Die Zumthor-Kapelle im Eifelort Mechernich ist ein Besuchermagnet

Ein mystischer Ort

Schilder führen zum Besucherbergwerk, zur römischen Wasserleitung oder zur 1000-jährigen Eiche. Das Eifel-Städtchen Mechernich weiß, wie man sich auf Touristen einstellt. Einen Wegweiser zur jüngsten Attraktion indes sucht man vergeblich - noch.

Autor/in:
Andreas Otto
 (DR)

Dabei zieht die vor fünf Jahren fertiggestellte "Bruder Klaus Kapelle" fortwährend Besucher an - nicht nur aus der Umgebung, sondern aus der ganzen Republik, ja aus aller Welt. Das liegt am weltberühmten Schweizer Architekten Peter Zumthor. Er hat dieses Haus zur inneren Einkehr in ländlichem Umfeld geschaffen. Es ist in seiner Art einzigartig und spricht längst nicht nur religiöse Menschen an.



Erst nachdem eine Busladung Japaner den entlegenen Bau auf einem Feld oberhalb des Ortsteils Wachendorf besichtigte und - so Stadtplaner Thomas Schiefer - inzwischen "ganze Völkerscharen" dorthin strömen, wissen auch die Mechernicher, dass ihnen ein kulturelles Kleinod von besonderer Bedeutung zugewachsen ist. Nicht unbedingt zu jedermanns Freude. Vor allem Anwohnern sind wild geparkte Autos und Besucher, die im Gelände ihre Notdurft verrichten, ein Dorn im Auge.



Außen-Innen-Kontrast

Inzwischen hat die Stadt das Problem gemildert und einen Parkplatz mit Plastikklos eingerichtet. Aber so mancher Mechernicher kann sich trotzdem mit dem Bau wenig anfreunden. Weil er eben so gar nicht nach Kapelle aussieht. Wer vom abgestellten Wagen den 20-minütigen Fußweg über einen Feldweg hinaufpilgert, bekommt zunächst einmal einen Betonklotz zu Gesicht, mit dem der ein oder andere Einheimische eher "ne Bunker" verbindet. Ein Denkmalpfleger aus Freiburg, der die fünfeckig angelegte Kapelle auf der Durchreise besichtigt, fühlt sich an einen Silo erinnert. Umso mehr beeindruckt ihn das Innere, das er als völligen Kontrast zu außen empfindet.



Den Besucher lässt Zumthor durch eine dreieckige Metalltür und einen schmalen Gang hinein. Das Auge muss sich erst einmal an das höhlenartige Dunkel gewöhnen. Der rundliche Raum ist winzig - ein Platz für die innere Einkehr einiger weniger und eben kein Versammlungsraum für viele. Wer auf dem kleinen Holzbänkchen Platz nimmt, fühlt sich an ein Indianer-Tipi erinnert. Wie in einem solchen Zelt verjüngen sich die Wände nach oben hin, wo durch eine Öffnung mildes Licht dringt und bei nasser Witterung auch Regentropfen fallen, die einen kleinen See auf dem Boden bilden.



Zumthor hat seine Architektur ganz eng mit den vier Elementen Feuer, Wasser, Erde und Luft verbunden. So ließ er 112 Baumstämme aus dem nahen Wald von Bad Münstereifel heranbringen, die dann zur 12 Meter hohen Innenverschalung beitrugen. Nachdem der Beton mit dem rötlich-gelben Sand aus der Umgebung ausgehärtet war, wurde das Holz mit einem über drei Wochen brennenden Feuer ausgeköhlert. So entstanden bizarre und noch verkohlte Wände mit dem Profil der Stämme.



"Das Höhlenartige gibt Geborgenheit"

Das Ambiente löst unterschiedliche Wirkungen aus. Ein Architekturstudent aus Weimar meint: "Das Höhlenartige gibt Geborgenheit." Einen Fahrrad-Ausflügler beeindruckt die "wirkliche Stille". Im Anliegenbuch dankt ein Besucher für diesen "mystischen Ort". Einer 81-jährigen Kölnerin fallen die 300 Glashalbkugeln auf, mit denen sie die Tränen Christi verbindet. Die Kugeln verschließen nach außen führende Röhren, an deren Stelle beim Bau die Verbindungselemente von Innen- und Außenverschalung saßen. Eine Saarbrücker Architekturstudentin fühlt sich an einem Ort zum Meditieren, weniger an einer religiösen Stätte.



Darauf weisen auch nur ganz dezente Details hin, etwa eine kleine Bronzefigur. Sie zeigt den einstigen Einsiedler und heiligen Nikolaus von Flüe, dem die Andachtsstätte gewidmet ist. Er lebte und wirkte in der Schweiz - wo auch Architekt Zumthor seine Wurzeln hat. Was er dem kleinen Eifelort beschert hat, ist den Stiftern der Kapelle, der Landwirtsfamilie Scheidtweiler, selbst nicht ganz geheuer. Sie wollten keinesfalls Besuchermassen oder gar Medienrummel, nur "aus Dankbarkeit für ein erfülltes Leben" einen Ort fürs stille Gebet schaffen. Hinweisschilder zur Kapelle braucht es dafür nicht.