Die tunesische Textilindustrie hat ihre Schattenseiten

Ein schmutziges Geschäft?

Jeans sind die Spezialität der tunesischen Textilindustrie. Ihre Exporte bringen dringend benötigte Devisen ins Land. Doch Kritiker beklagen Mängel bei Umweltschutz und Arbeitsrechten.

Autor/in:
Sarah Mersch
Jeans-Herstellung / © Shutterstock (shutterstock)

Stolz verkündete der tunesische Industrieminister Slim Feriani vor kurzem die jüngsten Zahlen aus der Textilbranche. Allein durch die Produktion von Jeans hat sein Land 2018 mehr als 1,3 Milliarden Dinar (rund 406 Millionen Euro) Devisen eingenommen. Rund 500 Firmen stellen dort die beliebten Hosen her, die vor allem in die Europäische Union, allen voran nach Italien exportiert werden.

Wie in vielen anderen Ländern ist auch die Textilindustrie in Tunesien ein Billiglohnsektor, in dem vor allem ungelernte Arbeiterinnen und Arbeiter beschäftigt werden. Auch wenn die Produktionskosten höher sind als zum Beispiel in Südostasien, ist die geografische Nähe zu Europa doch ein großer Vorteil.

Wichtiger Wirtschaftszweig

Trotz eines massiven Einbruchs Anfang der 2000er Jahre ist die Textilindustrie in Tunesien nach wie vor eine wichtige Wirtschaftsbranche, die rund fünf Prozent des Bruttoinlandproduktes erwirtschaftet - und das, obwohl es sich bei der überwiegenden Mehrheit um reine Offshore-Betriebe handelt, die von Steuererleichterungen profitieren, aber kaum Wertschöpfung in Tunesien erbringen.

Allein im Januar 2019 exportierte Tunesien Textilien im Wert von rund 707 Millionen Dinar (rund 217 Millionen Euro). Rund 174.000 Menschen sind in den mehr als 1.600 Fabriken angestellt, rund ein Drittel der tunesischen Industrie-Beschäftigten. Der Sektor steht regelmäßig in der Kritik, vor allem wegen der Arbeitsbedingungen und der Auswirkungen auf die Umwelt.

Zu wenig für die Familien 

Denn immer wieder werde in der Branche geltendes Arbeitsrecht nicht eingehalten, werfen nichtstaatliche Organisationen den Betrieben vor. Der Mindestlohn reiche oft kaum, um eine Familie zu ernähren. Mehr als 80 Prozent der Angestellten sind Frauen, viele haben nur ein geringes Bildungsniveau und sind nur selten gewerkschaftlich organisiert.

Zuletzt traf die Kritik auch die deutsche Firma Leo Köhler mit Sitz im hessischen Poppenhausen, die in ihrem Werk in der nordtunesischen Stadt Bizerte Bekleidung fertigt, bis vor kurzem auch für die Bundeswehr. In einer Studie warfen die Christliche Initiative Romero (Münster) und die tunesische Organisation FTDES im Herbst 2018 der Firma vor, die Rechte der Beschäftigten zu verletzen. So würden den Angestellten, die einen Monatslohn von rund 350 bis 450 Dinar (rund 107 bis 125 Euro) erhielten, gesetzlich vorgeschriebene Boni nicht ausgezahlt. Auch die sanitären Anlagen wurden beanstandet.

"Keine Beanstandungen"

Die Firma Leo Köhler sagt wenig dazu. Geschäftsführer Andreas Koch-Bleichrodt teilte dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit, dass aufgrund der Studie das Bekleidungsmanagement der Bundeswehr zusammen mit dem TÜV Rheinland ein Audit in dem Werk in Tunesien veranlasst habe. "Hier gab es keine Beanstandungen. Lediglich eine Empfehlung über eine Anschaffung eines Kühlschranks für die Mitarbeiter", erklärte Koch-Bleichrodt. Zu weiteren Fragen äußerte er sich nicht.

Eine Sprecherin des Bundesverteidigungsministeriums sagte, der Vertrag mit der Firma sei Ende 2018 regulär ausgelaufen. Darüber hinaus vereinbare das Ministerium mit allen Zulieferern die Einhaltung eines Verhaltenskodex'. "Darin werden die Lieferanten zur Beachtung und Einhaltung von Vorschriften und Standards - insbesondere der Konventionen und Menschenrechtserklärungen der Vereinten Nationen und der Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) - verpflichtet."

Abwässer in Flüsse und Meer 

In Tunesien werden der Textilindustrie auch Umweltschäden angelastet. In der Region Monastir, einem Zentrum der Branche rund zweieinhalb Autostunden südlich von Tunis, leiten viele Firmen Abwässer mit Schwermetallen und Chemikalien ungeklärt in Flüsse und ins Mittelmeer, wie FTDES-Koordinator Mohamed Gaaloul kritisiert. Ob die Firmen sich an die umweltrechtlichen Vorschriften halten, werde viel zu selten kontrolliert.

Rund neun Millionen Jeans werden pro Jahr in der Region produziert. Um den hohen Wasserbedarf bei der Produktion zu decken, bohrten Unternehmen illegale Brunnen, um Grundwasser zu entnehmen, sagt Gaaloul. Leidtragende seien Landwirte und Bewohner in der trockenen Region, in der die Wasserversorgung immer wieder ausfällt.


Quelle:
epd