Durch neues EU-Naturschutzgesetz ist die Kirche gefordert

Wie werden die riesigen Flächen genutzt?

Das EU-Parlament hat über ein neues Naturschutzgesetz abgestimmt. Das betrifft auch die Kirchen. Der Umweltbeauftragte des Erzbistums Köln erklärt, was diese jetzt tun müssen. Und er kennt auch die Probleme für die Kirchengemeinden.

Eine Dorfkirche in Deutschland / © Fotokon (shutterstock)
Eine Dorfkirche in Deutschland / © Fotokon ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Auf mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresfläche der EU soll es Wiederherstellungsmaßnahmen geben. Zum Beispiel sollen dann Moore oder Flüsse renaturiert werden. Sind bei solchen Themen auch die Kirchen gefragt?

Christian Weingarten (Erzbistum Köln)

Dr. Christian Weingarten (Umweltbeauftragter des Erzbistums Köln): Die Kirchen in Deutschland gehören zu den größten Grundstücksbesitzern. Den Kirchen gehört eine riesige Fläche. Wenn wir als Kirche authentisch die Schöpfung bewahren wollen, müssen wir auf alle Bereiche gucken. Dazu zählt auch der Bereich der Flächen.

Wir müssen schauen, wie die Flächen genutzt werden. Oft sind sie verpachtet, zum Beispiel an Landwirte und Landwirtinnen. Aber wir haben auch viele Kirchengemeinden, die eigene Wälder haben. Wie wird da aufgeforstet? Wie wird da Waldwirtschaft betrieben?

Aber auch die Flächen in den Städten müssen angeschaut werden. Wie werden die genutzt und wie können sie genutzt werden? Müssen das versiegelte Parkplätze sein oder kann man die Flächen auch renaturieren, damit sie zur Kühlung eines Quartiers beitragen können?

DOMRADIO.DE: Wenn die Kirche die Flächen verpachtet, hat sie dann Einfluss auf die Pächter? Kann sie vorschreiben, was der für Bäume zu pflanzen sind?

Weingarten: Letztendlich kann der Pächter selber sagen, was er auf dem Land haben möchte, ob er einen Grünstreifen möchte oder eine ökologischere Landwirtschaft. Aber auch der Verpächter hat eine Verantwortung. Da muss man mit den Landwirten und Landwirtinnen ins Gespräch kommen.

Meiner Meinung nach kann man auch als Verpächter bei so einer großen Fläche sagen, dass diese genutzt werden soll, um Klimaschutz zu betreiben und um das Sterben der Arten einzudämmen oder aufzuhalten. Da können wir als Kirche auch Anforderungen stellen.

Christian Weingarten

"Ein Problem ist, dass die wir gar nicht genau sagen können, wie viel Fläche wir überhaupt haben."

Ein Problem ist, dass wir gar nicht genau sagen können, wie viel Fläche wir überhaupt haben. Das liegt daran, dass Kirchen in ihren Kirchengemeinden oft dezentral organisiert sind. Es gibt überhaupt keine Bilanzierung, wie viel Fläche wir um den Fluss herum, in diesem Wald oder in diesem landwirtschaftlichen Bereich haben.

Deswegen ist es schwierig, Maßnahmen zu ergreifen. Mein Anliegen für die nächsten Jahre, ist, damit anzufangen diese Dinge zu erfassen und dann auch zu gucken, dass man die Ziele erreicht, die auf der EU-Ebene gesetzt sind. Ich finde, wir als Kirche sollten vorangehen und die ersten sein, die diese Ziele umgesetzt haben.

DOMRADIO.DE: Gibt es Beispiele, wo die Kirche wieder aufforstet?

Weingarten: Die Kirchengemeinde in Wipperfürth hat forstwirtschaftliche Flächen. Viele Bäume sind wegen der Trockenheit und wegen des Borkenkäfers abgestorben. Die haben jetzt ein EU-Projekt gemeinsam mit Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen zusammen aufgesetzt und prüfen, wie sie naturnah aufforsten können, sodass der Wald resilienter gegenüber dem Klimawandel wird. Keine Monokulturen mehr, sondern verschiedene Arten sollen sich wiederfinden.

Das ist sehr spannend und die Kirchengemeinde Wipperfürth geht da mit gutem Beispiel voran und probiert neue Dinge aus. Und das aus der Motivation heraus, dass sie die Schöpfung bewahren und den Wald im Einklang mit der Natur bewirtschaften wollen.

DOMRADIO.DE: Stadtbegrünung wird auch in diesem neuen Naturschutzgesetz thematisiert. Da gibt es bei Kirchen viel Potential. Was passiert denn da alles schon?

Christian Weingarten

"Könnte man nicht besser Hecken anpflanzen? Oder heimische Pflanzen kultivieren, die gut für Insekten sind?"

Weingarten: Wir haben ein großes Biodiversitäts-Projekt initiiert. Da geht es darum, die Flächen der Kirchen der Natur zurückzuführen, sodass die Artenvielfalt gefördert wird und ihr nicht geschadet wird. Da haben die ersten kleinen Maßnahmen schon begonnen.

Jetzt müssen wir aber auch schauen, was wir eigentlich an versiegelten Flächen um die Kirchtürme herum brauchen. Könnte man nicht besser Hecken anpflanzen? Oder heimische Pflanzen kultivieren, die gut für Insekten sind? Und was muss man für die Kühlung der Innenstädte machen, sodass dort Wasser verdunsten kann, um kühle Plätze zu erschaffen?

Da gibt es ein großes Potential, was wir als Kirche nutzen können.

Eine Dorfkirche auf dem Land / © Pyty (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Die Kirchen bauen auch viele Wohnungen. Was passiert denn da heute schon?

Weingarten: Vor 20 Jahren wusste noch keiner so richtig, was Klimawandel-Anpassungsmaßnahmen überhaupt sind. Jetzt sind wir aber an der Schwelle, wo wir beginnen umzudenken. Das ist ein Lernen. Jetzt denken wir über Dach- und Fassadenbegrünungen nach.

Man muss auch bei Bauprojekten, die schon etwas länger bestehen, noch mal ran und schauen, wie man nachrüsten kann. Wir dürfen nicht die gleichen Fehler wie vor 20 Jahren machen, die zu den Hitze-Inseln in den Städten geführt haben.

Da gibt es derzeit aber ein starkes Umdenken, gerade auch im Erzbistum Köln, dass wir da als Kirche als gutes Beispiel vorangehen.

DOMRADIO.DE: Wenn alles gut geht, wird dieses Naturschutzgesetz im nächsten Jahr schon wirksam. Müssen Sie dann noch etwas schneller werden, um die Ziele zu erreichen?

Weingarten: Es ist auf jeden Fall noch ein bisschen Zeit. Das EU-Gesetz muss dann erstmal in die Gesetze der EU-Länder überführt werden. Das heißt, wir haben theoretisch noch ein paar Jahre Zeit. Aber diese Zeit sollten wir uns nicht nehmen.

Wir als Kirche sollten jetzt schon mit allen Mitteln die Schöpfung bewahren und mit unserem Tun vor der eigenen Haustüre anfangen - auch als Vorzeigeprojekt.

Das Interview führte Heike Sicconi.

Das EU-Naturschutzgesetz im Überblick

Das Europäische Parlamente hat für das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur gestimmt. Es verpflichtet alle EU-Mitgliedsstaaten, zerstörte Natur wieder in einen guten ökologischen Zustand zu bringen und so den Bestand von Bestäubern, natürlichen Ressourcen, sauberer Luft und sauberem Wasser zu sichern.

Symbolbild: Umweltschutz / © Smileus (shutterstock)
Quelle:
DR