Ein Jesuit, die Griechenlandhilfe und eine neue Börsensteuer

"Es fehlt der politische Wille"

Die SPD wollte sie, die FDP nicht: An der Frage nach der Einführung einer Finanztransaktionssteuer ist die Zustimmung der Sozialdemokraten zur Griechenland-Hilfe gescheitert. Der Nürnberger Jesuitenpater Jörg Alt ist einer der Initiatoren einer Kampagne für eine solche Abgabe.

 (DR)

KNA: Pater Alt, die Finanztransaktionssteuer ist offensichtlich der Knackpunkt bei der Abstimmung zur Griechenland-Hilfe. Hätten Sie das je gedacht?
Alt: Als wir vor einem Jahr die Kampagne "Steuer gegen Armut" gestartet haben, hätte niemand, auch ich nicht, an eine derartige Entwicklung geglaubt. Es zeigt aber, wie brisant und bedrohlich der außer Kontrolle geratene Finanzmarkt geworden ist und dass er in der Tat, wie Bundespräsident Köhler es formulierte, die Funktionsfähigkeit und Glaubwürdigkeit unseres Gesellschafts- und Wirtschaftssystems bedroht. Da sind natürlich gute Ideen zur Lösung gefragt und die Finanztransaktionssteuer ist eine solche gute Idee.

KNA: Offensichtlich hat es nicht nur zwischen SPD und Union Streit um die Transaktionssteuer gegeben, sondern auch in der Regierungskoalition. Jetzt scheint der Vorschlag erst einmal vom Tisch, oder?
Alt: Nein, es gibt genügend Stimmen in der CDU, die verärgert darüber sind, dass die FDP durch die Stellung der Koalitionsfrage eine Einigung mit der SPD blockiert hat. Partei- und lagerübergreifende Fortschritte wären durchaus möglich. Dazu müsste die FDP mal anfangen, sich inhaltlich mit der Funktionsweise einer Finanztransaktionssteuer zu beschäftigen, anstatt ihr unter formalen Verweisen auf den Koalitionsvertrag auszuweichen. Bis dahin bleibt festzuhalten: Alle Parteien im Bundestag außer den Liberalen unterstützen eine Finanztransaktionssteuer in der einen oder anderen Form, von Bundespräsident Köhler, Sparkassenpräsident Haasis, unserer Kampagne mit ihren 59 Trägerorganisationen und Zehntausenden von Bürgerinnen und Bürgern ganz zu schweigen.

KNA: Wird denn überhaupt noch über Ihr Modell diskutiert?
Schließlich sollten doch die Einnahmen für die Armutsbekämpfung verwendet werden und nicht zur Stopfung von Haushaltslöchern.
Alt: In der Tat hat die Kampagne "Steuer gegen Armut" zwei Forderungen: die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und eine Verwendung der Mittel zur Armutsbekämpfung. In diesen Tagen haben wir vor allem über die erste Forderung gesprochen, die ja auch für die armen Länder Vorteile hat - denn von weniger Spekulation, von einem weniger volatilen globalen Finanzmarkt profitieren alle. Wofür die Einnahmen aus dieser Steuer verwendet werden, ist eine andere Frage, aber hier würden sich Linkspartei, Grüne und SPD einer verstärkten Unterstützung armer Länder nicht entziehen und auch innerhalb der CDU/CSU gibt es, wie ich aus Gesprächen weiß, Verständnis und Sympathie für diesen Aspekt.

KNA: Was passiert nun mit ihrer Petition im Bundestag?
Alt: Zunächst wird es am 17. Mai im Finanzausschuss des Deutschen Bundestag zu einer Expertenanhörung zu Finanztransaktionssteuer und Bankenabgabe kommen. Auch bei anderen Veranstaltungen in der Woche, in der Finanzminister Schäuble zu einem G20 Treffen nach Berlin laden wird, werden wir unsere Position deutlich zu Gehör bringen. Im Oktober gibt es eine weitere Anhörung im Petitionsausschuss. Ansonsten vermute ich mal, dass, wenn die Politik die Märkte weiterhin gewähren lässt, wir bald über Finanzhilfen für Portugal und Spanien diskutieren müssen. Auch in diesem Fall würde unser Vorschlag auf der parlamentarischen Tagesordnung bleiben.

KNA: Viele Kritiker sagen, dass eine Finanztransaktionssteuer nur international durchsetzbar ist. Glauben Sie, dass so etwas überhaupt mit den USA und Großbritannien zu machen ist?
Alt: Eine internationale Durchsetzung wäre die optimale Lösung. Hier sehen wir nach wie vor viele Spielräume. Außer europäischen Staaten gibt es dafür Sympathien bei Schwellenländern wie Russland und Indien. Der Internationale Währungsfonds hat eine Finanztransaktionssteuer lediglich kurzfristig ausgeschlossen, ist aber mittelfristig positiv eingestellt, falls derzeit noch offene Fragen überzeugend geklärt werden können. Außer in Deutschland gibt es inzwischen ähnliche Kampagnen in England, Österreich, Kanada, Italien und anderen Staaten. Das heißt: Auch andernorts schwenken Gesellschaften und Regierungen auf diesen Kurs ein. Technisch möglich und sinnvoll wäre eine Finanztransaktionssteuer auch im Rahmen der EU und der Eurozone. Es fehlt lediglich der politische Wille, die rechtlichen Grundlagen für eine solche Steuer herzustellen.

Das Gespräch führte Christian Wölfel.