Druck und Prüfungsängste lassen Bachelor-Studenten psychische Beratungsstellen aufsuchen

Studenten im Stress

So faul wie Lehrer sind laut dem Volksmund nur noch Studenten: Sie schlafen bis mittags, treffen sich dann zum Kaffee und schließlich auf ein Bier. Doch wie das Lehrer-Klischee längst widerlegt ist, gehört auch das Bild über Studenten weitgehend der Welt der Fantasie an. Vielmehr haben immer mehr Studierende wegen der neuen Bachelor- und Masterstudiengänge viel zu tun. Druck und Prüfungsängste lassen viele die psychosozialen Beratungsstellen der Universitäten und Studentenwerke aufsuchen.

Autor/in:
Johannes Bentrup
 (DR)

«Viele Studierende sind überlastet», berichtet Sarina Jessica Schäfer vom «Freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften». Dies liege vor allem an vollen Semesterplänen, zahlreichen Prüfungen, die allesamt für die Examensnote zählten, und den vollgeladenen Semesterferien. Sie sollen häufig laut Studienordnungen für Praktika verwendet werden. Daher suchten immer mehr Studierende die Beratungsstellen auf. Hilfsbedarf bestehe vor allem an Fachhochschulen, in denen «das vierjährige Diplom auf drei Jahre Bachelor heruntergequetscht wurde». Die gleichen Leistungen müssten so in einem Jahr weniger durchgepaukt werden.

   Hintergrund ist die große europäische Studienreform, die als Bologna-Prozess vor zehn Jahren begann. Danach werden an den Hochschulen die alten Diplom- und Magisterstudiengänge durch die neuen Abschlüsse Bachelor und Master ersetzt. Mit den neuen Studiengängen soll die Verweildauer der Studierenden an den Universitäten deutlich gesenkt werden. Ziel ist zudem, die Universitäten praxisnäher zu gestalten und ein lebenslanges Lernen zu fördern, etwa indem Menschen nach einem dreijährigen Bachelor-Studium erst arbeiten und später ein zweijähriges Masterstudium draufsatteln.

   Die meisten jungen Menschen suchten Hilfe, weil sie in den Bachelor-Studiengängen in kürzester Zeit zu viel lernen müssten, berichtet die Psychologin Claudia Lazanowski von der Psychotherapeutischen Beratung für Studierende der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Auch hätten viele Studenten Angst vor der Exmatrikulation, die nach zweimaligem Durchfallen durch eine Prüfung drohe. «Dann stehe ich vor dem Nichts», so die Befürchtung. Oder sie hätten Angst, die Ansprüche auf die Studienförderung BAföG zu verlieren.

   Insgesamt kommen etwa 300 Patienten im Jahr in die Frankfurter Beratungsstelle, berichtet Lazanowski. In den etwa drei Besuchen pro Person sprechen sie von ihren Ängsten, Sorgen und Depressionen.
Manchmal löse sich das Problem, etwa durch die Beantragung eines Urlaubssemesters. Meistens müsse jedoch eine ambulante oder eine stationäre Therapiestelle gesucht werden oder ein Platz zum Entzug von einer Sucht.

   Bei Prüfungsängsten biete sich eine Verhaltenstherapie oder ein
Lern- und Prüfungscoaching an, empfiehlt Lazanowski. Doch trotz der vielen, denen so zu helfen ist, glaubt die Psychologin, dass die meisten Hilfsbedürftigen sich nicht in die Beratungsstellen trauen:
«Viele Studenten denken: Ich schaffe es doch alleine. Viele schaffen es auch. Viele quälen sich aber durchs Studium.»

   «Der Bachelor macht nach unseren bisherigen Erfahrungen nicht krank oder depressiv», widerspricht Stefan Grob vom Deutschen Studentenwerk. In der Dachorganisation sind 58 Studentenwerke zusammengeschlossen, in denen im Jahr 2007 rund 66.000 psychologische Beratungsgespräche geführt wurden. Bisher sei der Bedarf nicht gestiegen. Grob schränkt jedoch ein, dass bei der letzten statistischen Erhebung im Jahr 2006 erst elf Prozent der Studierenden in einem Bachelor- oder Master-Studiengang eingeschrieben waren.

«Die Studentenwerke nehmen einen verstärkten Konkurrenzdruck unter den Studierenden wahr», gibt Grob zu. Immer mehr, die in die Beratungsstellen kämen, suchten zudem Hilfe beim Organisieren des Alltags und des Studiums. Viele hätten das Zerrbild im Kopf, «in Rekordzeit einen exzellenten Studienabschluss erreichen zu müssen». Scheitern gestehe man sich nicht mehr ein. Eigentlich müsse man den Studenten den Rat geben: «Entschleunige dein Leben!»