Die Todesstrafe in den USA wird seltener

Bemerkenswerte Zahl

Wenige Tage vor Jahresende ist in den USA eine bemerkenswerte Zahl publik geworden. Das Besondere ist ihre Zweistelligkeit: Bislang wurden 2011 von US-Gerichten 78 Straftäter zum Tode verurteilt. Seit der Wiedereinführung der Todesstrafe 1977 liegt damit diese Zahl wieder unter 100 liegt. Das hat mehrere Gründe.

Autor/in:
Ronald Gerste
 (DR)

Die höchste Zahl von Todesurteilen - 315 - hatte es 1996 gegeben. Wie die Organisation "Death Penalty Information Center" in Washington mitteilte, geht der Rückgang Hand in Hand mit einer zurückhaltenderen Strategie vieler Bundesstaaten bei der Vollstreckung von Todesurteilen. 2011 wurde die Todesstrafe bislang 43 mal vollstreckt: ein leichter Rückgang gegenüber dem vorigen Jahr mit 46 Hinrichtungen. Im Vergleich mit dem Jahr der meisten Hinrichtungen in der jüngeren US-Geschichte, 1998, als insgesamt 98 Gefangene exekutiert wurden, hat sich die Zahl mehr als halbiert.



Wie in den vergangenen Jahren führt abermals Texas die Statistik an. Dort wurden 2011 bislang 13 Personen hingerichtet. Außer Texas sind besonders die Staaten Virginia und Oklahoma Hochburgen der Kapitalstrafe. In diesen drei Staaten wurden mehr als die Hälfte der seit 1977 hingerichteten 1.277 Strafgefangenen exekutiert.



Morde sind deutlich seltener geworden

Der Rückgang der Todesstrafe hat mehrere Gründe. Zum einen ist die Befürchtung, möglicherweise einen Unschuldigen hinzurichten, bei einem irreversiblen Akt wie dem Giftspritzen oder dem Gang in die Gaskammer stets ein Faktor, der die Strafjustiz mancherorts zögern lässt. Die jüngsten Fortschritte in der DNA-Analyse haben wiederholt lange zurückliegende Verbrechen aufklären und unschuldig Einsitzende entlasten können.



Zum anderen sind die Verbrechensraten in den USA insgesamt rückläufig, von kleinen Schwankungen abgesehen. Morde sind deutlich seltener geworden. Für 2008 registrierte die Zensusbehörde 16.727 Morde und Totschlagsdelikte, was einer Quote von 5,4 auf 100.000 Einwohner entspricht. 1980, unter Präsident Jimmy Carter, ließen bei deutlich geringerer Bevölkerung 23.040 Menschen durch eine Gewalttat ihr Leben - eine Mordrate von 10,2.



Zum Teil mag der drastische Rückgang auch auf lebenslange Haft ohne Aussicht auf Begnadigung zurückzuführen sein. Die überfüllten US-Gefängnisse tragen zweifellos zu höherer Sicherheit der Bevölkerung bei. Und letztlich: Zum Tode Verurteilte sind wesentlich teurer als "Lebenslängliche". Die oft mehrfachen Revisionsverfahren stellen eine Budgetbelastung dar, auf die man in Zeiten der Wirtschaftskrise gern verzichten würde.



Grundsätzliche Zweifel

Neben solchen pragmatischen gibt es auch grundsätzliche Zweifel an der Todesstrafe. Der Gouverneur von Illinois, der Demokrat Pat Quinn, nannte das auf der Todesstrafe basierende Justizsystem "schwer angeschlagen" - und unterzeichnete im März ein Gesetz, das sie in seinem Bundesstaat abschaffte. In Kalifornien sollen die Bürger 2012 in einem Referendum über eine Abschaffung entscheiden.  Der "Golden State" hat seit fast sechs Jahren niemanden mehr hingerichtet. Mit 720 Insassen ist die kalifornische "Death Row", der Gefängnistrakt für zum Tode Verurteilte, der größte in den USA. Landesweit sind insgesamt 3.200 Täter zum Tode verurteilt.



Im beginnenden Präsidentschaftswahlkampf dürfte das Thema Todesstrafe jedoch keine Rolle spielen. Kaum ein Politiker wird sich allzu offen gegen sie aussprechen, da zu schnell der Vorwurf droht, man sei "soft on crime": zu weich gegenüber Verbrechern. Zu den Kandidaten gehört, wenn auch mit derzeit gesunkenen Chancen, der hinrichtungsfreudige Gouverneur von Texas, Rick Perry. Und ohnehin steht der Präsident bei der Todesstrafe eine Stufe über der Debatte.  Die Frage einer Begnadigung oder zumindest einer Aussetzung von Hinrichtungen obliegt dem Gouverneur eines Bundesstaates.