Ein neues Siegel soll Standards in der Kleidungsindustrie garantieren

Adidas und Co wagen ein Versprechen

Die weltweit größten Modekonzerne planen gemeinsame Standards zur Kontrolle der Produktionsbedingungen. Die Theologin und Sozialwissenschaftlerin Sabine Ferenschild im domradio.de-Interview über die Chancen auf einen Erfolg der Initiative.

 (DR)

domradio.de: Schauen wir zuerst mal auf das Thema Kinderarbeit: Was haben sich die großen Handelsketten denn da vorgenommen?

Ferenschild: Sie haben sich mit der Beseitigung von Kinderarbeit in ihrer Zulieferkette einen Sozialstandard aus vielen herausgepickt, den sie vermeiden wollen. Sie nehmen sich allerdings insgesamt ein Gesamtpaket vor, das sowohl ökologische Verbesserungen in ihrer Zulieferkette versprechen soll also auch eine Reihe von sozialen Mindeststandards, wie die Einhaltung von Mindestlöhnen und  die Beseitigung von Zwangsarbeit. Das ist eine freiwillige Initiative, die im Bereich der Sozialstandards eigentlich weitgehend nicht mehr bringt, also ohnehin zahlreiche nationale Gesetzgebungen schon festgelegt haben. Am Tag zur Beseitigung der Kinderarbeit muss man sich außerdem vor Augen führen, dass gerade in diesem Bereich in den europäischen und nordamerikanischen Absatzmärkten eine hohe Sensibilität unter den Konsumenten existiert, so dass dort auch die Unternehmen am ehesten bereit sind, wirklich Druck auszuüben, dass keine Kinderarbeit in ihrer Zulieferkette vorkommt. Das hat dazu geführt, dass in vielen Ländern Kinderarbeit wirklich zurückgegangen ist - allerdings nach wie vor in der Bekleidungsindustrie nicht ausgeschlossen werden kann. U.a. auch deshalb, weil eben andere Sozialstandards wie menschenwürdige Löhne für die Eltern dieser Kinder in der Regel nicht umgesetzt werden.



domradio.de: Wenn H&M, Nike und Co freiwillig so eine Initiative starten, dann ist das ja erst mal lobenswert. Ist das mehr Schein als Sein oder wollen die tatsächlich, dass es gerechter zugeht, auf den Märkten?

Ferenschild: Eine schwierige Frage. Die Unternehmen würde das behaupten. Die Frage ist aber, ob das mit ihrer gängigen Konzernpolitik vereinbar ist: nämlich extremen Druck auf die Preise auszuüben, die sie den Zulieferunternehmen zahlen; und extrem kurze Lieferfristen, die sich nach der Marktnachfrage richten. Es kommt darauf an, die gesamte Unternehmenspolitik einer Revision zu unterwerfen - und nicht nur in dem Bereich Unternehmensverantwortung sich gute Standards zu geben. Mit der "Sustainable Apparel Coalition" setzen die Unternehmen vor allem einen Umweltschwerpunkt. Sie versuchen mehr Transparenz und einheitliche Standards einzuführen. Das ist generell erst mal wünschenswert. Es gibt einen ganzen Dschungel von Siegeln, bei denen selbst Fachleute inzwischen Schwierigkeiten haben, sie gegeneinander abzuwägen. Und es gibt eine sehr geringe Transparenz darüber, wo denn jetzt die einzelnen Produktionsschritte des hier dann verkauften Kleidungsstückes erfolgt sind. Wenn die es mit dieser Koalition schaffen, da mehr Transparenz reinzubringen, so dass die Verbraucher eine bessere Grundlage für ihre Kaufentscheidung haben, wäre schon Einiges gewonnen. Allerdings steht diese Initiative noch so weit am Anfang, dass man das noch nicht wirklich beurteilen kann.



domradio.de: Ist das nicht auch ein Verwirrspiel, wenn es solche Label gibt. Da wird mit sozialen Standards geworben, man weiß aber nirgends wirklich, ob da was dahinter steckt…

Ferenschild: Die Sozialstandards unterscheiden sich nicht grundsätzlich: Sie orientieren sich im Wesentlichen an den Kernarbeitsnormen der internationalen Arbeitsorganisationen. Allerdings gibt es dennoch glaubwürdigere Initiativen - und Initiativen, bei denen ich mir noch nicht sicher bin, wie sie sich entwickeln.  



Zur Person: Dr. Sabine Ferenschild ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Frauen und Weltwirtschaft beim Institut Südwind in Siegburg.



Hintergrund: Mit der neuen Regelung sollten ab Juli Arbeitsbedingungen in den Herkunftsländern, Einsatz von Chemikalien sowie Wasser- und Energieverbrauch erfasst werden.  Das berichtet der "Spiegel" in dieser Woche. Spätestens ab Ende des Jahres sollen erste Kleidungsstücke entsprechende Anhänger tragen. Kunden könnten dadurch zum ersten Mal die Produktionsbedingungen nachvollziehen und vergleichen. Unter anderem haben sich die Otto Group, H&M, Nike, Adidas und Gap zur "Sustainable Apparel Coalition" zusammengeschlossen, wie es weiter heißt. Die teilnehmenden Unternehmen erwirtschafteten rund ein Drittel des weltweiten Textilumsatzes.



Das Gespräch führte Christian Schlegel.