Dirigent Kurt Masur wird 85 Jahre alt

"Ich war nur einer der bekanntesten"

Er ist ein unermüdlicher Arbeiter für die Musik. Kurt Masur steht seit mehr als 60 Jahren am Dirigentenpult. Allein mit dem Leipziger Gewandhaus-Orchester gab er über 900 Tourneekonzerte. Am Mittwoch wird er 85 Jahre alt.

Autor/in:
Katharina Rögner
 (DR)

Trotz seines hohen Alters denkt der Maestro nicht ans Aufhören. Als Gewandhauskapellmeister in Leipzig wurde Kurt Masur schon in der DDR umjubelt. Nach 1989 machten ihm die großen internationalen Orchester den Hof. Er wurde Chef der New Yorker Philharmoniker (1991), des London Philharmonic Orchestra (2000) und des Orchestre National de France in Paris (2002). Mit seiner vielgepriesenen Hartnäckigkeit und Genauigkeit brachte er die Klangkörper zu bemerkenswerten Erfolgen. Weit mehr als 100 Aufnahmen mit zahlreichen Orchestern liegen von ihm vor.



Dass Masur 1993 auch als möglicher Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten gehandelt wurde, zeigt nicht zuletzt sein Ansehen in der Bevölkerung. Dabei galt er zu DDR-Zeiten durchaus auch als umstritten. Schließlich war er der weltweit beklatschte ostdeutsche Musiker vor und hinter dem Eisernen Vorhang. Als einer der Aufsteiger und Hoffnungsträger der DDR erhielt er Auszeichnungen wie etwa Kunstpreise und den Nationalpreis.



Auf der Seite der Bürger

Aber er ist auch einer, der sich auf die Seite der Bürger stellt. So im Herbst 1989, als er am 9. Oktober in Leipzig einen blutigen Aufstand verhindern half. Als einer von sechs Prominenten unterzeichnete er den Aufruf, in dem Regimegegner und die Polizei zum Gewaltverzicht zugunsten eines konstruktiven Dialogs aufgefordert wurden.



Über den Stadtfunk erreichte die mehr als 70.000 Montagsdemonstranten die Nachricht, die Masur vorher aufs Band gesprochen hatte: "Wir bitten Sie dringend um Besonnenheit." Später kommentierte er die Szenerie: "Ich war nur einer der bekanntesten von denen, die ihre Angst überwunden hatten." Den Herbst 1989 beschreibt er für sich so: "In diesen Tagen bin ich Leipziger geworden."



Trotzdem glaubt er, dass er "kein typischer Deutscher" ist. Seine Heimat ist Schlesien. Dort wurde er am 18. Juli 1927 in Brieg geboren. Bis heute habe er in Polen Freunde und das "Zuhausegefühl", sagt er. Trotzdem kehrt der ruhelose Maestro mit Wohnsitz in New York immer wieder nach Deutschland zurück. Vor allem nach Leipzig, wo er von 1970 bis 1997 das Gewandhaus-Orchester leitete und den Bau eines neuen Gewandhauses durchsetzte. 1981 wurde es eröffnet.



Europäer des Jahres

Dabei absolvierte Masur zunächst eine Lehre als Elektriker. Sein Musikstudium begann er in Breslau und studierte nach dem Zweiten Weltkrieg an der Leipziger Musikhochschule weiter. Als Kapellmeister war er danach in fast allen großen ostdeutschen Städten tätig.



Die Liste der Auszeichnungen für Masur ist lang. Nach den DDR-Würdigungen folgten im vereinten Deutschland unter anderem das Bundesverdienstkreuz, der Deutsche Fernsehpreis, der Westfälische Friedenspreis und schließlich der Echo Klassik für sein Lebenswerk.

Die Stadt Leipzig ernannte ihn 1989 zum Ehrenbürger. Masur ist "Europäer des Jahres 1990" und erhielt den Bambi. Und auch seine Geburtsstadt Brieg verlieh ihm die Ehrenbürgerwürde.



Musik habe ihm immer Glück und Freude gebracht, sagt er. Bis heute verspüre er das gleiche glückliche Gefühl. Zum Geburtstag dürfte es dieses Mal etwas ruhiger um ihn werden. Nach einem Sturz vor einigen Wochen während eines Konzerts in Paris hat er erst einmal alle Konzerte abgesagt. Doch nach der Sommerpause will er wieder dirigieren. Trotz fortschreitender Parkinson-Krankheit ist er noch immer weltweit gebucht. Viele fragen sich, warum er sich das antut. Offenbar kann ein Maestro nicht anders.