Kardinalstaatssekretär Parolin bei Sozialprojekten der Caritas

Ein fast heimlicher Besuch

Armut und Einsamkeit gibt es überall, sowohl in Rom und als auch in Berlin: Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, "zweiter Mann" im Vatikan nach dem Papst, informierte sich über Projekte der Caritas in der Bundeshauptstadt.

Autor/in:
Nina Schmedding
Pietro Parolin (m.) im Gespräch / © Walter Wetzler (Erzbistum Berlin)

Jens-Jürgen Schaaf - weißhaarig mit Brille, Jeans und T-Shirt - ist Stammgast bei der Bahnhofsmission am Berliner Ostbahnhof. Der ehemalige Schlosser hat nur eine kleine Rente, muss sie mit dem Sammeln von Pfandflaschen aufbessern.

Weil er hier etwas zu essen bekommt, vom Wühlen in Mülleimern ausruhen und mit jemandem sprechen kann, besucht der 77-Jährige die Einrichtung beinahe täglich. Auch an diesem grauen Morgen, an dem die Bahnhofsmission - die älteste ihrer Art in Deutschland - hohen Besuch aus Rom erhält.

"Es ist hier wie eine Familie für mich", erzählt Schaaf, der allein lebt, Pietro Parolin, dem "zweiten Mann" im Vatikan nach Papst Franziskus. "Hier kann man alles ansprechen". Ein Satz, der bei dem Kardinalstaatssekretär hängen bleibt und ihm sichtlich gefällt.

"Schön, dass Sie das sagen. Es zeigt nicht nur die materielle Seite, sondern auch, dass Sie hier Zuneigung und Herzlichkeit empfangen", sagt der vatikanische Chefdiplomat. Schaaf nickt: "Ja, die sind hier immer freundlich. Aber ich kriege auch mein Essen hier. Schmecken tut's auch."

Gast der Berliner Caritas und ihrer Fachverbände

Parolin, aus Anlass des 100-jährigen Bestehens diplomatischer Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Deutschland in der Bundeshauptstadt, kam am Mittwochmorgen zu sozialen Projekten für wohnungslose Menschen der Berliner Caritas und ihrer Fachverbände.

Neben der Bahnhofsmission ließ er sich auch über das Caritas-Arztmobil und über ein Duschmobil für obdachlose Frauen informieren. Beide machten auf dem Bahnhofsvorplatz Station.

Es ist ein fast heimlicher Besuch an diesem verregneten Tag. Nicht Würdenträger sollen im Mittelpunkt stehen, sondern die Menschen, die in der Hauptstadt Hilfe benötigen - und vor allem jene, die sie leisten. "Ich bringe Segen und Ermutigung des Heiligen Vaters für Eure Arbeit", sagt Parolin. Und später betont er im Gespräch mit den ehrenamtlichen Mitarbeitenden der Bahnhofsmission: "Hinter jedem leidenden Menschen steht das Angesicht Christi. Ihr bezeugt die Nähe der Kirche zu den Menschen".

Parolin geht es bei dem Besuch vor allem ums Zuhören. Ab und zu fragt er gezielt nach: "Warum kommen die Menschen? Sind es alles Wohnungslose? Kommen seit Corona mehr Menschen, die Hilfe brauchen?" Zurzeit gibt die Bahnhofsmission täglich bis zu 200 Portionen Lebensmittel aus, erfährt er, Tendenz steigend.

"Durch Corona gibt es mehr Hilfsbedürftige", bestätigt Ulrike Reiher, Leiterin der Bahnhofsmission am Ostbahnhof. Auch das Caritas-Arztmobil, das seit 1995 unterwegs ist, hat während der Pandemie mehr Zulauf bekommen: Menschen ohne Krankenversicherung haben dort zum Beispiel die Möglichkeit, sich impfen zu lassen. Dabei geht es auch darum, "verloren gegangenes Vertrauen" in öffentliche Einrichtungen wiederherzustellen, wie Projektleiter Martin Weber erläutert. Dieses medizinische Angebot ist bewusst niedrigschwellig.

"Frauen können in der Kirche viel leisten"

Die Geschäftsführerin des Sozialdienstes katholischer Frauen, Rita Brandt, erklärt dem Geistlichen, warum das Duschmobil für wohnungslose Frauen wichtig ist: "Meistens sieht man es ihnen nicht an, dass sie obdachlos sind. Sie wollen ihr Gesicht wahren. Wir können ihnen mit unserer Einrichtung ihre Würde zurückgeben." Wohnungslose Frauen können in dem umgebauten Kleintransporter duschen und sich frische Kleidung abholen. Etwa 9.000 Obdachlose gibt es in Berlin, 30 Prozent davon sind Frauen.

Zumeist Frauen sind es auch, die dem Kardinal aus Rom bei seinem Besuch Rede und Antwort stehen. "In der Caritas gibt es viele weibliche Führungskräfte", betont die Berliner Caritasdirektorin Ulrike Kostka mit einem Lächeln. "Nicht nur in der Caritas", fügt der Berliner Erzbischof Heiner Koch hinzu, der den Kardinalstaatssekretär gemeinsam mit Nuntius Nikola Eterovic begleitet.

Für Kostka ist die Leitungsverantwortung von Frauen in der Kirche ein zentrales Anliegen - ist es doch auch Thema beim Synodalen Weg, dem laufenden Reformdialog der deutschen Katholiken. So betont Kostka beim Abschied von Parolin: "Grüßen Sie den Heiligen Vater herzlich. Und sagen Sie ihm: Frauen können in der Kirche viel leisten!"


Pietro Parolin (z.v.l.) im Gespräch / © Walter Wetzler (Erzbistum Berlin)
Quelle:
KNA
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