Da sind sie wieder, die "hochrangigen Kirchenkreise". Aus dieser diffusen Personengruppe möchten die Kölner Dumont-Medien "Kölner Stadt-Anzeiger" und "Express" erfahren haben, welche drei Namen das Kölner Metropolitankapitel auf die Kandidatenliste für den neuen Erzbischof gesetzt hat. Dabei wird nicht gemutmaßt, sondern behauptet. Als ob die Dreierliste an die Domtüren angeschlagen worden wäre wie einst Luthers Thesen.
Fakt ist: Es gibt die Liste. Es stehen drei Nominierte darauf, auf die sich das 15-köpfige Gremium geeinigt hat. Die Liste ist in Rom eingetroffen, das hat das Domkapitel bestätigt. Der Papst entscheidet nun, welche Namen auf der Liste stehen, wenn sie wieder in Köln landet. Das können auch drei andere sein, als die vorgeschlagenen. Dann wählt das Domkapitel den neuen Erzbischof.
Schaut man nun in die Statuten des Kölner Metropolitankapitels, findet man den eindeutigen Satz: "Die Mitglieder des Wahlgremiums sind zur Geheimhaltung verpflichtet." Beim Konklave im Vatikan kann Geheimnisverrat theoretisch bis hin zur Exkommunikation führen.
Ein Whistleblower am Rhein?
Nun müsste also einer der ehrenwerten, zur Geheimhaltung verpflichteten Domkapitulare unter der Führung von Dompropst Norbert Feldhoff gegenüber einem Journalisten freimütig aus dem Nähkästchen geplaudert haben. Ein Whistleblower, der von den Domspitzen aus Geheimnisse auszwitschert?
Wer die Herren kennt, hält das für ausgeschlossen. Der Dompropst ist sich seiner Verantwortung bewusst, er nimmt die Bedeutung des Domkapitels bei der Wahl des neuen Erzbischofs äußerst ernst. Kaum vorstellbar, dass er oder einer aus seiner Mannschaft ausgerechnet den alles andere als kirchenfreundlichen Lokalzeitungen eine solch wichtige und interne Information gesteckt haben sollte – denn solche Indiskretionen würden auch das Ansehen und die Bedeutung der Institution schwächen.
Aber das muntere Spekulieren geht noch weiter: "Dem Vernehmen nach" und "wie aus Rom verlautet" ziehe der emeritierte Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner auch weiterhin "die Fäden der Personalpolitik für die deutsche Katholische Kirche". Meisner verfüge "über Kontaktmänner, die Personalien in seinem Sinne beeinflussen können."
Auch das ist interessant, denn wer dem Kardinal in den vergangenen Wochen und Monaten nach seiner Emeritierung begegnete, dürfte eher den Eindruck gewonnen haben, dass sich der Gottesmann in seiner neuen Rolle als Pensionär sehr wohl fühlt und bestimmt kein gesteigertes Interesse mehr an machtpolitischen Ränkespielchen hat.
Mithin kann also davon ausgegangen werden, dass die heutige Berichterstattung über die Dreierliste eine - zugegebenermaßen spannend zu lesende - Gemengelage aus wilden Gerüchten, Tuscheleien und nicht zuletzt eines geschickten Namedroppings eines übermotivierten Redakteurs ist.
Bleibt die Frage: Was wird damit bezweckt? War hier der Wunsch der Vater des Gedankens? Sollen die genannten Personen "verbrannt werden", wie schon so oft im Vorfeld von Bischofsernennungen geschehen? Gibt es gar persönliche Intentionen des Journalisten, der sich von einer Wahl des eigenen Wunschkandidaten künftige Vorteile erhofft? Oder ist es nur Wichtigtuerei?
Analyse ja, Geheimnisverrat nein
Nichts spricht gegen eine kompetente Analyse der Zustände im Kölner Erzbistum. Nichts spricht gegen Überlegungen, wer mehr oder wer weniger für das Amt des Kölner Erzbischofs in Frage kommt.
Auf eine Berichterstattung, die auf reiner Spekulation und abenteuerlichen Verschwörungstheorien beruht und sich – natürlich aus Gründen des hochehrwürdigen Quellenschutzes – nur aus vorgeblichen Informationen anonymer "hochrangiger Kirchenkreise" speist, kann getrost verzichtet werden.
Wie dem auch sei: Die Sache bleibt spannend. Denn welche Namen tatsächlich auf der Liste stehen und welche Namen aus Rom zurückkommen: Das ist völlig offen.