Dieckmann: Bewaffnete Konflikte verursachen Hunger und Flucht

Auf Konflikt folgt Hunger

Der weltweite Kampf gegen Unterernährung bringt Erfolge. Mit 795 Millionen unterernährten Menschen liegt die Zahl aber weiter unerträglich hoch. Zum Welthungerindex 2015 die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann.

Essen und Wasser für einen syrischen Flüchtling / © Sedat Suna (dpa)
Essen und Wasser für einen syrischen Flüchtling / © Sedat Suna ( dpa )

domradio.de: Fangen wir mit dem Positiven an - wie erklärt sich die Abnahme des weltweiten Hungers?

Bärbel Dieckmann (Präsidentin der Welthungerhilfe): In vielen Ländern hat es große Fortschritte gegeben, weil wichtige Maßnahmen ergriffen worden sind: Investitionen in die Landwirtschaften, in Arbeitsplätze, gute Regierungsführung, aber auch Sozialprogramme mit denen die Menschen die Möglichkeit hatten, zu kaufen und zu investieren.

domradio.de: Hunger ist ein komplexes Problem. Sie haben sich bei der Vorstellung auf den Zusammenhang zwischen bewaffneten Konflikten und Hunger konzentriert - ist es zwangsläufig so, dass auf den Konflikt direkt Hunger folgt?

Dieckmann: Das ist fast zwangsläufig so. Die großen Fortschritte sind erzielt worden in Ländern, in denen Frieden ist, in denen es keine bewaffneten Konflikte gibt. Wir haben auch Beispiele von Ländern, wo es Rückschritte gibt, obwohl es schon gute Entwicklungen gab. Mali ist ein Beispiel dafür, wo es durch die bewaffneten Konflikte der letzten Jahre wieder Rückschritte gab, aber es gibt eben die eklatanten Beispiele wie Syrien, wie der Südsudan, wo die Menschen einfach keine Möglichkeit haben anzubauen, Landwirtschaft zu betreiben, Arbeitsplätze gehen verloren, das ist nicht nur eine Hunger- und Armutsursache, sondern auch eine Fluchtursache.

domradio.de: Was können Deutschland und die EU besser machen, damit der Hunger weiter zurückgeht?

Dieckmann: Es gibt ein paar große Bereiche: Die politischen Konflikte können nur politisch gelöst werden. Da müssen sich Länder in Syrien wie die USA, wie Russland, Saudi-Arabien, Iran, die EU mit den syrischen Teilnehmern zusammensetzen. Es müssen Lösungen gefunden werden, das gilt auch für den Südsudan. Es muss parallel dazu, Hilfsmaßnahmen geben für die Flüchtlinge aus diesen Ländern, damit ermöglicht wird, dass sie gut versorgt sind, satt werden, die Kinder zur Schule gehen können. Das dritte ist, dass wir nicht die gesamte Entwicklungszusammenarbeit dadurch vernachlässigen, weil natürlich eine gute Entwicklung in einem Land oft auch Konflikte verhindern.

domradio.de: Befürchten Sie, dass durch die große Hilfsbereitschaft der Deutschen beim Thema Füchtlinge, die Spendenbereitschaft für das Problem des Hungers aus dem Blick gerät?

Dieckmann: Nein, das glaube ich nicht. Ich finde es sehr gut und auch wichtig und richtig, dass die Deutschen eine solche Haltung zeigen, dass Flüchtlinge hier aufgenommen werden, dass sie eine Lebenschance bekommen, aber ich glaube, die Erkenntnis der Menschen, dass wir auch vor Ort unterstützen müssen - denn es kommt ja nur ein Bruchteil der 60 Millionen Menschen, die weltweit auf der Flucht sind, nach Europa - diese Erkenntnis ist auch gewachsen. Die Menschen wissen, man muss beides tun, hier unterstützen, aber auch Fluchtursachen in den Herkunftsländern bekämpfen.

Das Interview führte Mathias Peter.


Quelle:
DR