Diskussion um Missbrauch in der Kirche erreicht Österreich

"Vertuschung ist genau der falsche Weg"

Zuerst wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft gegen einen niederösterreichischen Priester ermittelt, bei dem kinderpornographisches Material gefunden worden sein soll. Dann berichtete die Presse, allein 2009 habe es 17 Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche des Landes gegeben. Der Skandal über sexuellen Missbrauch hat nun auch Österreich eingeholt.

Autor/in:
Gudrun Lux
 (DR)

Man berief sich dabei auf den Pressesprecher des Erzbistums Wien, Erich Leitenberger. Auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) relativierte der aber am Donnerstag: Es handle sich um 17 Verdachtsfälle, ein Teil davon habe sich "als nicht stichhaltig herausgestellt".

Die Kirche in Österreich kennt das leidvolle Thema. Vor 15 Jahren wogte die "Causa Groer" durch die Alpenrepublik. Der Wiener Erzbischof und Kardinal Hans Hermann Groer geriet in Verdacht, sich Jahrzehnte zuvor persönlich an Jugendlichen vergangen zu haben.

Drei Jahre nach den ersten Vorwürfen erklärten drei österreichische Bischöfe, darunter der heutige Wiener Erzbischof Christoph Schönborn, sie seien "zur moralischen Gewissheit" gelangt, dass die gegen Groer erhobenen Vorwürfe "im Wesentlichen zutreffen". Der Beschuldigte bat "Gott und die Menschen" um Vergebung, "wenn ich Schuld auf mich geladen habe". Das "Kirchenvolksbegehren", bei dem eine halbe Million Österreicher grundlegende Reformen der Kirche forderten, und zahlreiche Kirchenaustritte, waren nicht zuletzt eine Folge der "Causa Groer".

Gesamtgesellschaftliches Problem
Überall in der Gesellschaft sei sexueller Missbrauch lange Zeit vertuscht und verleugnet worden, sagt Leitenberger. Das sei auch in der Kirche so gewesen. Durch die "dramatischen Ereignisse" um den Fall Groer habe die Kirche in Österreich früher als in anderen Ländern "eine Lektion gelernt" - nämlich dass Unter-den-Teppich-Kehren genau der falsche Weg sei. Dem stimmt auch der Pastoraltheologe Paul Zulehner zu.

Als Motto, wie man in Österreich mit dem Missbrauchsthema umgehe, zitiert Leitenberger ein Wort aus dem Johannesevangelium: "Die Wahrheit wird euch frei machen." Opferschutz stehe an erster Stelle, in allen österreichischen Diözesen gebe es Ombudsstellen. Hans Peter Hurka, Vorsitzender von "Wir sind Kirche" in Österreich, sieht das anders. Die Ombudsstellen seien nicht unabhängig und bestünden "eher verschämt und verborgen", kritisiert er im Gespräch mit KNA. Für Betroffene seien sie kaum aufzufinden - und damit auch keine echte Hilfe. "Wir sind Kirche" fordert daher zentrale und bekannte Anlaufstellen mit psychotherapeutischen Angeboten für Opfer und Täter.

Der Bischof von Graz, Egon Kapellari, forderte einstweilen im Österreichischen Fernsehen, Täter aus dem Kirchendienst zu entfernen, da "dieser Habitus, wie uns Psychologen und Mediziner sagen, unheilbar" sei.

Bisher nimmt die österreichische Öffentlichkeit die Missbrauchsnachrichten eher gelassen hin. Doch von einer einheitlichen Strategie im Umgang mit solchen Fällen sind Kirchenleitung und Kirchenbasis in Österreich offenbar noch weit entfernt.