Diskussion über nach Religion getrennter Unterbringung von Flüchtlingen

"Erschrocken über diese Forderung"

Die Diskussion, ob Flüchtlinge in Deutschland nach Religionen getrennt untergebracht werden sollen, hält an. Ulrich Graf, Leiter einer Flüchtlingsunterkunft in Köln Blumenberg, bezeichnet diese Überlegungen im Interview als unsinnig.  

Christen und Muslime feiern gemeinsam / © Bernd Wüstneck (dpa)
Christen und Muslime feiern gemeinsam / © Bernd Wüstneck ( dpa )

domradio.de: Wenn Sie als Mann der Praxis von Eskalationen in Flüchtlingsunterkünften und der Forderung der Polizei nach einer religiösen Trennung hören - was geht Ihnen da durch den Kopf?

Ulrich Graf: Ich bin erschrocken und enttäuscht über die Menschen, die so etwas fordern. Es kann nicht sein, dass wir kulturelle Unterschiede zwischen Moslems, Christen oder Orthodoxen machen. Diese zu separieren, wäre viel zu kurz gegriffen. Ich bin auch überzeugt davon, dass es in den Einrichtungen, bei denen es Streitereien gab, um ganz andere Gründe ging, die letztendlich zur Eskalation geführt haben. Das wird auch von den bisher bekannten Berichten untermauert. 

domradio.de: Was für Gründe mögen das sein?

Ulrich Graf: Ganz klar die Überbelegung. Einzelne Einrichtungen sind an der logistischen Grenze, sich um diese Menschen zu kümmern. Dann gibt es in manchen Einrichtungen Security-Mitarbeiter, die teilweise auch nicht lesen und schreiben können. Und ein weiteres Problem sind die Essensausgaben, an denen das Motto "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" herrscht. Dass dann auch mal Schimpfworte fallen oder auch kleinere Handgreiflichkeiten passieren, ist dann mal so.

domradio.de: Sie haben jeden Tag mit Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen zu tun. Wie erleben Sie da den Umgang mit der Religion?

Ulrich Graf: Religion kann bei uns ausgeführt und ausübt werden. In unseren Einrichtungen - und ich glaube, ich kann von allen Kölner Einrichtungen sprechen - versuchen die Flüchtlinge ihr Leben soweit wie möglich fortzusetzen, um hier Ruhe zu finden. Wir haben auch tiefgläubige Moslems, die versuchen, sich an Gemeinden anzuschließen. Ich kann zu keiner Zeit erkennen, dass die Moslems die Christen oder umgekehrt drangsalieren, nur weil sie andersgläubig sind. Wenn es zu Konflikten kommt, dann hat das in der Regel immer völlig andere Gründe. Wir bemühen uns auch als katholische Heimleitung, andere Religionen zu stützen und mit ihnen gemeinsame Feste, wie beispielsweise das Opferfest mit den Muslimen, zu feiern.

domradio.de: Integration und multikulturelles Umgehen miteinander versuchen Sie gleich zu Beginn mit den Menschen, die bisher noch im Asylverfahren sind, zu vermitteln?

Ulrich Graf: Genau. Diese Menschen leben bei uns, und wir sind bemüht, eine vernünftige Versorgung sicherzustellen und ein vernünftiges zwischenmenschliches Miteinander hinzubekommen. Dazu gehört auch die Religion. Dies beinhaltet für uns als Christen, unsere religiösen Feste in der Einrichtung zu feiern und ebenso muslimische Hochfeste zu begehen. 

domradio.de: Sie feiern die christlichen Feste in der relativ neuen Kirche St. Katharina von Siena in Köln Blumenberg. Was für eine Rolle spielt diese Kirche?

Ulrich Graf: Die meisten Ehrenamtlichen unserer Einrichtung kommen aus dieser Gemeinde. Sie sind deshalb auch an die Pfarrei angebunden, und es gibt ganz enge Kontakte zum Priester und zum geistlichen Personal. Wir können auch immer wieder Räumlichkeiten der Gemeinde nutzen. Wir werden von der Gemeinde auch eingeladen, Feste - auch muslimische Feste - zu feiern. 

domradio.de: Die Willkommenskultur ist also auch in Köln Blumenberg sehr aktiv, oder?

Ulrich Graf: Ja, sie ist sehr aktiv. Es ist in allen drei Einrichtungen bei uns in Köln so, dass wir eine ganze Menge positiver Willkommenskultur verbreiten. Ich sehe das dann immer völlig anders im Fernsehen. Natürlich gibt es Brandanschläge, natürlich gibt es Ressentiments. Die gibt es überall, wo viele Menschen gemeinsam leben. Diese Willkommenskultur bei uns, bei der viele Menschen helfen und Deutschkurse veranstalten oder Lotsendienste und Begleitungen stattfinden, kommt aus einem christlichen Hintergrund. Ohne die Hilfe dieser Menschen wären wir teilweise gar nicht in der Lage, unseren Heimbetrieb aufrecht zu erhalten.

Das Interview führte Uta Vorbrodt


Quelle:
DR