mit der Idee, ihre Redakteure unangekündigt und inkognito in Gottesdienste zu schicken und Schlaglichter aus dem Gemeindeleben zu publizieren. Die Pfarrer fanden das nicht so gut.

Auch bei Langone müssen pastorale Mitarbeiter kritikfest sein.
Lobend erwähnt er den Minoriten-Bruder, der vor Beginn der Messe auf die Kanzel tritt und bittet, die Mobiltelefone auszuschalten. Aber «wo er schon mal da war, hätte er auch die eifrige Pfadfinder-Band bitten können, ihre Gitarren abzustellen». Dazu bemängelt Langone das flutende Neonlicht in der Peter-und-Paul-Kirche des Weltausstellungsviertels EUR und die elektrischen Opferlichter. Gesamtnote: zwei von fünf Kerzen.

Für Langone zählt der unmittelbare Eindruck, das Gefühl der Stimmigkeit. Ob die Orgelmusik echt ist und die Kerzen aus Wachs, ist ihm wichtiger als die Zugehörigkeit zu geistlichen Gemeinschaften oder liturgisch-theologischen Fronten. Gesu e Maria am Corso, mitten im quirligen Geschäftsviertel, beschreibt er als «Oase des gregorianischen Gesangs und der unsterblichen lateinischen Liturgie». Es ist eine tridentinische Messe unter kalten Halogenstrahlern, aber das Volk kniet geschlossen und andächtig während des ganzen Hochgebets. Und die zahlreichen Kirchgängerinnen mit ihren Schleiern, so Langone, böten einen «hinreißenden Blickfang».