Ein Gottesdienst zum Auftakt des Geburtstags der Republik

"Verantwortung vor Gott"

"Sicherheitsüberprüft". Das Wort hört man immer mal wieder an diesem Freitagmorgen am Berliner Lustgarten. Die Republik wird 60 Jahre alt, den Auftakt der Feiern bildet ein "ökumenischer Festgottesdienst". Da kommt die komplette Spitze des Staates. Und der Berliner Dom wird zum Hochsicherheitstrakt.

Autor/in:
Christoph Strack
 (DR)

15 Minuten vor Beginn der Feier sind die meisten prominenten Gäste schon im Gotteshaus versammelt. Vorn plaudert Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mit einer großen Koalition aus Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU). Hinten im Gang tauschen sich Karin Göring-Eckardt (Grüne) und Otto Fricke (FDP) aus. Auch einige der großen Alten sind da, Roman Herzog und Hans-Dietrich Genscher zum Beispiel.

Um fünf vor zehn zieht der Staat, ziehen die Repräsentanten der fünf Verfassungsorgane vom Südportal her ins Kirchenschiff ein, durch jenen Eingang, dem zu kaiserlichen Bauzeiten des Doms das kaiserliche Schloss gegenüberstand. Das Protokoll bestimmt die Reihenfolge: Bundespräsident Horst Köhler, Parlamentspräsident Norbert Lammert, Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU) als derzeitiger Präsident des Bundesrats, Bundesverfassungsgerichts-Präsident Hans-Jürgen Papier. Jeweils mit Partnern. Merkwürdig still ist es im weiten Raum, der eigentlich mächtige Klang der Glocken wirkt fern. Es folgt ein Fototermin auf ihren Sitzen. Als die Feier dann mit dem Einzug von Bischöfen und Mitwirkenden durch das Westportal beginnt, bleiben gewiss 100 Plätze unbesetzt. Ab der dritten Reihe zeigen sich Löcher. Es ist eine Feier für Ehrengäste und die Gemeinde an den Fernsehschirmen. Das Volk vertreten am ehesten die vielen Leibwächter am Rande.

"Nicht einmal eine bewährte Verfassungsordnung ändert etwas daran, dass wir Gottesdienst immer nur aus einem Grund feiern, allein zur Ehre Gottes", sagt Bischof Wolfgang Huber zum Ende seiner Ansprache. Die Kirchen stünden in schweren Zeiten der Krise den Menschen am Rande der Gesellschaft bei, aber bewusst auch jenen in politischer Verantwortung, die "ins Ungewisse hinein handeln müssen".

Von Politikern werde in diesem Jahr "Unmögliches gefordert". Da sei es gut, innezuhalten, meint Huber. Der Vorsitzende des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) trägt mit seinen Worten ebenso zur ruhigen Stunde der lauten Jubiläumsfeiern bei wie wenig später Erzbischof Robert Zollitsch. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz erinnert sich daran, wie er al Schüler den 23. Mai 1949, die Geburtsstunde der Bundesrepublik, erlebte. "Ich bin bis heute dankbar für die Betonung der Freiheit und der Menschenrechte als Fundament unseres Zusammenlebens", sagt er und spricht von Krieg, Vertreibung, Vernichtungslagern. Und er bekräftigt auch, dass "die Verantwortung vor Gott" bleibender Mittelpunkt des Handelns bleiben müsse.

Ökumenisch ist die Feier. Gleichwohl tragen die prominenten Lektoren die Luther-Bibel vor und nicht die gemeinsame Einheits-Übersetzung. Und Friedrich-Wilhelm Hünerbein, als Domprediger so etwas wie die graue Eminenz des Doms, begrüßt Zollitsch als Vorsitzenden "des Deutschen katholischen Bischofskonferenz". Zumindest das in diesem Zusammenhang unübliche Wort "katholisch" scheint bewusst gewählt..

Trotz vieler Vortragender und vieler Texte, trotz Staatsmusikkorps, Domchor und Orgelgebraus - die Feier hat stille Momente. Vielleicht auch Ergriffenheit, als Richard von Weizsäcker das Evangelium vorträgt. Und der Gesang wirkt kräftig und füllt halbwegs den hohen Raum. Nach 57 Minuten startet die Prozession zum Ausgang. Diesmal gehen Kirche und Staat gemeinsam zum Südportal. Draußen ist es immer noch trübe, aber doch trocken. Diejenigen, die nicht ganz so prominent sind, gehen zu Fuß zum Staatsakt am Gendarmenmarkt.