Ecuadors Präsident Correa positioniert sich als überzeugter Katholik und Christ-Sozialist

Kampf um die Deutungshoheit

Seit einer Pressekonferenz Ende Oktober liefern sich in Ecuador Staat und Kirche einen offenen Schlagabtausch über die Deutungshoheit der christlichen Lehre. Staatspräsident Correa präsentiert sich als überzeugter Katholik - und grenzt sich damit von seinen politischen Verbündeten ab.

Autor/in:
Tobias Käufer
 (DR)

Für seine Fundamentalkritik hatte sich Ecuadors Staatspräsident Rafael Correa ein gediegenes Ambiente ausgesucht: Im traditionsreichen Gemäuer der britischen Universität Oxford klagte der sozialistische Regierungschef des südamerikanischen Landes über die institutionalisierte Kirche: Papst Benedikt XVI. solle endlich eine neue Enzyklika mit sozialen Schwerpunkten entwerfen; die Kirche setze in ihrer Arbeit falsche Schwerpunkte, indem sie sich mehr mit individueller Moral anstatt mit Fragen der sozialen Gerechtigkeit auseinandersetze, hieß es in seiner verbalen Anklageschrift.

Besser machten es nach seiner Auffassung die linksregierten Länder seines Heimatkontinents: "Der Sozialismus des 21. Jahrhunderts, den wir in Lateinamerika aufbauen, fußt auf den Grundsätzen der Befreiungstheologie", versicherte der im Frühjahr wiedergewählte Präsident den überraschten Journalisten. Der 49-jährige Wirtschaftswissenschaftler, der an der Katholischen Universität Guayaquil studierte, präsentierte sich gut vorbereitet, zitierte aus verschiedensten Dokumenten der Kirchengeschichte und rühmte in höchsten Tönen die Enzyklika Rerum Novarum (1891), die den Ruf von Leo XIII. als "Arbeiterpapst" begründete.

Seit dieser englischem Pressekonferenz Ende Oktober liefern sich in Ecuador Staat und Kirche einen offenen Schlagabtausch über die Deutungshoheit der christlichen Lehre. Correa präsentiert sich in der Öffentlichkeit als überzeugter Katholik und grenzt sich damit von seinen politischen Verbündeten und Amtskollegen Hugo Chavez (Venezuela), Evo Morales (Bolivien) und Daniel Ortega (Nicaragua) ab. Der ecuadorianische Regierungschef setzt auf eine inhaltliche Auseinandersetzung statt auf verbale Tiefschläge, mit denen vor allem Linkspopulist Chavez die Kirche immer wieder angreift.

Kritik der Kirche
Ecuadors Kirche brauchte einige Zeit, um sich nach dem offenbar wohlkalkulierten Angriff zu sammeln. Die Reaktion der Bischofskonferenz fiel dann nicht weniger vehement aus: "Wir werden nicht den Fehler machen, uns auf diese polemische Diskussion mit dem Präsidenten einzulassen", stellte der Bischofskonferenz-Vorsitzende Erzbischof Antonio Arregui Yarza klar und verwies auf die Trennung von Staat und Kirche in Ecuador. "Es ist nicht die Aufgabe des Präsidenten, die Kirche in irgendeiner Form zu kontrollieren."

Der Erzbischof von Guayaquil wies vor allem die Kritik an der sozialen Ausrichtung der Kirche als ungerecht zurück: "Wir betreiben mehr als 3.000 soziale Einrichtungen in Ecuador." Wenig später ging der Erzbischof dann doch zum Gegenangriff über: "Es gibt im Lande eine tiefe Besorgnis darüber, dass die Kriminalitätsrate angestiegen ist; die Korruption wächst und die Bürgerrechte beschnitten werden."

Medienlawine
Correa hat mit seinem Versuch, sich als sozialistischer Christ zu positionieren, zumindest im eigenen Land eine Medienlawine losgetreten. Fast täglich thematisieren die großen Zeitungen in Quito und Guayaquil den Streit; in Internetforen diskutieren Gegner und Anhänger des Politikers heftig.

Bereits in seinem erfolgreichen Präsidentschaftswahlkampf hatten sich Correa und Erzbischof Arregui gestritten: Vor allem im Punkt der Liberalisierung der Abtreibungsgesetze gingen die Ansichten weit auseinander. Politische Beobachter in Ecuador begründen den Erfolg Correas, der Ende April schon im ersten Wahlgang wiedergewählt wurde, vor allem mit der Stärkung der Frauenrechte und seinem Versprechen von mehr sozialer Gerechtigkeit. Eine von der Kirche gestartete Initiative gegen die von Correa durchgesetzte Verfassungsänderung blieb dagegen wirkungslos.

Mit Spannung warten die Medien in Ecuador nun darauf, wie sich die Debatte weiterentwickelt. Ein Sprecher Correas bekräftige zuletzt noch einmal den Standpunkt des Präsidenten: Er warte darauf, "ob es aus Rom bald eine neue Enzyklika gebe, die klarstelle, dass der Menschen mehr Rechte habe als das Kapital", hieß es aus dem Präsidentenpalast.