Warum der Papst seine Senatoren manchmal in pectore ernennt

Ein Kardinal im Herzen

Normalerweise nennt der Papst öffentlich die Namen von einem oder mehreren Kirchenmännern und nimmt sie in den Kreis der Kardinäle auf. Doch manchmal wird eine Ernennung auch aus bestimmten Gründen geheimgehalten.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Birette, rote viereckige Hüte für neu ernannte Kardinäle / © Romano Sicilian (KNA)
Birette, rote viereckige Hüte für neu ernannte Kardinäle / © Romano Sicilian ( KNA )

Mit dem 94-jährigen Kardinal und Papstvertrauten Marian Jaworski aus Polen ist am Wochenende ein Vertreter einer seltenen Art von Kirchenmännern gestorben. Der Pole Johannes Paul II. (1978-2005) hatte ihn 1998 "im Geheimen" zum Kardinal ernannt.

Erst 2001 machte er dies öffentlich - und die beiden "Geheimen" - Jaworski, Erzbischof von Lviv in der Ukraine, und der Lette Janis Pujats (89), Erzbischof von Riga, bekamen offiziell die Kardinalsinsignien überreicht: rotes Birett und Ring. Doch warum überhaupt behält der Papst mitunter etwas "in petto"?

"Einen Trumpf im Ärmel behalten"

Das lateinische "in pectore" (italienisch "in petto") bedeutet "in der Brust", übertragen "im Herzen" - und landläufig "einen Trumpf im Ärmel behalten". Der Papst gibt also den Namen des Erwählten nicht preis, sondern spricht die lateinische Formel: "Andere aber behalten wir in unserem Herzen, bis wir sie durch unseren Spruch ein anderes Mal mitteilen." Das Motiv dafür war in jüngerer Zeit stets, dass der Kandidat oder die dortigen Katholiken unter den herrschenden politischen Bedingungen im Land Repressionen zu fürchten hätten - oder sonstige diplomatische oder kirchenpolitische Verwerfungen zu gewärtigen wären, sobald die Ernennung bekannt würde.

Diese Bedingungen waren im 20. Jahrhundert durchgängig der Kommunismus bzw. Postkommunismus. Der Konzilspapst Johannes XXIII. (1958-1963), der unter anderem Tochter und Schwiegersohn des sowjetischen KP-Chefs Nikita Chruschtschow im Vatikan empfing und erste Schritte für eine neue vatikanische Ostpolitik einleitete, ernannte im März 1960 nicht nur sieben namentlich genannte Kardinäle, sondern auch drei "in pectore". Ihre Namen wurden allerdings nie bekannt.

Sein Nachfolger Paul VI. (1963-1978) ernannte 1969 Iuliu Hossu, den griechisch-katholischen Bischof von Cluj-Gherla in Rumänien, und Stepan Trochta, Bischof im böhmischen Litomerice (Leitmeritz), im Geheimen zum Kardinal. Hossu starb 1970 und erlebte die posthume Veröffentlichung im Frühjahr 1973 nicht mehr. Trochta dagegen blieb noch ein gutes Jahr im Kardinalsstand.

Johannes Paul II. hielt vier Kardinäle "in petto"

Johannes Paul II. (1978-2005), der Papst aus dem kommunistischen Polen, hielt sogar vier Kardinäle "in petto". Der erste war 1979 der Chinese Ignatius Kung Pin-Mei. Kung, Jahrgang 1901, war seit 1950 Bischof von Shanghai sowie Verwalter der Bistümer Suzhou und Nanjing. 1955 wurde er von den Kommunisten verhaftet und 1960 zu lebenslanger Haft verurteilt. Erst 1988 durfte Kung in die USA ausreisen - worauf Johannes Paul II. seine Ernennung 1991 veröffentlichte.

1998 folgten Pujats und Jaworski, deren Ernennung 2001 erst veröffentlicht wurde - womöglich mit Rücksicht auf die Befindlichkeit des postsowjetischen Jelzin-Russland und des Moskauer Patriarchats wegen einer vermeintlichen römischen "Expansion" in der früheren Sowjetunion.

Einen vierten Kardinal ernannte Johannes Paul II. in seinem letzten Konsistorium im Oktober 2003. Allerdings starb der Papst aus Polen 2005, ohne dass der Name durch Zeugen oder authentische schriftliche Aufzeichnungen bekannt geworden wäre. Rechtskraft hat die Ernennung gemäß dem Kirchenrecht erst mit der Veröffentlichung, ob in mündlicher oder schriftlicher Form. Pius IX. entschied 1875, dass dies auch posthum durch das Testament eines Papstes möglich wäre.

Hieronymus Aleander erster Kardinal "in pectore"

Der erste Kardinal "in pectore" war der Humanist, Diplomat und vatikanische Troubleshooter Hieronymus Aleander (Girolamo Aleandro, 1480-1542). Der einstige päpstliche Gesandte und Wortführer gegen Martin Luther beim Wormser Reichstag wurde im Dezember 1536 von Papst Paul III. ernannt, jedoch erst 1538 offiziell erhoben.

1771 ernannte Papst Clemens XIV. seinen Nuntius am Kaiserhof in Wien, Antonio Eugenio Visconti (1713-1788), zum Kardinal im Geheimen. Dies wurde 1773 wirksam - nachdem Visconti den damals politisch durchaus heiklen Posten wieder verlassen hatte.

Rekordhalter Gregor XVI.

Absoluter Rekordhalter bei geheimen Kardinalsernennungen war Gregor XVI. (1831-1846), vor dem derzeitigen Papst Franziskus der letzte Ordensmann auf dem Stuhl Petri. Er ernannte 34 von 81 seiner Kardinäle zunächst "in pectore", darunter auch seinen Nachfolger: Giovanni Maria Mastai-Ferretti respektive Papst Pius IX. (1846-1878).

Das revolutionäre Europa und vor allem Italien und der Kirchenstaat waren in Gregors Amtszeit ein politisches Pulverfass, mit diplomatischen Verwicklungen und antiklerikalen Gesetzen in vielen Ländern.

 

Papst Johannes Paul II. überreicht Marian Jaworski, Erzbischof von Lemberg (Ukraine), das Birett beim Konsistorium am 21. Februar 2001 im Vatikan / © Wolfgang Radtke (KNA)
Papst Johannes Paul II. überreicht Marian Jaworski, Erzbischof von Lemberg (Ukraine), das Birett beim Konsistorium am 21. Februar 2001 im Vatikan / © Wolfgang Radtke ( KNA )

 

Kardinal mit Birett / © Cristian Gennari (KNA)
Kardinal mit Birett / © Cristian Gennari ( KNA )
Quelle:
KNA