Ein Diakon aus London berichtet über die Unsicherheit in Großbritannien

"Es stellen sich viele Fragen"

Das britische Unterhaus hat am Dienstag gegen das Brexit-Abkommen gestimmt, das Premierministerin Theresa May mit der EU verhandelt hatte. Nach wie vor herrscht Unsicherheit, wie es weitergeht. Auch in einer Londoner Kirchengemeinde.

Anti-Brexit-Demonstranten in London / © Frank Augstein (dpa)
Anti-Brexit-Demonstranten in London / © Frank Augstein ( dpa )

DOMRADIO.DE: Welche Unsicherheiten kommen bei Ihnen nach der Brexit Abstimmung auf?

Diakon Stephan Arnold (Deutschsprachige Katholische Gemeinde St. Bonifatius in London): Die Unsicherheiten waren natürlich auch schon vorher da. Man weiß nicht, was nach dem 29. März sein wird. Das fängt mit der Einreise und Ausreise an, für die man jetzt einen Reisepass braucht. Man weiß nicht, wie die Stellung im Gesundheitssystem ist. Als EU-Bürger ist man normalerweise über das britische Gesundheitssystem versichert. Es stellen sich viele Fragen, die nach wie vor offen sind.

DOMRADIO.DE: Sind auch Ihre Gemeindemitglieder so gespalten, wie es gefühlt momentan in ganz Großbritannien der Fall ist?

Arnold: Die Gemeindemitglieder hier hoffen alle auf einen No-Brexit, also dass sich die Briten besinnen und doch in der EU bleiben. Da gibt es keinen, der in der momentanen Situation lieber einen Austritt hätte.

DOMRADIO.DE: Wie positioniert sich die Kirche in England zu diesem Thema? Gibt es eine geschlossene Meinung?

Arnold: Die Kirche ist gespalten. Es gibt Mitglieder, die für einen Austritt plädieren, andere wollen in der EU bleiben. Von daher gibt es dort keine feste Meinung. Die anglikanische Kirche hat sich im Vorfeld des Referendums etwas deutlicher geäußert und leicht für die EU geworben.

DOMRADIO.DE: Wie Sie schon angesprochen haben, gibt es nach dem Scheitern des Austrittsabkommens im Unterhaus eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Einen No-Deal-Brexit oder einen kompletten No-Brexit. Was glauben Sie, wie es jetzt weiter geht?

Arnold: Dazu kann man praktisch gar nichts sagen. Das ist auch eine der Unsicherheiten, die Sie eben angesprochen haben. Heute kommt es erstmal zu einem Misstrauensvotum (gegen Premierministerin Theresa May, Anm.d.Red.), von dem man nicht weiß, wie es ausgehen wird. Danach würde ich vorsichtig vermuten, dass der 29. März wohl nicht das Austrittsdatum werden wird. Dann muss man einfach schauen, wie es weitergeht.

DOMRADIO.DE: May muss innerhalb von drei Sitzungstagen bis zum 21. Januar, also kommenden Montag, einen Alternativplan vorlegen. Wie müsste der Plan Ihrer Meinung nach aussehen, damit sie ihn schlussendlich durchsetzen kann?

Arnold: Das ist schwer zu sagen. Meiner Meinung nach hätte ein zweites Referendum die größten Chancen, auch wenn es natürlich Widerstand dagegen gibt. Ob Theresa May das macht, kann ich nicht sagen. Das bleibt abzuwarten.

Das Interview führte Verena Tröster.


Stephan Arnold / © N.N. (privat)
Stephan Arnold / © N.N. ( privat )

May am Dienstag im Unterhaus / © Mark Duffy (dpa)
May am Dienstag im Unterhaus / © Mark Duffy ( dpa )
Quelle:
DR