Dunkle Wolken hängen über polnischen und deutschen Bischöfen

"Wir klagen an und warten auf die Anklage"

Zuerst beschwerte sich der Vorsitzende der polnischen Bischöfe, Stanislaw Gadecki, beim Papst über die deutschen Reformpläne für die katholische Kirche. Nun keilt sein deutscher Kollege, Bischof Georg Bätzing, zurück.

Autor/in:
Oliver Hinz
Georg Bätzing, Bischof von Limburg und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz  / © Harald Oppitz (KNA)
Georg Bätzing, Bischof von Limburg und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz / © Harald Oppitz ( KNA )

Der Brief hat 1.642 Wörter und gipfelt in einem Aufruf zum Dialog. Aber ziemlich sicher kommt einiges, was der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, da schreibt, bei seinem polnischen Kollegen Erzbischof Stanislaw Gadecki überhaupt nicht gut an. Denn es handelt sich hauptsächlich um einen sehr deutlichen Ordnungsruf.

Bätzing schrieb: "unbrüderliches Verhalten" und "Verschwörungstheorie"

Bätzing wählte Reizwörter wie "unbrüderliches Verhalten" und "Verschwörungstheorie", die leicht negative Emotionen wecken können. Noch dazu erfuhr der Adressat Gadecki von dem Brief offenbar aus den Medien. Die Warschauer Tageszeitung "Rzeczpospolita" veröffentlichte ihn am Montag komplett. Die Schlagzeile auf der Titelseite lautet: "Deutsch-polnischer Bischofsstreit". Die Polnische Bischofskonferenz, der Gadecki vorsteht, erklärte allerdings auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), bei ihr sei kein Brief von Bätzing eingegangen, auch nicht in Gadeckis Erzbistum Posen (Poznan).  

Erzbischof Stanislaw Gadecki / © Romano Siciliani (KNA)
Erzbischof Stanislaw Gadecki / © Romano Siciliani ( KNA )

Der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, bestätigte auf KNA-Anfrage, der von der Zeitung publizierte Brief sei echt; selbst könne er ihn indes nicht zur Verfügung stellen und somit auch keine deutsche Originalfassung. Bätzing verfasste seine Beschwerde an Gadecki am 21. November. Er reagierte damit auf dessen Protestschreiben an Papst Franziskus gegen zentrale deutsche Reformideen für die katholische Kirche.

Bätzing beklagt falsche Aussagen über den Synodalen Weg

Im Kern geht es in Bätzings Brief um den Umgang miteinander und die Initiativen des deutschen Synodalen Weges für Veränderungen in der Kirche. Bätzing rügt Gadecki, weil der in den gemeinsamen Gespächen bei der vierwöchigen Weltsynode im Oktober im Vatikan mit keinem Wort seinen Brief an den Papst erwähnt habe. Das sei ein "sehr unsynodales und unbrüderliches Verhalten", so der Bischof von Limburg. "Anstelle des Dialogs wählte der Herr Erzbischof einen Brief an Papst Franziskus, in dem er sich mit großer Vehemenz sowie ungenauen und falschen Aussagen über den Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland beklagt."

Gadeckis Brief an den Papst vom 9. Oktober war erst Mitte November publik geworden, als ihn Polens katholische Nachrichtenagentur KAI veröffentlichte. Der Erzbischof nennt darin mehrere Beschlüsse des Synodalen Wegs "extrem inakzeptabel und unkatholisch". Die deutschen Kirchenreformer wollten offenbar eine "moralische Revolution" durchführen, die eher von linksliberalen Ideologien inspiriert sei als vom Evangelium, so der polnische Erzbischof.

Ziel sei "den Episkopat und das Papsttum zu stärken"

Bätzing bestreitet in seiner Reaktion, dass der Synodale Weg die Absicht habe, die Kirche zu revolutionieren. Das Ziel sei in Wahrheit, "den Episkopat und das Papsttum zu stärken und nicht zu schwächen". Eine Diskussion über eine moderne Führungsorganisation müsse möglich sein. Die Kirche habe hier immer die notwendigen Anpassungen vorgenommen. 

"Mich beunruhigt die distanzierte Haltung des Herrn Erzbischofs gegenüber der modernen parlamentarischen Demokratie", so der 62-Jährige in diesem Kontext und zur internationalen politischen Lage. Angesichts einer weltweiten Tendenz zu autokratischen und diktatorischen Regierungsformen sollte es ein gemeinsames Anliegen sein, die Errungenschaften der Demokratie zu stärken statt zu schmälern.

Um nach eigenen Worten Missverständnisse zu vermeiden, betont Bätzing, dass viele thematische Berührungspunkte zwischen dem deutschen Synodalen Weg und der Weltbischofssynode sicher nicht darauf zurückzuführen seien, dass deutsche Bischöfe andere nationale Bischofskonferenzen und die Synode im Vatikan "unterwandert, indoktriniert oder sogar korrumpiert" hätten. "Solche Gedanken gehören einfach in den Bereich konfuser Verschwörungstheorien."

"Wir klagen an und warten auf die Anklage"

Zwischen den polnischen und deutschen Bischöfen gelte derzeit das Motto "Wir klagen an und warten auf die Anklage", heißt es in einem Kommentar der "Rzeczpospolita", in Anspielung auf den berühmten Nachkriegs-Brief der polnischen Bischöfe von 1965: "Wir vergeben und bitten um Vergebung". Bätzings Brief an Gadecki zeige, in welch
unterschiedlichen Welten die Kirche und die Bischöfe in beiden Ländern lebten.

Es gibt also viel zu klären. Bätzing schlägt in seinem Schreiben eine Art Aussprache diese Woche bei der Vollversammlung des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen auf Malta vor. Die viertägige Veranstaltung begann am Montag. Mal sehen, was die Vorsitzenden der beiden Bischofskonferenzen anschließend mitteilen werden. 

Synodaler Weg

Der Begriff "Synodaler Weg" verweist auf das griechische Wort Synode. Es bedeutet wörtlich "Weggemeinschaft"; im kirchlichen Sprachgebrauch bezeichnet Synode eine Versammlung von Bischöfen oder von Geistlichen und Laien.

Der Reformdialog Synodaler Weg dauerte von Ende 2019 bis Frühjahr 2023. Dabei berieten die deutschen katholischen Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) zusammen mit weiteren Delegierten über die Zukunft kirchlichen Lebens in Deutschland.

Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg  / © Julia Steinbrecht (KNA)
Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
KNA