Ein Blick auf das Auswärtige Amt und die Religion

Abgehängtes Kreuz und gestrichenes Islamportal

Ein entferntes Kreuz, keine Förderung einer Religionsstiftung, kein Geld für ein Internetportal mit muslimischen Autoren. Verbannt das Auswärtige Amt das Thema Religion? Ganz so einfach ist es nicht. Eine Spurensuche.

Autor/in:
Birgit Wilke
Auswärtiges Amt / © Julia Steinbrecht (KNA)
Auswärtiges Amt / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Der Aufschrei war groß, als bekannt wurde, dass im Münsteraner Friedenssaal für ein Treffen der G7-Außenminister das Kreuz abgehängt wurde. "Gottloses G7 in Münster", titelte die "Bild"-Zeitung.

Am selben Tag Anfang November war auch bekannt geworden, dass das Auswärtige Amt künftig keine internationalen Religionskonferenzen im bayerischen Lindau mehr finanziell unterstützt.

Schon im Oktober hatte die Deutsche Welle mitgeteilt, dass das Auswärtige Amt überdies die Zuschüsse für das Islamportal Qantara.de streicht. Das Ministerium bestätigte außerdem, dass es in seinem Referat "Religion und Außenpolitik" keine Religionsvertreter mehr beschäftigt. Was ist da los im Auswärtigen Amt? Wird dem Thema Religion keine Bedeutung mehr zugemessen?

Referat "Religion und Außenpolitik"

Ein Rückblick: Unter der Ägide des damaligen Außenministers und jetzigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier - selbst bekennender Protestant - wurde vor rund sechs Jahren das Referat "Religion und Außenpolitik" im Ministerium eingerichtet, Vorläufer war ein Arbeitsstab namens "Friedensverantwortung der Religionen".

Nikodemus Schnabel / © Julia Steinbrecht (KNA)
Nikodemus Schnabel / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Ziel war es, den Einfluss der Religionen besser zu verstehen und deren Potenzial für friedliche Konfliktlösungen zu stärken. Zwei Jahre war dann Benediktinerpater Nikodemus Schnabel aus der Dormitio Abtei in Jerusalem als Religionsvertreter tätig.

Ihm sollten 2020 Vertreter verschiedener Religionen nachfolgen. Ein evangelischer Pastor, ein Rabbiner und eine Muslima: die stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Nurhan Soykan. Nach Bekanntwerden der Berufung warfen Kritiker der Frau jedoch vor, sich nicht ausreichend von Antisemitismus und Islamismus zu distanzieren. Die Berufung wurde aufgehoben und schließlich wurden alle drei Verträge auf Eis gelegt - ohne dass dies zunächst an die große Glocke gehängt wurde.

Schon damals unter dem Hausherren Heiko Maas - SPD-Minister und Katholik - sei intern kaum jemand davon ausgegangen, dass das Modell so wieder aufgenommen werde, hieß es im Oktober. Eine Prüfung durch externe Berater habe ergeben, die Beratungen durch die Religionsvertreter nicht zu verlängern. Der letzte Vertrag sei im April 2021 ausgelaufen - also weit vor dem Amtsantritt der Grünen-Außenministerin Annalena Baerbock, die nach eigenem Bekunden zwar "nicht gläubig", aber Mitglied der evangelischen Kirche ist.

Auch Kritik aus kirchlichen Kreisen am Referat

Hinter vorgehaltener Hand gab es aber auch Kritik aus kirchlichen Kreisen an dem Referat: Dort angestoßenen Projekte seien zumindest teilweise nicht nachhaltig. Dazu zählten einige Kritiker etwa die internationale Religionskonferenz in Lindau. In der Stadt am Bodensee hatten seit 2019 mehrere große Konferenzen stattgefunden. Das Auswärtige Amt wiederum argumentierte auch damit, dass Projekte grundsätzlich nur für eine bestimmte Zeit gefördert werden könnten.

Annalena Baerbock / © Kay Nietfeld (dpa)
Annalena Baerbock / © Kay Nietfeld ( dpa )

Proteste von vielen Seiten gab es auch wegen der geplanten Kürzungen der Gelder des Ministeriums für Qantara.de, einem Internetportal der Deutschen Welle, das den intellektuellen Dialog mit der islamischen Welt fördern will. Es geht auf eine Initiative des Außenministeriums nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 in den USA zurück.

Bereits 2014 war eine Anschlussförderung des Projekts unsicher, nun ist sie vorerst gestoppt. Im Ministerium ist allerdings zu hören, dass damit das Aus des Portals noch keineswegs besiegelt sei. Näheres könne man aber derzeit noch nicht sagen.

Abgehängtes Kreuz im Friedenssaal

Bleibt das Kreuz im Friedenssaal. Baerbock meldete sich selbst zu Wort und nutzte die Abschlusskonferenz des G7-Treffens für ein Statement: Sie habe vom Entfernen erst am selben Tag erfahren und bedauere die Entscheidung. "Es wäre gut gewesen, wenn es nicht weggeräumt worden wäre", so Baerbock.

Münsteraner Friedenssaal mit Kreuz (Archiv) / © Guido Kirchner (dpa)
Münsteraner Friedenssaal mit Kreuz (Archiv) / © Guido Kirchner ( dpa )

Über die Initiative des Protokollchefs lässt sich nur spekulieren: Vorauseilender Gehorsam aus einem Ministerium, das immer weniger mit dem Thema Religion zu tun haben wolle, sagen Kritiker, etwa aus den Reihen der CDU. Vom Vermeiden von Irritationen aufseiten der ausländischen Minister etwa aus Frankreich spricht man in den Reihen der Ampelfraktionen. So oder so trägt Baerbock als Ministerin die Letztverantwortung für die Entscheidung - auch wenn sie persönlich mit dem Vorgang nicht befasst war.

Die zeitliche Abfolge zeigt: Vieles von dem, was derzeit Kritiker auf den Plan ruft und was sie auf das von einer Grünen geführten Ministerium schieben, wurde bereits in der vergangenen Legislaturperiode entschieden. Klar ist aber auch, dass der gesellschaftliche Stellenwert der Religionen in den vergangenen Jahren nicht zugenommen hat.

In einem kurzen Statement versicherte das Ministerium auf Nachfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), dass man die Bedeutung der Religionen weiterhin für sehr hoch halte. Und dass das Referat "Religion und Außenpolitik" für die Pflege von Kontakten zu religiösen Persönlichkeiten und Organisationen auch künftig zuständig sei - auch ohne die Berater aus den Religionen selbst. Wie ernst das Ministerium diese Aussage nimmt, wird die Praxis zeigen.

Auswärtiges Amt

Der Begriff Auswärtiges Amt geht auf die gleichnamige Institution des Norddeutschen Bundes aus dem Jahr 1870 und des Deutschen Reiches von 1871 zurück. Dieser Name hat sich bis heute für das deutsche Außenministerium erhalten. Zu Zeiten Bismarcks gab es im Auswärtigen Amt lediglich zwei Abteilungen: die Politische Abteilung und eine zweite Abteilung für Bereiche wie Außenhandel und Rechts- und Konsularwesen.

Auswärtiges Amt in Berlin / © Marius Becker (dpa)
Auswärtiges Amt in Berlin / © Marius Becker ( dpa )
Quelle:
KNA