Ein neues Buch von Georg Ratzinger bietet persönliche Einblicke

Zwei Priesterbrüder

Publikationen über Benedikt XVI. füllen inzwischen Regale. Zu den wichtigsten Ansprechpartnern des Familienmenschen zählt sein älterer Bruder Georg Ratzinger, der letzte lebende enge Verwandte. Der gewährt nun Einblicke ins private Umfeld des Kirchenoberhaupts und den Werdegang zweier Priesterbrüder

Autor/in:
Barbara Just
 (DR)

Über der früheren Regensburger Domkapellmeister sagt der Papst, dass er seit Beginn seines Lebens nicht nur ein Begleiter, "sondern auch ein zuverlässiger Führer" gewesen sei. Am Montag (12.09.2011) stellte der Münchner Herbig Verlag das Buch "Mein Bruder, der Papst" vor.



In fünf Sitzungen im Frühjahr 2011, die jeweils bis zu zwei Stunden dauerten, hat der 87-Jährige dem 40 Jahre jüngeren Düsseldorfer Autor Michael Hesemann geduldig Auskunft gegeben. Der begann das Gespräch mit der Vorbemerkung "Ich bin jetzt Ihr Peter Seewald". Von Seewald stammen drei Interview-Bücher mit Kardinal Ratzinger/Papst Benedikt XVI. Doch ein reines Frage- und Antwort-Buch ist das vorliegende Werk nicht.



Der Co-Autor beschränkt sich vor allem auf Überleitungen und Ergänzungen, verdeutlicht durch Kursivdruck. Alle Aussagen des Ex-Domkapellmeisters sind in Normalschrift gehalten. Der lebendige Erzählstil von Georg Ratzinger scheint durch den Text hindurch. Wer ihn einmal plaudernd erlebt hat, hat ihn gleich im Ohr.



Immer für eine humorvolle Bemerkung gut

Hesemanns Verdienst besteht darin, dass er den kursierenden reichhaltigen Anekdotenschatz rund um die päpstliche Vita gesammelt, gesichtet und manche überzogene Darstellung korrigiert hat. So dementiert Papstbruder Georg eine angebliche Begegnung von Joseph Ratzinger mit Günter Grass in jungen Jahren, wie sie der Literaturnobelpreisträger mehrfach andeutete, ohne dass sie von Benedikt XVI. je bestätigt wurde.



Bei aller Ernsthaftigkeit ist der Papstbruder immer für eine humorvolle Bemerkung gut. Im wahrsten Sinne des Wortes köstlich wird es, wenn er sich nach Jahrzehnten detailliert an Schmankerl erinnert, wie es sie zu Festtagen im Hause Ratzinger gab: Auf den Tisch kamen Hausmannskost und Mehlspeisen.



Als Kinder hätten sie sich gelegentlich gestritten, aber bald wieder versöhnt, bemerkt Ratzinger. Nicht fehlen darf die Begeisterung des kleinen Joseph für Teddybären. Den ersten entdeckte er einst in einem Marktler Schaufenster. Ihn brachte dann das Christkind. Es blieb nicht bei einem.



"Tübingen war keine Wende"

Mit einer anderen tierischen Vorliebe des Pontifex räumt sein Bruder auf. So avancierte ein Kater aus der Pentlinger Nachbarschaft in einem Kinderbuch zur "Papstkatze". Benedikt XVI. habe bei aller Sympathie für Katzen keine besondere Beziehung zu "Chico", der zuweilen recht bösartig sein könne. "Dann kratzt er und beißt er", heißt es in dem Buch. Eine brave, schwarze "Zugehkatze" habe Joseph Ratzinger dagegen als Professor in Tübingen gehabt. "Sie hat ihn sogar in die Vorlesungen und zur heiligen Messe begleitet."



Den Umzug Ratzingers aus dem aufrührerischen Tübingen ins friedlichere Regensburg zur Zeit der Studentenunruhen deuten manche Biografen als Bruch im Leben des Papstes. Sein Bruder ist bemüht, auch diesen Eindruck zurechtzurücken. Tübingen sei keine Wende für ihn gewesen, jedoch habe sich "manches in seinem theologischen Forschen geklärt". Hier sei vollendet worden, was er zuvor getan und gelehrt habe.



Dennoch räumt der Domkapellmeister ein, dass sein Bruder unter der Situation "schon irgendwie gelitten" habe. Die Lektüre seiner damals veröffentlichten berühmten "Einführung in das Christentum" habe aber viele Studenten von ihren "irrealen Träumereien" zurück auf den rechten Weg gebracht.



Der Glaube war stets die Richtschnur für die Familie Ratzinger. Er führte sie nicht nur durch die dunkle Zeit des Nationalsozialismus. Der sonntägliche Kirchgang gehörte genauso dazu wie das Rosenkrangebet. Dazu knieten alle in der Küche nieder, ein Stuhl diente als Armlehne. Ratzinger beschließt sein Buch mit einem frommen Wunsch an seinen Bruder, den Papst: Er möge von gesundheitlichen Problemen möglichst verschont bleiben, und eines Tages "drüben, wo wir alle das Ex-Amen ablegen müssen, das allerletzte Examen", vor dem himmlischen Prüfer bestehen.