Die Situation der Christen in Syrien wird unterschiedlich beurteilt

Tumulte in Hamburg

Seit Monaten blickt die Welt fassungslos nach Syrien, wo das Regime Assad mit großer Härte gegen die Proteste seiner Bürger vorgeht. In der katholischen Akademie in Hamburg war die Lage in dem Land am Montagabend Thema. Deutlich wurde hier der Dissens in der Beurteilung der Situation der Christen.

 (DR)

Bei einer Podiumsdiskussion in der Katholischen Akademie in Hamburg über Syrien ist es am Montagabend zu tumultartigen Szenen gekommen. In dem Saal mit mehr als 200 Teilnehmern wurden die Redner immer wieder durch Zwischenrufe und Pfiffe unterbrochen. Syrische Zuhörer griffen die Referenten scharf an, darunter den Nahost-Experten Udo Steinbach, den syrisch-orthodoxen Erzbischof von Aleppo, Mor Gregorios Yohanna Ibrahim, sowie den Sprecher des Syrischen Nationalrates in Kairo, Bassam Ishak. Akademiedirektor Stephan Loos drohte einem Zuhörer, ihn des Saales zu verweisen.



Auch auf dem Podium gingen die Wogen der Erregung hoch. Die beiden syrischen Gäste griffen sich scharf an, wobei ein tiefer Dissens in der Beurteilung der Lage in ihrer Heimat deutlich wurde. Der Erzbischof von Aleppo verwies darauf, dass die Christen und andere Minderheiten von der Regierung Assad toleriert würden. "Wir werden nicht verfolgt", sagte er. "Ich bezweifle, dass mir irgendjemand ein Beispiel für ein Land nennen kann, in dem eine größere religiöse Toleranz herrscht als in Syrien."



Der Sprecher des Syrischen Nationalrates widersprach dieser Darstellung vehement. Die Christen in Syrien seien grausamer Verfolgung ausgesetzt, so Ishak, "Sie werden vor allem ökonomisch unterdrückt und isoliert, zum Beispiel über den Zugang zu Land und zu Arbeitsplätzen.



Erzbischof gegen Intervention von außen

Der Menschenrechtsbeauftragte des Hilfswerkes missio, Otmar Oehring, verwies auf syrische Ängste vor einem Machtvakuum, das sich bestimmte Kräfte wie die Muslimbrüderschaft zunutze machen könnten. Im Irak hätten Kämpfer aus Afghanistan in dem Land für Unruhe und Chaos gesorgt hätte. "Dennoch ist es nicht akzeptabel, dass viele Kirchenleute, auch aus dem katholischen Bereich, das Regime von Assad loben und preisen", sagte Oehring.



Steinbach betonte, dass in Syrien nur ein Teil der Gesellschaft hinter der Revolte stehe. Die Befürchtungen seien groß, dass islamistische Kräfte die Macht ergreifen könnten. Die Muslimbrüder seien aber keine radikalen Islamisten.



Der Erzbischof von Aleppo betonte, dass die Christen in Syrien "voll und ganz alle friedlichen Demonstrationen und Proteste unterstützen und Reformen auf allen Ebenen verlangen". Er verwahre sich aber gegen jede Intervention von außen: "Wir brauchen keine Einmischung von irgendjemand." Der Geistliche warnte vor einem Bürgerkrieg: "Es wäre möglich, dass Syrien zum zweiten Libanon nach 1975 wird."