Die Zahl religiöser Symbole bei den Tätowierungen nimmt auch hierzulande zu

Glaube, der unter die Haut geht

Bei Tätowierungen gibt es einen neuen Trend: Kreuze, gefaltete Hände, Jesus Christus, Engel und Tauben. Religiöse Symbole sind wieder gefragt, in den USA trägt schon jeder Vierte eines. Für Viele sind die Symbole wirklich Bekenntnisse ihres Glaubens, die sie stolz nach außen tragen.

Autor/in:
Andreas Rehnolt
 (DR)

Glaube, Hoffnung, Liebe. Das sind für mich Ideale, denen ich nachstreben möchte," sagt die 24 Jahre alte Simone Wiener, die in einem Essener Tattoo-Studio Vorlagen für eine Tätowierung sucht. Diese drei göttlichen Tugenden stehen schon in der Bibel, im ersten Korintherbrief, wie die junge Frau weiß. Der 21-jährige Herbert Vorfeld aus Düsseldorf hat sich schon vor einigen Monaten für ein religiöses Motiv entschieden. Für den jungen Mann, der auf einen Studienplatz wartet, ist es der Ichtys, ein stilisierter Fisch. Er trägt das alte Christus-Symbol als Tattoo nun auf seinem rechten Oberarm wegen seiner vielfachen biblischen Bedeutungen.

"Schon die ersten Christen haben den Ichtys als heimliches Symbol verwendet, um herauszufinden, ob eine Person ein Christ war oder nicht", sagt der angehende Student. Und mit Simone Wiener ist er keine Ausnahme, was die Auswahl religiöser Motive anbelangt. Auf einer bundesweiten Tattoo-Messe im Juli in Dortmund berichteten viele Aussteller davon, dass die Zahl religiöser Symbole bei den Tätowierungen stark zunimmt. Eine junge Frau erklärte auf der Messe, sie wolle im wahrsten Sinne des Wortes, dass der Glaube ihr "unter die Haut" geht.

Die populärsten christlichen Symbole bei den Tattoos sind Kreuze, gefaltete Hände, Jesus Christus, Engel und Tauben. Auch die Jungfrau Maria, Rosenkranz-Perlen, eine Dornenkrone oder Jesus am Kreuz werden häufig gestochen. Der Betreiber eines Essener Tattoo-Studios hat selber die Symbole Kreuz (Glaube), Herz (Liebe) und Anker (Hoffnung) auf dem Oberkörper sowie Jesus mit Dornenkrone. "Das waren früher vor allem Seeleute, die sich die Symbole auf den Körper tätowieren ließen. Sie glaubten wohl, dass sie sich so vor den Gefahren der Seefahrt schützen konnten", meint der 34-Jährige.

Lange waren Tätowierungen negativ belegt
Tattoos gibt es schon seit Jahrtausenden. Ob sie nun als Schönheitsbemalungen aufgetragen oder als Stammeszugehörigkeits-Symbole in die Haut eingeritzt wurden. Auch die Kreuzfahrer stachen sich Erkennungsmerkmale, um im Falle des Todes ein christliches Begräbnis zu bekommen. Und die ägyptischen Christen, die Kopten, sind bis heute stolze Tattoo-Träger. Ganz anders wurden Tätowierungen von den Nationalsozialisten eingesetzt. Sie ritzten Juden und anderen KZ-Insassen eine Nummer in die Haut, um sie identifizieren zu können. Ein lebenslanges Zeichen der Unterdrückung und der Gräueltaten für die Überlebenden der Konzentrationslager.

Über Jahrzehnte hinweg waren Tätowierungen hierzulande eher negativ belegt, als Zeichen sozialer Randgruppen: Rockergruppen, Angehörige von Großstadt-Gangs, Hooligans oder Strafgefangene trugen Tattoos. Seit einigen Jahren ist das anders geworden. Tattoos sind "in", ihre charakteristischen Ornamente finden sich auf Fotografien in Modezeitschriften, auf CD-Hüllen und Werbeplakaten und schmücken als echte Körperzeichen Arme, Schultern und Rücken prominenter Leute wie Sänger Robbie Williams und Britney Spears, Schauspieler Julia Roberts und Johnny Depp. Auch bei der vergangenen Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika zeigten viele Spieler religiöse Motive als Tattoos. Jerome Boateng etwa hat sich die betende Jungfrau auf den linken Unterarm tätowieren lassen, der für England spielende Wayne Rooney trägt auf der linken Schulter ein Georgskreuz, auch Symbol für England.

Während Tätowierungen früher oft nur an verdeckten Stellen des Körpers getragen wurden, haftet ihnen heute nicht mehr das Schmuddel-Image an. Für die 26 Jahre alte Sabrina Meier aus Köln ist es ganz selbstverständlich, dass sie sich den Namen "Jesus" auf ihren linken Unterarm hat stechen lassen. "Es stimmt schon, dass das wehtut, aber Jesus hatte viel mehr zu erdulden", betont die gläubige Protestantin. Ihre Freundin Jessica hat sich vor einigen Monaten eine Madonna auf die rechte Schulter tätowieren lassen. "Ich stehe zum Tattoo und zu meinem Glauben. Das kann und darf jeder sehen", sagt die junge Frau.

Auch die Kirchen entdecken Tattoos
Auch die Kirche selbst hat inzwischen Tattoos entdeckt und setzt sie werbewirksam ein. Die am Hamburger Hafen gelegene St. Pauli Kirche etwa hat ein abwaschbares "Glaubens-Tattoo" aufgelegt: Ein Kreuz, ein Herz und ein Anker als Zeichen für Glaube, Liebe und Hoffnung. "Das Glaubens-Tattoo steht dafür, dass die christliche Botschaft unter die Haut geht, indem sie Menschen nahe kommt und sie berührt", heißt es aus der Gemeinde. Tattoos in Form von Abziehbildern sind nicht zuletzt bei Kindern und Jugendlichen sehr beliebt.

So komme man mit den Kindern und Jugendlichen auch über den Glauben ins Gespräch, betonen die Verantwortlichen. Für den 38 Jahre alte Christoph Becker aus Wuppertal, der einen Rosenkranz auf dem rechten Handrücken trägt, käme ein abwaschbares Tattoo allerdings nicht infrage. "Ich kann und will meinen Glauben nicht verstecken", sagt der Industrie-Kaufmann, der stolz ist auf "die Wiedergeburt" religiöser Tätowierungen. In den USA zeigen laut Becker inzwischen rund 25 Prozent aller Tattoos religiöse Symbole.