Diplomat: Debatte um Traditionalisten belastet nicht

"Es gibt viele Williamsons"

Die aufgehobene Exkommunikation von Traditionalisten-Bischof Richard Williamson belastet aus Sicht des früheren israelischen Botschafters beim Vatikan, Oded Ben-Hur, nicht das jüdisch-katholische Verhältnis.

 (DR)

"Kein Williamson - und ich fürchte, es gibt viele Williamsons in der Welt und auch auf den unteren Ebenen in der Kirche - wird das Fundament des jüdisch-katholischen Verhältnisses ins Wanken bringen", sagte Ben-Hur im Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Allerdings habe es im Vatikan beim Fall des Holocaust-Leugners Williamson sowie bei der neuen Karfreitagsfürbitte für den alten Ritus «an der nötigen Sensibilität gefehlt».

Ähnlich äußerte sich in Jerusalem Rabbiner David Rosen, eine der führenden Persönlichkeiten im jüdisch-vatikanischen Dialog. Die Williamson-Affäre sei mittlerweile «von einem Minus zu einem Plus» geworden, sagte Rosen am Montag bei einer Pressekonferenz. Statt die Beziehungen zwischen Vatikan und Judentum zu belasten, habe der Vorgang den Dialog belebt, die Sensibilität der Kirche erhöht und das Augenmerk auf den Kampf gegen Antisemitismus und Judenfeindschaft gelenkt.

Rosen gehörte zu einer Gruppe israelischer Rabbiner, die vor einigen Wochen vom Papst im Vatikan empfangen worden waren. Er freue sich, «dass es jetzt im Vatikan mehr Absprachen und eine erhöhte Sensibilität gebe, damit sich solche Vorfälle in Zukunft nicht mehr wiederholen», so Rosen.

Nach den Worten Ben-Hurs beruht das jüdisch-christliche Verhältnis auf zwei Fundamenten: der Konzilserklärung «Nostra aetate» und der Lehre der beiden Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. Der Dialog zwischen jüdischer und katholischer Welt spiele sich auf drei Ebenen ab: dem interreligiösen Dialog, den politischen Kontakten zwischen Israel und dem Vatikan, sowie einer engen Zusammenarbeit von jüdischen und katholischen Organisationen im Kampf etwa gegen Aids in Afrika oder Armut in Südamerika. Das nächste Ziel sollte es sein, die Sensibilität für das besondere jüdisch-katholische Verhältnis auch auf den unteren Ebenen der Kirche zu erhöhen.

Ben-Hur plädierte dafür, über eine Seligsprechung von Papst Pius XII. (1939-1958) noch nicht zu entscheiden. Die Archive, die über das Wirken des Papstes während des Zweiten Weltkriegs Auskunft geben, stünden erst in einigen Jahren Forschung und Öffentlichkeit in vollem Umfang zur Verfügung. Bis dahin stehe jedes Urteil über Pius XII. unter dem Vorbehalt, von Fakten widerlegt werden zu können. Sollte dieser Papst einer Seligsprechung würdig sein, so werde er das auch noch in einigen Jahren sein.

Das Wirken Pius XII. während des NS-Zeit wird von Historikern verschieden bewertet. Befürworter einer Seligsprechung verweisen darauf, dass durch sein Einwirken während der deutschen Besetzung Roms 1943/44 mehr als 4.000 römische Juden in kirchlichen Institutionen vor der SS gerettet wurden. Kritiker bemängeln, der Papst habe nicht laut genug gegen die Ermordung der Juden im Zweiten Weltkrieg protestiert. Das Seligsprechungsverfahren für Pius XII.
begann 1974. Ben-Hur äußerte sich im Vorfeld der Nahost-Reise des Papstes, die am Freitag beginnt.