"Rebuilt"-Kongress betrachtet Gemeindeentwicklung

Ein geistlicher Aufbruch

Was muss Kirche anders machen, um für viele Menschen attraktiver zu werden? Das Konzept "Rebuilt" aus den USA widmet sich genau dieser Frage. Im Erzbistum Köln hat man sich dazu mit den "Rebuilt"-Machern ausgetauscht.

Blick auf den Kölner Dom / © Wondervisuals (shutterstock)
Blick auf den Kölner Dom / © Wondervisuals ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: "Rebuilt", das klingt erst mal nach einem ziemlich abstrakten Begriff. Können Sie uns das Konzept kurz erklären?

Florian Wallot (Referent für die Entwicklung pastoraler Einheiten im Erzbistum Köln): "Rebuilt", was im Deutschen "wiederaufgebaut" bedeutet, ist ein Gemeindeentwicklungsprozess, und zwar ein Programm aus der Gemeinde Nativity Church in Baltimore in den USA – eine eigentlich ganz normale katholische Pfarrgemeinde. Es ist eben kein abstraktes Programm, sondern eigentlich Lernen in der Umsetzung. Die haben sich nämlich einfach auf den Weg gemacht, dort in der Nativity Church.

Ausgangspunkt war eigentlich die Erfahrung: So wie es ist, ist es nicht gut. Es gibt bei uns kein Wachstum, viel vergebliche pastorale Arbeit und große Ernüchterung. Daraus ergibt sich die Frage: Was können wir Neues machen? Wie können wir es anders machen? Am Anfang stand die Entwicklung einer Vision und eines klaren Zieles: Wir wollen eine wachsende Kirche werden. Wir wollen Menschen ansprechen, die der Kirche entfremdet sind. Wir wollen Menschen auf dem Weg begleiten und unterstützen, Jüngerinnen und Jünger Jesu zu werden. Es ist also ein klares Konzept der Evangelisierung, mit einem klaren geistlichen Profil und Fundament aus dem Sendungsauftrag Jesu heraus.

Ein zweiter Schritt ist die Unterscheidung: Was dient diesem Ziel und was dient dem Ziel nicht? Und dann eben eine Entscheidung: Was müssen wir lassen und was müssen wir tun, um diesem Ziel näher zu kommen? In der Nativity Church war es zum Beispiel eine klare Fokussierung auf den Sonntag, auf den Tag, an dem die Eucharistie in der Gemeinde gefeiert wird. Auf diesen Tag wollen wir alle Ressourcen verwenden, weil wir als Gemeinde da zusammenkommen. Da können wir mit Menschen in Kontakt kommen. Da können wir den Glauben weitergeben.

Das ist auch in der Nativity Church ein ganz konkreter Weg, ein langer Prozess gewesen. Seit vielen, vielen Jahren sind sie dort unterwegs, mussten viele Widerstände überwinden, auch in der eigenen Gemeinde – und sie lernen weiter.

DOMRADIO.DE: Wie ist das Erzbistum Köln auf diese "Rebuilt"-Ideen aus den USA aufmerksam geworden?

Wallot: Die Nativity Church unterstützt jetzt schon auch viele katholische Pfarreien, um von ihrem Weg zu lernen. Es sind auch Bücher erschienen, wo die Verantwortlichen aus Nativity eben diesen Weg schildern, wie sie ihn gegangen sind. Und es gab auch vor drei Jahren eine kleine Studienreise. Da sind einige Verantwortliche aus dem Erzbistum hingefahren und haben sich das mal vor Ort angeschaut. Seitdem gibt es einen Kontakt und eben auch eine größere Kenntnis der Ideen von dort.

DOMRADIO.DE: Kann man so ein Konzept aus den Vereinigten Staaten denn überhaupt einfach auf die deutschen Gemeinden übertragen? Oder haben wir hier nicht eigentlich eine ganz andere Glaubenskultur und Glaubenspraxis?

Wallot: Genau, Grundlage ist wie immer der alte Leitspruch: Kapieren, nicht kopieren. Es gibt tatsächlich manches, was in den Vereinigten Staaten einfach anders ist als bei uns. Das hat was mit Spiritualität zu tun, aber auch mit den Grundstrukturen in der Kirche. Also einfach übertragen kann man es nicht. Aber Anregungen und Inspiration kann man auf jeden Fall gewinnen. Und es kann eine Orientierung sein, bei eigenen Pfarreientwicklungsprozessen einfach zu sehen: Was waren die grundlegenden Schritte, mit denen die diesen Veränderungsprozess gegangen sind? Und können wir davon etwas lernen?

Es kann auch eine Ermutigung sein: Es geht – und wenn man loslegt, dann kann es gelingen. Und da gilt es auch den Mut zu haben, manche Widerstände in Kauf zu nehmen, wenn man einen geistlichen Aufbruch wagt vor Ort, in den Gemeinden.

DOMRADIO.DE: Jetzt haben Sie sich ja auf dem "Rebuilt"-Kongress in den letzten Tagen mit den Machern dieses Konzepts in den USA ausgetauscht. Was konnten Sie denn da genau für deutsche Kirchengemeinden lernen? Was auch vielleicht konkret für Kirchengemeinden im Erzbistum Köln?

Wallot: Wir haben auf dem Kongress im Prinzip zwei Themenfelder gehabt. Einmal die Frage nach der Zusammenarbeit in einem multiprofessionellen Team. Es war ja eine Veranstaltung für die pastoralen Dienste und Engagementförderer, die jetzt schon in Teams in den Pfarreien zusammenarbeiten. Zudem ging es um den Umgang mit den Herausforderungen der Corona-Krise. Und eines war sicherlich das, was ein großes Lernfeld für uns ist und wo wir vielleicht viele Inspirationen aus Nativity bekommen können, eine Kooperation von Hauptberuflichen und Engagierten – und die Begleitung der Engagierten sowohl geistlich als auch fachlich.

Andere Faktoren waren klare Teamstrukturen und klare Kommunikation innerhalb des Teams: So kann es gelingen. Typisch amerikanisch war eigentlich auch der Umgang mit der Corona-Krise, aber vielleicht ist auch das eine Ermutigung für uns: Nach dem Motto "Never miss a crisis" ging es auch darum, Chancen zu entdecken, in der Krise und aus dem Krisenmodus heraus ins Handeln zu kommen. Die Umstände waren ganz ähnlich: Große Umstellungen, weniger Präsenz, mehr online, aber verbunden mit der Idee: Wir wollen neue Wege entwickeln und wir wollen auf diesen Wege Menschen erreichen. Das war auch sehr inspirativ, die Erfahrungen da aus der Krise noch einmal wahrzunehmen.

Das Interview führte Hannah Krewer.


Quelle:
DR

Die domradio- und Medienstiftung

Unterstützen Sie lebendigen katholischen Journalismus!

Mit Ihrer Spende können wir christlichen Werten eine Stimme geben, damit sie auch in einer säkulareren Gesellschaft gehört werden können. Neben journalistischen Projekten fördern wir Gottesdienstübertragungen und bauen über unsere Kanäle eine christliche Community auf. Unterstützen Sie DOMRADIO.DE und helfen Sie uns, hochwertigen und lebendigen katholischen Journalismus für alle zugänglich zu machen!

Hier geht es zur Stiftung!