Diözesanmuseum eröffnet Ausstellung zu Ulrich von Augsburg

"Er half den Armen und Kranken"

Ulrich von Augsburg hat in Politik, Gesellschaft und Kirche eine wichtige Rolle gespielt. Zum 1.100. Jubiläum seiner Bischofsweihe gibt es nun die Sonderausstellung "ULRICH - genial sozial loyal memorial". Was verbirgt sich dahinter?

Sankt Ulrich und Afra in Augsburg (KNA)
Sankt Ulrich und Afra in Augsburg / ( KNA )

DOMRADIO.DE: Der Heilige Bischof Ulrich von Augsburg hat von 890 bis 973 gelebt. Was war er denn für ein Typ?

Melanie Thierbach (Leiterin des Diözesanmuseums Sankt Afra in Augsburg): Äußerlich gesehen war er groß und von schöner Gestalt. Er war zudem charakterlich charismatisch, asketisch, den Menschen zugewandt, gut organisiert, gerecht, liebevoll, aber auch standesbewusst.

Melanie Thierbach

 "Menschen haben Not und man muss ihnen helfen. Genau das hat Ulrich getan."

DOMRADIO.DE: Sie versuchen diesen mittelalterlichen Bischof und Heiligen einem Publikum von heute nahe zu bringen. Wie sind Sie das Projekt angegangen?

Thierbach: Ich glaube, dass das gerade heute sehr leicht ist. Denn ob man einen Krieg gegen die Ungarn, gegen die Ukraine oder in Israel oder Gaza führt, kommt im Endeffekt auf dasselbe hinaus. Menschen haben Not und man muss ihnen helfen. Genau das hat Ulrich getan. 

Ulrich von Augsburg / © Gemeinfrei
Ulrich von Augsburg / © Gemeinfrei

Wir haben zu der Ausstellung Aquarelle des ukrainischen Künstlers Danylo Movchan ausgeliehen, der seine Erfahrungen mit dem Ukrainekrieg in diesen Kunstwerken bearbeitet hat. Wir versuchen einen zeitgenössischen Brückenschlag herzustellen. 

Ulrich war zum ein sozialer Mensch. Das ist der zweite Aspekt, der uns sehr wichtig ist. Er half den Armen und Kranken.

Auch wenn unser Gesundheitssystem heute besser ist als das des zehnten Jahrhunderts, haben wir trotzdem viel Not auf der Welt. Wir unterstützen in dem Zusammenhang der Ausstellung ein Hilfsprojekt in Uganda.

DOMRADIO.DE: Die Ausstellung soll unter vier Schlagworten einen Blick auf Ulrichs bewegtes Leben werfen. "Genial" ist das erste. Wie genial war Ulrich wirklich?

Thierbach: Das ist ein schwieriges Thema. Wir haben großes Glück in Augsburg, denn es gibt die "Gerhard Vita". Gerhard war Dompropst und Zeitgenosse von Ulrich. Er kannte ihn wie seine eigene Westentasche. Aus dieser Vita können wir bestimmte Dinge herauslesen. 

Eingerüstete Stadtpfarrkirche Sankt Ulrich und Afra am in Augsburg. / © Christopher Beschnitt (KNA)
Eingerüstete Stadtpfarrkirche Sankt Ulrich und Afra am in Augsburg. / © Christopher Beschnitt ( KNA )

Wir wissen, dass Ulrich ein unendlich gescheiter, intelligenter Mensch war, der auch fleißig und sehr diszipliniert war. Er ist in Sankt Gallen in die Schule gegangen. Deswegen war er von der benediktinischen Frömmigkeit infiziert, würde ich sagen. 

Das bedeutet, dass ihm eigentlich die "Vita contemplativa" viel näher stand als die "Vita activa", die er als Bischof zu leisten hatte. Das hat er offenbar mit Bravour erledigt. Sein Herz schlug aber für eine andere Sache, für diese ganz besondere Frömmigkeit.

DOMRADIO.DE: Unter dem Stichwort "loyal" geht es um Ulrichs Beziehung zu den weltlichen Herrschern seiner Zeit. Wie wichtig war sein politisches Wirken?

Thierbach: Das war sehr wichtig. Bischöfe haben im Allgemeinen die Aufgabe, Herrendienst für den König zu leisten. Ulrich stellte keine Ausnahme dar. Aber dadurch, dass er zur Elite des Reiches gehörte und mit Otto I. sehr verbunden war, können wir davon ausgehen, dass er in das tagespolitische Geschäft dieses Königs eingebunden war oder zumindest Kenntnis davon hatte. 

Das hat nicht nur mit der berühmten Lechfeldschlacht, die sich 955 der Nähe von Augsburg zugetragen hat, zu tun. Wir können davon ausgehen, dass er viel mehr Infos über die Reichspolitik in dieser Zeit hatte.

Melanie Thierbach

"Ulrich gibt aus freien Stücken."

DOMRADIO.DE: Wichtig sind auch die Aspekte mit der Beschreibung "sozial". Was steht da im Mittelpunkt?

Thierbach: Es fällt auf, dass in der "Gerhard Vita" sehr oft davon die Rede ist, dass Ulrich seiner bischöflichen Aufgabe nachkommt. Er muss sich um sozial Bedürftige kümmern. 

Interessanter ist, dass keine Gegenleistung damit verbunden war. Normalerweise ist die mittelalterliche Denke so, dass die Armen und Gebrechlichen Fürbitte für den Almosenspender leisten müssen, damit er das ewige Seelenheil erlangen kann. 

An keiner einzigen Stelle ist davon die Rede. Ulrich gibt aus freien Stücken. Wir wissen aber nicht genau, ob aus diözesanen Mitteln oder aus seinem privaten. Aber es sind keine Gegenleistungen damit verbunden. Das ist besonders.

Melanie Thierbach

"Es gibt viele interessante Stücke in dieser Abteilung zu sehen."

DOMRADIO.DE: Unter "memorial" geht es um die Wirkungsgeschichte des Bischofs von Augsburg. Was würden Sie sagen? Was kann man sich heute von ihm abgucken?

Thierbach: Wir müssen den Heiligen Ulrich würdigen. Wir haben in unserer Dauerausstellung zwei Messgewänder, die wir immer sehen können. Wir haben die unter anderem naturwissenschaftlich untersuchen lassen. Dabei kam heraus, dass diese weiße Kasel aus der Ulrichszeit stammt.

Skulptur des heiligen Ulrich vor dem Augsburger Dom am 27. März 2023 in Augsburg. / © Christopher Beschnitt (KNA)
Skulptur des heiligen Ulrich vor dem Augsburger Dom am 27. März 2023 in Augsburg. / © Christopher Beschnitt ( KNA )

Wir dachten, dass der Stoff aus Leinen ist und in Deutschland hergestellt wurde. Es ist jedoch ein Baumwollstoff, der aus dem Orient kommen muss oder zumindest das Material dafür muss aus dem Orient kommen. Das sind besondere Gegenstände, die Ulrich getragen hat.

Wir haben noch mehr Stücke, zum Beispiel das Sudarium. Das ist das Schweißtuch, das man einem Toten aufs Gesicht legt. Wir haben es in einem sehr schönen Renaissancerahmen.

Wir haben auch seinen Ulrichskelch, der heute noch in der Liturgie verwendet wird, außerdem die Ulrichskreuze, wo mutmaßlich Kreuzpartikel drin sind und einen Kamm. Es gibt viele interessante Stücke in dieser Abteilung zu sehen.

DOMRADIO.DE: Haben Sie so etwas wie einen persönlichen Höhepunkt bei dieser Ulrichschau?

Thierbach: Wir haben vier Abteilungen. Es gibt in jeder Abteilung lauter Höhepunkte. Aber es gibt schon ein paar Kunstwerke, die besonders sind. Zum Beispiel das ungarische Pferdegeschirr, das bei uns in der Nähe gefunden worden ist. Das ist ein Sensationsfund, der in der Nähe vom Lech aufgefunden worden ist. Das ist das Zaumzeug eines Pferdes aus Silber, was auf jeden Fall dafür spricht, dass es einem der ungarischen Heerführer gehört hat. Anhand des Materials kann man das festmachen.

Diese Stücke werden zum ersten Mal in einer Sonderausstellung gezeigt und das in der Nähe seines Fundortes. Das ist ganz toll. 

Ulrichsgruft in Augsburg (KNA)
Ulrichsgruft in Augsburg / ( KNA )

Wir haben auch die Leithandschrift der Ausstellung von der Bayerischen Staatsbibliothek in München bekommen. Dafür bin ich sehr dankbar. Das ist die älteste Handschrift von 1454, die am ausführlichsten das Leben des Ulrichs in Federzeichnungen vorstellt. Es sind 22 Federzeichnungen.

Wir können das Buch nur auf einer Stelle aufschlagen. Aber wir haben über die digitalen Bildschirme versucht, jede Szene und jede Abteilung dazu zu ordnen, sodass man das ganze Buch quasi blättern kann.

Wir haben außerdem aus der Bayerischen Staatsgemäldesammlung eine ganz tolle Tafel von Hans Holbein, dem Älteren. Das ist ein sehr wichtiger Künstler nicht nur für Augsburg, sondern auch darüber hinaus. Diese Tafel zeigt das berühmte Fischwunder. Ulrich wird mit dem Fisch-Attribut dargestellt. Das sind nur ein paar Dinge, die ich nennen will. Aber man könnte noch weitermachen.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Ulrich von Augsburg

geboren 890 zu Augsburg aus einem alamannischen Grafengeschlecht, erhielt seine Ausbildung in St.-Gallen und im Dienst des Augsburger Bischofs. 923 wurde er von König Heinrich I. zum Bischof von Augsburg bestellt. In unerschütterlicher Treue stand er zum Königshaus und verteidigte 955 seine Bischofsstadt, die er nach 926 mit einer Mauer umgeben hatte, erfolgreich gegen die Ungarn. Seine bischöflichen Aufgaben erfüllte er mit Eifer und Sorgfalt.

 (DR)
Quelle:
DR