Andreas Rossmann schreibt über Köln und den Dom

"Die Wucht am Rhein"

Die Mehrheit der Dom-Besucher kommt nicht aus Glaubensgründen. Doch wofür steht der Dom dann noch? In seinem Buch "Das kann nur Köln sein" hat Andreas Rossmann seine Texte aus 30 Jahren als FAZ Redakteur veröffentlicht.

Graues Wetter am Kölner Dom  / © Oliver Berg (dpa)
Graues Wetter am Kölner Dom / © Oliver Berg ( dpa )

Köln ist eine Herausforderung. Die Kölner sind stolz auf ihre Stadt und auch auf sich selbst – ohne Hemmungen sehen sie sich als Nabel der Welt. 1841 schrieb schon August Wilhelm Schlegel in seinem Gedicht "An die Kölner": "Ihr habt wohl nie aus euren dumpfen Mauern / Auf Deutschland und Europa rings geblickt: / Wie könnte sonst der leere Stolz noch dauern / Auf solch ein Bruchstück, ärmlich ausgeflickt?" Andreas Rossmann schickt seinem Buch "Das kann nur Köln sein" die Verse von Schlegel voraus.

Die Stadt Köln ist ein Flickwerk

Der langjährige Kulturredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und gebürtige Karlsruher lebt in Köln, trinkt aber kein Kölsch und hat sich einen nüchternen Blick auf die Stadt bewahrt. In seinem Buch zieht er ein Resümee seiner Berichterstattung aus mehr als dreißig Jahren FAZ-Redakteur. "Vor dem Krieg war Köln eine sehr gut gestaltete Stadt", erzählt Rossmann im DOMRADIO.DE Interview. "Die Bausünden resultieren weitgehend durch den schnellen Wiederaufbau. Diese Hand-in-den-Mund-Mentalität hat sich vielleicht immer weiter durchgesetzt und fortgeschrieben".

Rossmann wirft einen kritischen Blick auf die Bausünden der Stadt. Er kritisiert den Neubau der Domschatzkammer als "Geschwürfel" oder den Standort der "plumpen Kopie" der Turmspitze, der Kreuzblume, die vor dem Dom die Sichtachse auf die Kathedrale versperrt und den minimalistischen "Taubenbrunnen" des Bildhauers Matare "förmlich erschlägt". Aber Rossmann krittelt nicht nur herum. Er schwärmt auch, zum Beispiel über "die Kunst der Fugenlosigkeit" in Peter Zumthors Kolumba Museum oder über eine kleine, neu gebaute Holzkirche in Köln Stammheim.

Der Dom - ein architektonisches Wunderwerk

Wofür steht der Dom heute? Diese Frage stellt Rossmann in dem Text "Die Wucht am Rhein". "Heute geht nur noch eine Minderheit der Dombesucher zum Gottesdienst in den Dom", sagt Rossmann. "Er ist der meistbesuchte Ort Deutschlands. Sechs bis sieben Millionen Besucher im Jahr". Doch was bedeutet der Dom den Menschen, die ihn heute besuchen? Wofür steht der kolossale Geselle, wie der Dichter Heinrich Heine den Kölner Dom nannte.

"1248 wurde der Grundstein als Gotteshaus gelegt. Er ist zugleich ein architektonisches Wunderwerk. Er ist die größte Kirche diesseits der Alpen", erklärt Rossmann. In der Geschichte habe der Dom ganz verschiedene Bedeutungen aufgetragen bekommen. Die Kathedrale habe zum Beispiel für die Einheit der Nation Deutschland gestanden, als sie im 19. Jahrhundert mit finanzieller Hilfe der protestantischen Preußen vollendet worden sei. "Es ist ja auch nicht ohne Ironie, dass es die Protestanten waren, die die Domvollendung vorangetrieben haben. Schon dadurch steht der Dom natürlich auch für die Einheit der christlichen Religionen", sagt Rossmann. Ansonsten sei der Kölner Dom heute frei von jeglichen Ansprüchen und damit autonom und selbstständig und kann nicht mehr in Besitz genommen und instrumentalisiert werden.   

Der Streit um das Richter-Fenster

Viel gibt es zu entdecken im Buch von Rossmann – und auch neues zu erfahren. Da erzählt er, wie Kardinal Meisner mit dem Dompropst über den Entwurf des Domfensters von Gerhard Richter gestritten hat. Dem Kölner Kardinal war das Richter-Fenster aus 11tausend bunten Glasquadraten zu abstrakt, er wollte ein figürliches Fenster. Rossmann hat recherchiert, dass es diesen Streit schon vor über 700 Jahren gegeben hat. Figürliche Bibeldarstellungen seien damals für die Hohe Geistlichkeit zu vulgär und volkstümlich gewesen, im Chorraum habe es so Entwürfe für bildlose, deutungsoffene Fenster gegeben. Darüber sei schon damals eine heftige Diskussion entbrannt. "Insofern ist es interessant, dass 700 Jahre später diese Diskussion oder dieser Streit, diese Frage, die ja auch die Kunst im Christentum begleitet, sich virulent gestellt hat", sagt Rossmann.   

"Glossar" nennt der ehemalige FAZ-Redakteur sein Köln-Buch im Untertitel. Das ist insofern berechtigt, als dass viele seiner Texte unterhaltsame und informative Glossen sind. Zum Beispiel der Artikel mit der Überschrift "Verrufnummer 1 7 9 4. Woran jedes Telefonat mit der Hohen Domkirche erinnert". Der Hintergrund: 1794 marschierte die französische Revolutionsarmee in Köln ein und entweihte den Dom als Futterstall für die Pferde. 1 7 9 4, vor jeder Durchwahl, ist auch die Rufnummer der Domkirche. "Ist das ein Zufall?", fragte sich der FAZ Redakteur Rossmann und erfuhr, dass nicht etwa die Telekom, sondern ein leitender Angestellter der Domkirche diesen Scherz ausgeheckt hat. Als Ausdruck gewachsener Souveränität segnete der Dompropst die bedeutungsschwangere Nummer dann ab.


Andreas Rossmann / © F.A.Z.
Andreas Rossmann / © F.A.Z.
Quelle:
DR