Die Weltbank entwirft düstere Krisen-Szenarien für Entwicklungsländer

Mit voller Wucht

Die Weltbank schlägt Alarm: Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg droht die gesamte Weltwirtschaft zu schrumpfen, warnen die Ökonomen in einer am Sonntag veröffentlichten Studie. Die Industrieproduktion bricht in diesem Jahr um bis zu 15 Prozent ein. Der Welthandel steht vor seinem stärksten Rückgang seit 80 Jahren. Die Krise trifft auch die Entwicklungsländer mit voller Wucht.

Autor/in:
Elvira Treffinger
 (DR)

Die armen Länder driften laut Weltbank in eine extreme Kreditklemme, weil sie von Privatbanken kaum noch Geld bekommen. Ein Fehlbetrag zwischen 270 bis 700 Milliarden US-Dollar tut sich auf. Nur ein Viertel der anfälligsten Staaten habe eigene Mittel, um durch Arbeitsbeschaffungsprogramme oder soziale Sicherheitsnetze einen Anstieg der Armut zu verhindern, warnt die Weltbank.

Der Chef-Ökonom der Weltbank, Justin Yifu Lin, fordert ein Rettungspaket für die Ärmsten. Die reichen Länder sollten einen Teil ihrer Konjunkturprogramme auf Entwicklungsländer ausrichten: Dort könnten Engpässe, die das Wachstum abschnüren, beseitigt und die Nachfrage rasch wieder angekurbelt werden. Eine bestimmte Summe an Staatsmitteln dürfte in armen Ländern mehr Wirkung entfalten als in reichen, meint Lin.

Weltbankpräsident Robert B. Zoellick drängt zu gemeinsamem Handeln. "Diese globale Krise bedarf einer globalen Lösung", mahnt der US-Amerikaner und verweist auf die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen dem armen und dem reichen Teil des Globus. "Eine ökonomische Katastrophe in Entwicklungsländern zu verhindern, ist wichtig für die weltweiten Bemühungen, die Krise zu überwinden."

Zoellick fordert Investitionen in Sicherheitsnetze, Infrastruktur, kleine und mittlere Unternehmen. Somit sollen Arbeitsplätze geschaffen werden, um soziale und politische Unruhen zu verhindern.
Zoellick richtet seinen Appell an die Gruppe der 20 wichtigsten
Industrie- und Schwellenländer (G-20). Deren Finanzminister treffen am Samstag in Großbritannien zur Vorbereitung eines G-20-Gipfels am 2. April in London zusammen.

Laut der Weltbank-Studie geht in 94 von 116 untersuchten Entwicklungsländern das Wirtschaftswachstum zurück. Ein wichtiger Grund ist der Fall der Rohstoffpreise. 43 dieser Länder haben eine hohen Armutsrate. Bisher treffe die Krise vor allem die dynamischsten Wirtschaftszweige, vor allem Exportfirmen in städtischen Gebieten, aber auch den Bau, den Bergbau und die Industrie, heißt es.

Kambodscha hat den Angaben zufolge bereits 30.000 Jobs in der Textilfabriken verloren. Mehr als 500.000 Stellen verschwanden im letzten Quartal 2008 in Indien, etwa in den Branchen Juwelen und Schmuck, Autos und Bekleidung. In China verloren rund 20 Millionen Wanderarbeiter ihre Jobs. Das ist ein Sechstel des Arbeitsheers, das vom Land in die Städte zog.

In der Krise wächst die Abhängigkeit der Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas von Entwicklungshilfe. Dabei sind die Geberländer mit ihren Versprechen vom G-8-Gipfel 2005 um 39 Milliarden Dollar im Rückstand. Damals sagten die Staats- und Regierungschefs der acht wichtigsten Industrienationen zu, die Hilfe bis 2010 um rund 50 Milliarden zu erhöhen.

Nach einer Studie der Asiatischen Entwicklungsbank hat die Finanzkrise 2008 bereits weltweit Vermögenswerte in Höhe von 50 Billionen Dollar vernichtet. Allein in Asien betrage der Verlust 9,6 Billionen, was etwa der Wirtschaftsleistung eines Jahres entspreche.

Düstere Prognosen gibt es auch zu Afrika. Der Internationale Währungsfonds (IWF) ermittelte einen zusätzlichen Kreditbedarf in Höhe von mindestens 25 Milliarden Dollar für die schwächsten 22 Länder. Der Fehlbetrag könnte aber rasch auf 140 Milliarden steigen, warnte IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn.

Nach einer Analyse der entwicklungspolitischen Organisationen erlassjahr.de und Kindernothilfe droht sieben afrikanischen Staaten bereits die Zahlungsunfähigkeit. Dazu gehören Benin, Burundi, Liberia, Mosambik und Niger. Weitere sechs Länder in Afrika weisen ein hohes Risiko für einen Staatsbankrott auf. In Ruanda haben sich die Nahrungsmittel- und Energiepreise zum Beispiel vervierfacht.

In dieser Situation finden die Rufe nach einem Weltwirtschaftsrat mehr Gehör. Die unter anderem von Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) geäußerte Forderung will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dem G-20-Gipfel unterbreiten.