Ein Hilfsprojekt für afghanische Straßenkinder

Hoffnung heißt "Aschiana"

"Nichts ist gut in Afghanistan!" Mit dieser Äußerung stieß die damalige Bischöfin Käßmann auf Kritik. Und es ist auch falsch, wie z.B. das Projekt Aschiana zeigt: Seit der Gründung vor fünf Jahren wurden landesweit weit mehr als 7000 Straßenkinder "aufgefangen", Tausende werden täglich mit einer warmen Mahlzeit versorgt.

Autor/in:
André Spangenberg
 (DR)

Am 20. Juli wird Afghanistan wieder kurzzeitig ins Rampenlicht rücken. Dann kommen in Kabul Vertreter von gut 80 Staaten und internationalen Organisationen zu ihrer London-Nachfolgekonferenz zusammen, um die Milliardenhilfe erneut an große Fortschritte in Afghanistan zu binden. Dabei sind es kleine Projekte wie «Aschiana», die mit relativ wenig Mitteln «den Menschen viel Mut und Hoffnung geben», wie Ahmad Shah erläutert.

«Kinder auf der Straße haben keine Stimme. Wir geben ihnen zumindest ein vorübergehendes Zuhause», erzählt der 49-Jährige, der heute im «Aschiana»-Zentrum der afghanischen Hauptstadt Straßenkindern Malen und Zeichnen nahebringt. Mit Stolz zeigt er auf die 14-jährige Aziza, die im vergangenen Jahr durch eines ihrer Bilder UN-«Botschafterin des Friedens» wurde. Von seinen Schülerinnen wird er hochachtungsvoll nur «der Lehrer» genannt. Dabei hat sich Ahmad Shah, früher Bibliothekar, das Malen selbst beigebracht.

Hoffnung für eine bessere Zukunft
Rund 180 Kinder leben heute in dem kleinen Areal irgendwo in Kabul. Den genauen Standort will keiner gern angeben, sind es doch zumeist «Straßenköter», wie sie abfällig von Erwachsenen außerhalb der Schutzmauern bezeichnet werden, die hier Unterschlupf finden. In dem Projekt, das für fünf Jahre mit insgesamt acht Millionen Euro der EU rechnen kann, erhalten die oft mental oder körperlich gehandicapten Kinder eine Hoffnung für eine bessere Zukunft.

«Aschiana» ist das Dari-Wort für Nest, es steht für Geborgenheit und Wärme. Oft erleben die Straßenkinder erstmals in dem Projekt Herzensgüte - wie die persönliche Zuwendung des 49-Jährigen. «Wir wollen den Kindern und Jugendlichen, die unter den Folgen von Krieg und Bürgerkrieg leiden, die Möglichkeit für den Einstieg in ein eigenes Leben geben», betont die «Aschiana»-Leitung. So kommen die 8-bis 10-Jährigen oft zum ersten Mal in ihrem Leben mit Lesen und Schreiben in Kontakt, bei den 10- bis 13-Jährigen ist es zumeist eine Vorbereitung auf den regulären Schulbesuch.

Etwas Dauerhaftes vermitteln
Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren sind problematisch. Denn für sie gibt es keinen Weg zurück zur Schule, sie sind in dem Alter «aus dem System raus». Daher ist es an Ahmad Shah und seinen Kollegen, den jungen Menschen etwas Dauerhaftes zu vermitteln, damit sie später ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können. Für Mädchen sind es in der Regel Malerei und Kalligrafie - in muslimischen Ländern eine hoch geschätzte Kunst, die Jungen werden zumeist in handwerklichen Dingen von der Holzverarbeitung bis zur Töpferei unterrichtet. Frauen können zum Start in die Selbstständigkeit sogar Mikrokredite erhalten.

Neben Reintegrationsprojekten für ganze Familien existieren landeweit fünf städtische Anlaufstellen, wo sich Afghanen mit EU-Unterstützung um Straßenkinder kümmern. Das sind neben Kabul auch Mazar-i-Sharif im ehemals als ruhig geltenden Norden, die Provinzhauptstadt Herat im Westen, Dschalalabad im Osten an der pakistanischen Grenze auf dem Weg nach Peschawar und selbst Kandahar im heiß umkämpften Süden. Etwa 60 Prozent von ihnen sind Mädchen. Mit Stolz sagen deshalb die Mitarbeiter: «'Aschiana' ist unsere Antwort auf die Talibanisierung Afghanistans.»