Ehem. Gastarbeiterkind unterrichtet an Kölner Gesamtschule

Noch immer die große Ausnahme

Hilal Günday ist daran gewöhnt, dass sie auffällt. Die junge Frau, deren Eltern Anfang der 60er Jahre als türkische Gastarbeiter nach Deutschland kamen, gehört zur Bildungselite.

Autor/in:
Barbara Driessen
An der Tafel: Hilal Günday (epd)
An der Tafel: Hilal Günday / ( epd )

Sie ist Gymnasiallehrerin für Deutsch und Türkisch und arbeitet seit 2006 an einer Kölner Gesamtschule.

"Mir war schon immer klar, dass ich studieren wollte", sagt sie. Da sie auch schon immer gern mit Kindern und Jugendlichen arbeitete, fasste sie nach dem Abitur den Entschluss, Lehrerin zu werden. Sich als Gastarbeiterkind durch das deutsche Bildungssystem zu kämpfen, war nicht immer leicht, sagt die 36-Jährige. Damals auf dem Gymnasium in Duisburg gehörte sie zur einer absoluten Minderheit: "Die anderen Kinder, die alle aus Bildungsfamilien stammten, hatten zu Hause meistens viel Unterstützung." Aber ihre Mutter habe sie regelmäßig Lateinvokabeln abgefragt, ihr Vater sei zu den Elternabenden gegangen und ihr acht Jahre ältere Bruder habe ihr bei den Hausaufgaben geholfen. "Außerdem hatte ich Glück mit meinen Lehrern, die mich viel unterstützt haben."

Günday gehörte zu den ersten beiden Absolventen des 1995 eingerichteten Studiengangs "Türkisch auf Lehramt" an der Universität Essen. "Ursprünglich hatte ich mit Mathematik und Deutsch angefangen. Aber als ich von dem neuen Studiengang hörte, bin ich umgestiegen", erzählt sie.

Nur fünf % Lehrer mit ausländischen Wurzeln
Heute gehört sie nach Angaben des Statistischen Bundesamtes zu den knapp fünf Prozent Lehrern mit ausländischen Wurzeln an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland. Ein klassischer Migrationshintergrund wie bei Günday ist allerdings noch viel seltener: Bildungsexperten schätzen, dass dies auf nur etwa ein Prozent der deutschen Pädagogen zutrifft.

Und so hat es Hilal Günday schon oft erlebt, dass Schüler sie in der ersten Stunde überrascht anblickten und fragten: "Gibt es das? Eine türkische Lehrerin?" Verletzend fand es Günday, während ihres Referendariats und als junge neue Lehrerin von Kollegen auf ihre guten Deutschkenntnisse angesprochen zu werden - dabei wurde sie bereits in Deutschland geboren und ist mittlerweile längst Beamtin mit deutschem Pass. "Selbst der Schuldirektor hat mich während des Referendariats argwöhnisch beobachtet und freute sich richtig, als ich während des Unterrichtes einmal einen falschen Artikel benutzte", erinnert sich Günday.

An ihrer Schule kein Exot
An ihrer jetzigen Schule, der Katharina-Henoth-Gesamtschule in Köln, ist sie jedoch längst kein Exot mehr. Von den 90 Lehrern haben 15 einen Migrationshintergrund. Und selbst das ist eher noch zu wenig, denn 70 Prozent der Schüler sind Migrantenkinder. Günday hat eine Vorbildfunktion für ihre Schüler, sie sind oft fasziniert, dass man es auch als Gastarbeiterkind so weit bringen kann und entwickeln eigenen Ehrgeiz: "Ich habe jetzt schon eine ganze Reihe durchs Abitur gebracht, die nun selbst Lehramt studieren und Lehrer werden", erzählt sie.

Als Klassenlehrerin ist ihr auch die Elternarbeit sehr wichtig. Sie merkt, dass vor allem türkische Eltern viel schneller zu ihr Vertrauen fassen. "Mal abgesehen von der sprachlichen Barriere, die es oft immer noch gibt, haben viele Eltern eine große Distanz zu Schule, sind gehemmt." Wenn Eltern etwa meinen, ihre Kinder seien von Lehrern benachteiligt oder ungerecht behandelt worden, kann Günday vermitteln und beruhigend auf sie einwirken: "Der Kontakt ist einfach da."

Hilal Günday würde sich wünschen, dass Lehrer mit Migrationshintergrund noch mehr zur Normalität werden, auch an anderen Schulen. "Das System ist zu selektiv", meint sie. "Keine Schule sollte einen Ausländeranteil von 70 Prozent haben, während es an anderen Schulen gerade einmal zwei bis drei Prozent sind." Günday fordert mehr Integrationswillen auch von den Deutschen: "Natürlich muss sich die Minderheit an die Mehrheit anpassen, aber auch die Mehrheit muss die Minderheit besser verstehen und annehmen wollen. Integration ist ein beidseitiger Prozess."