Domschweizer ist für viele ein Traumberuf

"Man muss immer auf Zack sein"

An ihnen kommt niemand vorbei und sie sind das Aushängeschild des Kölner Doms: die Kölner Domschweizerinnen und Domschweizer. Waren sie früher mehr in die Liturgie eingebunden, sind sie heute verstärkt für die Sicherheit zuständig.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Domschweizerin Claudia Drolshagen ist kommunikativ und hat gerne mit Menschen zu tun. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Domschweizerin Claudia Drolshagen ist kommunikativ und hat gerne mit Menschen zu tun. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Wann genau dieses Interesse für Kölns Wahrzeichen angefangen hat, kann Maximilian Walbröhl nicht mehr auf den Tag sagen. "Aber noch bevor ich in die Schule kam", erinnert sich der 20-Jährige. "Immerzu mussten Oma, Opa oder die Tanten mit mir in den Dom gehen. Schon als kleiner Junge hat mich diese Kirche total begeistert, so dass ich auch schon ganz früh Mitglied im Zentral-Dombauverein wurde."

Ein Bild, das um die Welt geht: Maximilian Walbröhl führt am Dreikönigstag die Prozession im Dom an. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Ein Bild, das um die Welt geht: Maximilian Walbröhl führt am Dreikönigstag die Prozession im Dom an. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Inzwischen studiert der junge Mann Maschinenbau an der Rheinischen Fachhochschule in Ehrenfeld, arbeitet gleichzeitig aber auch in Teilzeit als Domschweizer und scheint damit am Ziel seiner Träume angekommen. Denn zu dem derzeit 24-köpfigen Team zu gehören ist das, was er sich immer gewünscht und bereits in den letzten Jahren konsequent betrieben hat. Voraussetzung war natürlich die Volljährigkeit, mit der er dann zunächst Mitglied beim Domehrendienst geworden ist, bevor er sich auf eine Domschweizerstelle beworben hat.

Mehr als nur ein Job

Die Kollegen, die sich über den Neuzugang, der den Altersdurchschnitt grundsätzlich erheblich senkt, freuen, nehmen Walbröhl schon mal gerne hoch. "Der wohnt hier", scherzen sie dann launig. Meinen aber, dass er gefühlt so gut wie immer im Dom anzutreffen ist. Vor allem an den Wochenenden und Feiertagen, wenn Uni-Pause ist. Gleichzeitig aber zollen sie ihm damit Respekt, weil da jemand nicht nur seinen Job macht, sondern sein Herz an diese Kathedrale gehangen hat. Schließlich ergeht es ihnen selbst nicht anders. Allerdings hatten die meisten auch ein Leben vor dem Dom: als Postbeamter, Versicherungskaufmann, Weinexperte, Notargehilfe, Troubleshooter, sogar Doktor der Chemie oder auch Fachkraft für Sicherheit. Die Palette derer, die für ihren Traumberuf "umgestiegen" sind, ist bunt. 

Am liebsten hat Maximilian Walbröhl den Dom für sich alleine. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Am liebsten hat Maximilian Walbröhl den Dom für sich alleine. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

"Woher diese Liebe kommt, kann ich nicht wirklich erklären, aber dass sie anhält und auch nicht mehr weg geht, das spüre ich jeden Tag, den ich hier bin", lacht Walbröhl, der gut zwei Meter misst und für den der rote Talar eigens maßgeschneidert werden musste. Ob ganz leer oder mit mehreren tausend Besuchern am Tag, ob zu den dunkleren Tageszeiten oder sonnendurchflutet – immer behält der Dom für ihn seine einzigartige Faszination. "Am liebsten habe ich diesen Raum ganz für mich allein und bin daher in aller Herrgottsfrühe gerne der Erste bei der Schicht", ergänzt er mit einem Schmunzeln.

Mit Leib und Seele Domschweizerin

Claudia Drolshagen gehört zu den "Pionierinnen" in diesem Beruf: den Frauen der ersten Stunde. Seit 2019, als der damalige Dompropst Gerd Bachner die einstige Männerdomäne überraschend auch für Frauen öffnete und damit geradezu einen medialen Hype auslöste, ist die 59-Jährige eine von sechs Domschweizerinnen – und das mit Leib und Seele. Für sie liegt der Reiz im Zusammenspiel verschiedener Faktoren. 

Claudia Drolshagen kennt sich gut im Dom aus. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Claudia Drolshagen kennt sich gut im Dom aus. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

"Es ist nicht nur das Bauwerk, auch die Atmosphäre, die zu jeder Tageszeit anders ist, der hoch aufsteigende Weihrauch bei Festmessen, die Mystik des wechselnden Lichteinfalls, die großartige Kirchenmusik am Sonntag", schwärmt die gelernte Altenpflegerin, die zuletzt viele Jahre im Ingenieurbüro ihres Mannes mitgearbeitet hat und sich seit acht Jahren außerdem in der Telefonseelsorge engagiert. Die hier erworbenen Kompetenzen kommen ihr nun auch im Dom zugute. Denn nicht selten – wenn schon mal besonders viel Empathie, Trost, ausgeprägte Kommunikationsfähigkeiten oder auch Deeskalation gefragt sind – raunen ihr die männlichen Kollegen zu: "Ein Fall für Dich." 

Maximilian Walbröhl

"Es geht auch darum, eine Gefahrenlage unmittelbar zu erkennen, einen potenziellen Störenfried früh genug zu identifizieren und schwierige Situationen möglichst geräuschlos zu meistern."

Nicht, dass die Herren nicht auch beschwichtigend, zugewandt und aufmerksam auf die vielen, vielen Dombesucher reagieren oder auf die immer gleichen Fragen "Wo ist das Richterfenster?", "Liegen in dem Schrein wirklich die Heiligen Drei Könige begraben?" und "Wie kommt man auf den Turm?" gelassen antworten würden. 

"Aber Frauen verfügen eben zusätzlich noch über weibliche Intuition und haben einfach andere Fähigkeiten. Das hilft oft", gibt Walbröhl neidlos zu. "Gute Menschenkenntnis und eine feine Beobachtungsgabe können in unserem Job auf keinen Fall schaden. Schließlich geht es auch darum, eine Gefahrenlage unmittelbar zu erkennen, einen potenziellen Störenfried früh genug zu identifizieren und schwierige Situationen möglichst geräuschlos zu meistern."

Claudia Drolshagen

"Am Eingang müssen wir oft in Sekundenschnelle mit Blicken scannen, ob jemand womöglich etwas zu verbergen hat oder sich auffällig benimmt."

"Auch an den richtig stressigen Tagen nicht die Ruhe zu verlieren, ist die eigentliche Herausforderung für jeden Domschweizer, egal ob Mann oder Frau", erklärt Drolshagen. "Wenn ich selbst gut sortiert bin, ist das nicht weiter anstrengend. Trotzdem kann es passieren, dass man nach der Schicht zwischen 10 und 17.45 Uhr richtig durch ist. Dann hat man vielleicht bei über 30 Grad im Schatten gefühlt tausend Mal dieselben Hinweise gegeben – keine großen Taschen im Dom, kein Essen und keine Tiere in die Kirche mitnehmen, vorher auch die Kappe abnehmen – und sich manchen verbalen Schlagabtausch über Gott und die Welt geliefert." 

Ein gut funktionierendes Team: Claudia Drolshagen, Maximilian Walbröhl, Horst Kleusch und Susanne Rückes. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Ein gut funktionierendes Team: Claudia Drolshagen, Maximilian Walbröhl, Horst Kleusch und Susanne Rückes. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Schließlich wollten die Menschen immer mal auch Unmut loswerden. Beherztes Vorgehen und Durchsetzungsvermögen müssten eben manchmal sein. "Zumal der Sicherheitsaspekt gerade im Moment wieder im Vordergrund steht und wir am Eingang oft in Sekundenschnelle mit Blicken scannen müssen, ob jemand womöglich etwas zu verbergen hat oder sich auffällig benimmt."

Souverän Rede und Antwort stehen

Beworben als Domschweizerin hat sich Drolshagen eigentlich mehr aus Jux. "Der Arbeitsplatz Dom hat mich schon sehr gereizt – seit Jahren bin ich begeisterte Pilgerin – aber nie hätte ich für möglich gehalten, dass ich hier wirklich eine Chance habe." Umso mehr habe sie sich gefreut, dass sie damals eine der vier von insgesamt 50 Stellenbewerberinnen gewesen sei, die den Zuschlag bekommen hätten. 

Inzwischen ist sie mit den Besonderheiten und Geschichtsdaten des Domes längst vertraut und wie mancher Kollege, der schon ein paar Jahre mehr im Dienst ist, ein wandelndes Lexikon. Jedenfalls steht sie inzwischen souverän Rede und Antwort – wenn gefragt, auch auf Englisch, Französisch oder gar Chinesisch. 

"Ich mag, wenn richtig was los ist, habe einfach gerne mit Menschen zu tun. Dann spüre ich, dass ich hier richtig bin", sagt Drolshagen. "Der Dom beseelt mich. Außerdem fühle ich mich in diesem riesigen mittelalterlichen Bau stets behütet – auch wenn die allgemeine Anspannung wie bei der Gefahrenlage rund um Weihnachten oder auch gerade jetzt immer mal wächst." Natürlich blendet die Dommitarbeiterin dabei nicht aus, dass jeden Moment etwas passieren, die Stimmung kippen kann und man ganz schnell reagieren muss. "Leider nehmen psychische Auffälligkeiten und Aggression gegenüber uns Kirchenvertretern zu. Man muss immer auf Zack sein." 

Orgelbrausen und "Dicker Pitter" sind das Highlight

Oft habe sie bei ihrem Dienst den Psalm "Alles, was Odem hat, lobe den Herrn" auf den Lippen, "weil mich diese Kirche mit all dem Schönen erfüllt. Hier kann ich auch mal abschalten in diesen rauen Zeiten, ganz bei mir und meinem Glauben sein, genießen, wofür dieses Gotteshaus ursprünglich einst gebaut wurde." Die Chöre am Sonntag, feierliches Orgelbrausen oder das Läuten des "Dicken Pitter" – das sei schlicht das Highlight und sorge regelrecht für Kopfkino. "Tiramisù für die Ohren, besser als jeder Nachtisch. Dann finde ich toll, dass ich dabei sein darf."

Der Kerzendienst gehört zu den Aufgaben der Domschweizer. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Der Kerzendienst gehört zu den Aufgaben der Domschweizer. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Eine außergewöhnlich spannende Tätigkeit – nah an der katholischen Kirche. "Das muss man wollen", sagt Oliver Gassen, der Sicherheitskoordinator des Doms und verantwortlich für die Domschweizer. Wen er einstellt, der sollte freundlich, offen und auskunftsfreudig sein. Voraussetzung ist außerdem eine Sachkunde-Prüfung nach der Gewerbeordnung Paragraf 34a. Schließlich geht es beim Domschweizerdienst um eine erlaubnispflichtige Bewachungstätigkeit, zu der auch Kenntnisse der rechtlichen Grundlagen gehören – zum Beispiel für eine Taschenkontrolle oder – im äußersten Fall – einen Verweis aus dem Dom. 

Trotzdem sucht Gassen keine Bodyguards, auch wenn es Aufgabe der Schweizer ist, die Kathedrale zu beschützen. "Es geht mehr um das innere Standing, die körperliche Statur ist dabei Nebensache, auch wenn diese Mitarbeiter richtig Strecke machen müssen und die Wege innerhalb der Kathedrale weitläufig sind." Mitunter werde auch unterschätzt, dass man als Domschweizer ständig in Kontakt mit den Besuchern sei. "Was nicht für jeden etwas ist."

Oliver Gassen

"Domschweizer sind die Visitenkarte des Kölner Doms."

Willkommenskultur – das ist für den Sicherheitsverantwortlichen ein zentrales Stichwort. "Ziel ist immer – selbst wenn eine Situation aus dem Ruder zu laufen droht – nach Möglichkeit in einer positiven Kommunikation zu verbleiben." Dafür gibt es auch Schulungen. Darüber hinaus aber sind Domschweizer immer auch in die Liturgie eingebunden: Sie kollektieren, übernehmen den Kerzendienst und führen bei Sonn- und Feiertagsmessen die Prozession an. "Ein Bild, das live um die Welt geht", sagt Gassen. "Damit sind sie automatisch die Visitenkarte des Kölner Doms."

Quelle:
DR