Zizou ist seit knapp 40 Jahren Pariser, davor war er 23 Jahre in Marseille, wo er geboren wurde. Physisch, sagt er, sei er in Paris, aber im Herzen ist er auf der ganzen Welt. Und der Nabel seiner Welt ist Notre-Dame. Ob Notre-Dame seine Liebe ist? Mehr als das. Ob er eine Frau hat? Ja. Ob sie das weiß? Ja, und er hatte viele Frauen in seinem Leben. Und er lacht. Im Hintergrund des Lokals "Symposium", wo er arbeitet, singt George Brassens: "Die Verliebten küssen sich auf der Parkbank."
Er sieht sich Notre-Dame an, wenn er im Café sitzt, mit einer Zigarette, sein Kinn verliebt auf seinen Händen abgestützt. Die Kathedrale macht ihn glücklich. Nachmittags kniet er dort nieder, spricht sein eigenes kleines Gebet. Und trotzdem sagt er, dass er zwar gläubig sei, aber nicht praktizierend.
Zizou, das selbsternannte Maskottchen von St. Michelle, dem Bezirk, wo er seit 20 Jahren arbeitet und wo alle ihn kennen, nur drei Minuten von Notre-Dame entfernt. Am 15. April 2019 saß er im "Symposium". Und er konnte die Luft schmecken. Asche überall, alles grau, als wäre ein Vulkan ausgebrochen sagt er. Damals haben die Pariser etwas verloren. Jetzt, am Tag der Wiedereröffnung hat man es wiedergefunden.
Es ist nicht nur der Anblick, es ist auch der Klang, er erfüllt ihn. Er fasst sich ans Herz, pfeift und lacht. Er war noch nie woanders als in Paris und Marseille Aber die ganze Welt kommt zu ihm, wegen Notre-Dame. Wegen ihr hat er die ganze Welt kennengelernt. Notre-Dame versammelt sie um ihn herum. Amerika, China, Thailand, Brasilien, Marokko - alle Landsleute kommen hier hin für die große Dame. In sechs Monaten geht Zizou in Rente. Dann wird er "vielleicht" Notre-Dame auch mal verlassen. Und die Welt aus einer anderen Perspektive kennenlernen.
Marcs Emotionen kommen aus der Kindheit
Marc war in Mosambik als die Pushnachrichten auf seinem Handy die Nachrichten brachten. Etwas Schlimmes ist passiert in Paris. Notre-Dame brennt. Also machte er den Livestream an. Und er weinte, obwohl er Agnostiker ist. Dann gingen die Nachrichten von seinen Freunden ein. Ein Ereignis, dass die Menschen bewegt, über Kontinente hinweg.
In Paris ist er aufgewachsen. Bis er 18 war, gehörte die Kathedrale zu seiner Kindheit und seiner Jugend, obwohl er selbst nur einmal drinnen gewesen ist, mit fünf Jahren. Wie es halt so ist, wenn man Sachen als gegeben hinnimmt.
Es waren die Spaziergänge mit seinen Eltern, an der Seine, die in ihm die Emotionen weckten, die Abende, an denen er Wein am Ufer des Flusses mit Freunden getrunken hat und einfach rumgehangen hat. Teenager eben. Es waren auch die Abende, an denen es besonders romantisch werden sollte. Alle Momente mit Freunden, in denen das Leben besonders hell scheinen sollte. Er war gerührt vor so viel Schönheit. Am Abend der Wiedereröffnung ist er zufällig in Paris, eigentlich nur um seine Eltern zu besuchen. Jetzt steht er am Ufer, schaut sich das Spektakel an und wird politisch.
Man dürfe nicht vergessen, sagt er, dass Paris und Notre-Dame für den Tourismus wie "Disneyland" ist, ein "Moneymaker". In Frankreichs politischer Krise sei es gut, dass die Politikelite der ganzen Welt sich hier trifft. Im Zeichen der Freundschaft. Jill Biden ist da, genauso wie Prinz William aus England, Donald Trump, der designierte Präsident der Vereinigten Staaten Amerikas. Es ist eine große politische Veranstaltung und im Hintergrund läuft Autowerbung auf den Großbildleinwänden.
"Der Papst ist nicht da", sagt er. "Warum?", möchte er gerne wissen. Politik - ein schwieriges Thema. Trotzdem ist er froh, um jedes Zeichen der Einigkeit in diesem zerstrittenen Europa, und er ist dankbar für alle Menschen, die Geld für die Sanierung gespendet haben. "700 Millionen Euro wären woanders auch gut investiert", sagt er, "aber wie soll man die kulturelle Identität eines Landes mit Geld bemessen?"
Zwei kommen wegen der Glocken
Da stehen zwei junge Männer am Südufer der Seine, blicken auf die Kathedrale Notre-Dame. Fabio Tali und Jonas Rennspieß, 22 und 20 Jahre alt. Sie kommen aus Deutschland und sind wegen der Glocken da. Wegen der Glocke Emmanuel, die knapp 13 Tonnen wiegt und über 300 Jahre alt ist, und wegen Marie, mit ihren 6 Tonnen. Die beiden sind Kampanologen und fasziniert von der Technik dahinter, der Kunst und dem Klang.
"Mich hat es in der Kindheit erwischt", sagt Rennspieß, wegen der Glocke, die man im ganzen Dorf gesehen hat, wenn sie schwang, mit offenem Kirchturm. "Die Schwingungen, wenn die Glocken läuten, durchfahren den ganzen Körper", sagt er. Beispiel Dicker Pitter: "Wenn er seine Kraft entfaltet, wird man gleich ganz demütig", sagen beide.
Sie entschlossen sich im Sommer, gemeinsam nach Paris zu fahren, um sich das Geläut anzuhören. Für Tali nicht das erste Mal, dass er da ist. Im März 2019 stand er schonmal vor Emmanuel und Marie. Das sind die beiden größten Glocken, für die ein eigener Glockenstuhl in Notre-Dame vorgesehen ist. "Wer hätte gedacht", fragt Tali, "dass einen Monat später die Kathedrale und ihre Glocken in Flammen stehen." Ein Ereignis, das auch ihn erschütterte. Die Klöppel der Glocken aus Notre-Dame wurden übrigens in Niederbayern gegossen.
Tali und Rennspieß haben Tonaufnahmegeräte und Stative dabei, damit sie das große Geläut dokumentieren können. Sie erzählen vom Klangcharakter, dem Tonumfang, davon, dass bloß Emmanuel alt sei, und alle anderen Glocken aus dem Jahr 2012 kommen.
Sie sprechen über die Schwingungen und die Herstellungsverfahren, doch sie ärgern sich; denn über die Glocken wurde so gut wie nicht berichtet, sagen sie. Man wisse nur, dass einige Glocken restauriert wurden, wärmebehandelt, um den Klang zu erhalten, oder um ihn wieder herzustellen. Klar, es ist ein Nerdthema. Aber in der Szene sind die beiden keine Unbekannten. Sie fahren zu den Glockentürmen der Welt, um die Glocken zu filmen, den Ton aufzuzeichen und um die Welt auf ihren YouTube-Kanälen "Angelusglocke" und Christusglocke" daran teilhaben zu lassen.
Jetzt warten sie. Am Ende des Abends werden sie sagen: "Beeindruckend! Aber schade, dass nicht alle Glocken gleichzeitig geläutet haben." Erst läutete Emmanuel, dann die Nordturmglocken. "Hoffen wir, dass sie die Tage auch mal gemeinsam klingen", sagen sie.