Die Stadt Guben erinnert sich zehn Jahre nach der Hetzjagd auf einen Flüchtling nur ungern

"Das wird alles aufgebauscht"

Der Tatort in Guben ist längst beseitigt. Der Plattenbau, an dessen Eingangstür sich der Algerier Farid Guendoul am 13. Februar 1999 auf der Flucht vor Neonazis schwer verletzte und dann verblutete, wurde im Rahmen eines Stadtumbauprogramms abgerissen. Heute jährt sich der Tod des 28-jährigen Flüchtlings zum zehnten Mal.

Autor/in:
Yvonne Jennerjahn
 (DR)

Unscheinbar, klein und grau liegt der Stein an einer Straßenecke am Rand weitläufiger hügeliger Rasenflächen, die von langen Plattenbauten unterbrochen werden. Ein bisschen Efeu wächst drum herum und ein paar Grasbüschel, dazwischen liegt der Rest einer schwarzen Schleife. Dass die Leute, die den Stein aufgestellt haben, ihn nicht pflegen, empört eine der wenigen Passantinnen, die an diesem kalten Tag unterwegs sind. "Das verkrautet alles", sekundiert ihr Mann.

Zu den Ereignissen vor zehn Jahren wollen sie nichts sagen. "Das wird alles aufgebauscht", sagt der Mann noch. "Was wirklich war, weiß ja keiner." Eine Großmutter schiebt ihr Enkelkind im Kinderwagen die Straße entlang. "Gutheißen tu ich es nicht, aber man muss es auch irgendwann vergessen können", sagt sie. "Alles dreht sich um den", beschwert sich eine andere Frau, die ihren Hund spazieren führt. "Je mehr das aufgebauscht wird, desto grantiger werden die Leute."

"Die Lage ist eigentlich immer noch schwierig"
Die Worte der Anwohner bestätigen die Einschätzungen der Fachleute. "Die Lage ist eigentlich immer noch schwierig", fasst der Leiter der Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus in Brandenburg, Dirk Wilking, seine Eindrücke von Guben zusammen. "Die Auseinandersetzung mit der Tat läuft nur sehr zögerlich ab." In bestimmten Milieus werde die tödliche Hetzjagd noch immer nicht als Untat wahrgenommen. "Im Viertel stimmen 80 bis 90 Prozent der Interpretation der NPD zu." Und die stellt den Tod des Algeriers als "Klamotte" dar und diffamiert den Toten als "Drogendealer", der von niemandem gejagt worden sei.

Bei den Kommunalwahlen 2008 hat die rechtsextreme Partei in der 20.000-Einwohner-Stadt an der deutsch-polnischen Grenze rund 4,3 Prozent der Stimmen und damit einen Sitz im Stadtparlament bekommen.
Derzeit nichts Besonderes für eine Stadt dieser Größe, sagt der Potsdamer Politologe Christoph Kopke dazu. Im Viertel, in dem Farid Guendoul starb, waren es fast sechs Prozent, rechnet der Stadtwahlleiter vor.

Das Landgericht Cottbus verhängte gegen mehrere junge Männer aus der Neonazi-Szene wegen des Todes des Algeriers Bewährungs- und Haftstrafen von bis zu drei Jahren. Einer der Rechtsextremen, der als Haupttäter der Hetzjagd wegen versuchter Körperverletzung mit Todesfolge zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde, ist für die NPD bei den Wahlen angetreten. Erfolg hatte er nicht.

Nur eine Minderheit setzt sich für ein aktives Gedenken ein
"Es ist immer noch weit verbreitet, die Stadt und sich selbst als Opfer zu empfinden und das Leid der Betroffenen nicht wahrzunehmen, bis hin zum Bürgermeister", sagt Gesa Köbberling vom Verein Opferperspektive. "Gleichzeitig ist die rechtsextreme Szene in Guben weiter sehr präsent." Nur eine Minderheit setzt sich für ein aktives Gedenken ein, erzählt sie. "Den Engagierten ist klar, dass sie sich in eine Konfrontation begeben."

Der Gubener Bürgermeister Klaus-Dieter Hübner (FDP) will sich zurzeit nicht öffentlich zu dem Thema äußern. Zum Todestag hat er eine Erklärung abgegeben, die auf Anfrage herausgegeben wird. "Was vor zehn Jahren in Guben passiert ist, bedauere ich außerordentlich", schreibt er darin. Und: "Ein Vorfall dieser Art darf aber auch nicht dazu führen, dass die Bevölkerung einer ganzen Stadt über Jahre hinweg stigmatisiert und angeprangert wird."

"Wer Fremde jagt, als Mensch versagt"
Einer von denen, die sich für die Erinnerung an das Opfer der Hetzjagd engagieren, ist der evangelische Pfarrer Michael Domke. Ein "großer Schreck" sei das damals gewesen, als er von dem Tod des Flüchtlings gehört hat, erzählt er. "Wer Fremde jagt, als Mensch versagt", malte er danach auf ein Schild für eine Kundgebung, zu der auch der damalige Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) anreiste. Auch mit seinen Konfirmanden und Religionsschülern griff er das Thema auf, er will es den Rechtsextremen schwer machen, Jugendliche zu rekrutieren.

Michael Domke gehört auch zu der Initiative, die für 2009 in Guben ein "Jahr der Mahnung" ausgerufen hat. Auch die Stadt hat zwei Vertreter in das Bündnis geschickt. Am Freitag soll das Mahnjahr beginnen, mit einer Gedenkminute, Glockenläuten, einem Trauerzug mit Kerzen und einer 24-stündigen Mahnwache Jugendlicher am Gedenkstein. "Es ist erstmal gut", sagt der evangelische Pfarrer, "dass es nicht vergessen ist."