Klimaforscher Schellnhuber wird 70 Jahre alt

Ein Mann mit Mission

Er wird als Klima-Papst und "Merkels Klimaflüsterer" tituliert. Hans Joachim Schellnhuber ist ein Star der Umweltpolitik. An diesem Sonntag wird er 70 Jahre alt.

Klimaforscher und Papstberater Hans Joachim Schellnhuber / © Rainer Jensen (dpa)
Klimaforscher und Papstberater Hans Joachim Schellnhuber / © Rainer Jensen ( dpa )

Er wird auch "Merkels Klimaflüsterer" genannt. Hans Joachim Schellnhuber ist ein herausragender Physiker, der sich nicht in den Elfenbeinturm der Wissenschaft zurückgezogen hat. Der Forschungsmanager hat die Weltklimapolitik wesentlich geprägt. An diesem Sonntag wird der emeritierte Professor für Theoretische Physik 70 Jahre alt.

"Die Zeichen stehen an der Wand." Schellnhuber zitiert auch mal aus der Bibel, um die Dramatik der Situation zu beschreiben. Wer den Klimawandel leugne, müsse blind sein, sagt er mit Blick auf Wirbelstürme, Dürren und Klimaveränderungen weltweit. Wenn man die Dinge nüchtern betrachtet, muss man leider feststellen: Ja, wir befinden uns in einer Art Notstand; ja, wir haben tatsächlich nicht mehr viel Zeit, um das Abgleiten der Erde in eine Heißzeit zu verhindern".

Mitautor der Umweltenzyklika von Papst Franziskus​

Der asketisch wirkende Physiker war bis Herbst 2018 Direktor des 1992 von ihm gegründeten Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), das zu einem der weltweit angesehensten Institute im Bereich der Klimaforschung wurde. Von 2009 bis 2016 war er Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU). Er ist langjähriges Mitglied des Weltklimarats (IPCC), gehörte der Kohlekommission an und hat den Kohleausstieg 2038 mit beschlossen.

Mehrfach hat der bei Passau geborene Physiker sein Wissen auch der katholischen Kirche zur Verfügung gestellt. So nahm er im vergangenen Oktober an der Amazonas-Synode im Vatikan teil. Der in einer protestantischen Familie aufgewachsene Agnostiker hat schon vor der Vollversammlung der deutschen Bischöfe referiert, ist Mitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften und vor allem Mitautor der Umweltenzyklika von Papst Franziskus.

Für ihn, so betont er, sei die Kirche ein wichtiger Global Player im Kampf gegen die Erderwärmung. Als politische Kraft könne sie Druck auf die Politik ausüben, um das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen. "Die technischen Lösungen gibt es bereits", so Schellnhuber. "Es fehlt nur der gesellschaftliche Wille, das auch umzusetzen." Zugleich sieht der Wissenschaftler die Kirche aber auch als «spirituellen Faktor": Sie könne "die Frage, was gutes Leben ausmacht, neu stellen".

"Was hier passiert, trifft vor allem unsere Kinder"

Der Physiker weiß, wie langsam die Politik arbeitet. Die "Krankheit des Patienten Erde" sei diagnostiziert, sagte Schellnhuber schon Anfang der 90er Jahre. Der Planet benötige schnellstens eine "Therapie". Schon heute seien häufigere Wetterextreme, abschmelzende Gletscher und der Anstieg des Meeresspiegels unübersehbare Menetekel. "Was hier passiert, trifft vor allem unsere Kinder - jene also, für die wir doch angeblich immer nur das Beste wollen." Die Corona-Krise hat aus einer Sicht gezeigt, wie wichtig rechtzeitiges Handeln ist: Hätte man schneller und früher reagiert, hätte man die Pandemie möglicherweise stoppen und viele Menschenleben retten können.

Dass Schellnhuber zum Klimaforscher wurde, war eher Zufall. Er studierte Mathematik und Physik, wandte sich rasch der Theoretischen Physik zu. Sein zentrales Thema: komplexe Systeme, die sich abrupt und unumkehrbar ändern können. Die Erdsystem- und Klimafolgenforschung war dabei ein ideales Anwendungsgebiet. Als Professor an der Uni Oldenburg leitete er unter anderem ein Projekt zu den Auswirkungen des steigenden Meeresspiegels auf das Watt.

Schellnhuber hat wichtige Begriffe der Klimadebatte geprägt: Bereits 1995 brachte er das Zwei-Grad-Ziel ins Gespräch. Zugleich schlug er Budgets bei Kohlendioxid-Emissionen je nach Bevölkerungsstärke der Staaten vor. Auch das Konzept der Kippelemente geht auf ihn zurück: Ereignisse wie das Abschmelzen des arktischen Meereises oder das Nachlassen des Golfstroms könnten zu abrupten Änderungen des Weltklimas führen.

"Es gibt keinen Grund, die Flinte ins Korn zu werfen"

Für Schellnhuber ist klar: Die Menschheit ist fähig, den Faktor Natur strategisch zu beeinflussen. Neigt er selbst zu Resignation und Klima-Blues? Im Gegenteil: "Ich habe den Eindruck, dass die Botschaft vom Klimaschutz immer tiefer ins kollektive Bewusstsein einsinkt, sogar bis hinein in das der Kommunistischen Partei Chinas", sagte er vergangenes Jahr. "Es gibt überhaupt keinen Grund, die Flinte ins Korn zu werfen."

Von Christoph Arens 


Quelle:
KNA