Dortmunder Wohnungslosenseelsorger offiziell ins Amt eingeführt

"Ich hab mich da reingedrängt"

Sein Arbeitsplatz sind die Dortmunder Straßen. Seine "Kunden" sind die Obdachlosen und Armen der Stadt. Seit gut einem Jahr ist Ansgar Schocke als Wohnungslosenseelsorger der katholischen Kirche in der westfälischen Großstadt unterwegs. Am Donnerstagabend wird er mit einem Gottesdienst in der Sankt-Michael-Kirche nun auch offiziell in seine neue Aufgabe eingeführt werden.

Autor/in:
Tonia Haag
 (DR)

Dass sich Schocke um die besonders Benachteiligten in der Stadt kümmert, kommt nicht von ungefähr. "Ich habe mich da regelrecht reingedrängt", sagt der gelernte Krankenpfleger und lacht. Die Arbeit seines Vorgängers habe ihn interessiert, immer öfter habe er ihn daher begleitet und schließlich das Erzbistum Paderborn dazu gedrängt, eine halbe Stelle für ihn als Wohnungslosenseelsorger einzurichten.

Nun streift Schocke beinahe täglich durch Dortmunds Straßen, um das Gespräch mit den ihm "Anvertrauten", wie er sie nennt, zu suchen und Hilfe anzubieten. Dass er in geistlicher Mission unterwegs ist, lässt sich auf der Straße nicht erkennen. "Bei meiner Arbeit verzichte ich bewusst auf Kirchengewänder", betont der Seelsorger und fügt hinzu: "Durch die normale Alltagskleidung ist es leichter, die Distanz zu den Obdachlosen zu überwinden."

Einen Unterschied zwischen Katholiken, Atheisten oder Andersgläubigen macht Schocke auf seinen Rundgängen durch die Stadt nicht. "Die mir Anvertrauten sind meist froh, dass ihnen jemand zur Seite steht, egal ob sie religiös sind oder nicht", ist der Seelsorger überzeugt.

Bis zu 30 000 Menschen, schätzt Schocke, leben allein in Dortmund in Armut. 300 von ihnen gelten als obdachlos. "Die anderen wohnen zum Teil in Behausungen, die den Namen Wohnung nicht verdienen", berichtet der Seelsorger. Zu seinen Aufgaben zählt er deshalb nicht nur die geistliche Unterstützung, sondern vor allem Hilfen im täglichen Leben. "Dazu gehört die Wohnungssuche ebenso wie die Begleitung beim Gang zum Sozialamt", erläutert der gebürtige Niedersachse.

Wie viele seiner Kollegen wie er in der Wohnungslosenseelsorge tätig sind, ist unbekannt. Nur einzelne Bistümer und evangelische Kirchenverwaltungen führen in ihren Listen spezielle Obdachlosenseelsorger. In anderen Gemeinden kümmern sich Angestellte von Diakonie und Caritas nebenbei um die Wohnungslosen. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes waren Mitte vergangenen Jahres in NRW rund 15 000 Menschen bereits wohnungslos oder standen kurz davor, ihre Unterkunft zu verlieren.

Wer es schaffe, diesen Menschen für zwei Tage oder vielleicht sogar eine ganze Woche Stabilität ins Leben zu bringen, der habe bereits viel erreicht, sagt Schocke. "Das muss ich mir immer wieder klar machen, damit ich Rückschläge besser verkrafte." Und Rückschläge erleben der Seelsorger und die ihm Anvertrauten beinahe täglich.

"Man kann sich nicht vorstellen, wie sehr arme Menschen auch noch ausgenutzt werden", beklagt sich der 44-Jährige. Gerade benachteiligte Menschen seien beliebte Opfer bei Betrügern. Erst kürzlich hätten Unbekannte einen Mann am Bahnhof angesprochen und ihm eine wöchentliche Summe dafür versprochen, dass sie ein Areal unter seinem Namen anmieten durften. "Das Geld floss natürlich nicht. Stattdessen ist der arme Mensch auf den nichtgezahlten Mieten für das Grundstück sitzengeblieben", erzählt Schocke.

Gern erinnert sich der Seelsorger hingegen an die Geschichte einer unverhofften Familienzusammenführung. "Da treffen sich plötzlich auf der Dortmunder Straße Mutter und Tochter, die sich zerstritten und dann unabhängig voneinander aus Süddeutschland durchgeschlagen hatten. In Dortmund kommen sie sich langsam wieder näher, machen eine Therapie und suchen sich schließlich eine gemeinsame Wohnung", erzählt Schocke. "Aber solche Geschichten gibt es leider viel zu wenig".