Die Schweiz streitet über Kreuze in öffentlichen Gebäuden

«Kruzifix bleibt»

Fast ein Jahr nach dem Schweizer Volksentscheid zum Bauverbot von Minaretten kocht in der Alpenrepublik der Streit um Kreuze in öffentlichen Gebäuden hoch. Vertreter der Christlichdemokratischen Volkspartei kündigten am Wochenende an, sie wollten "christlich-abendländische Symbole unter den Schutz der Bundesverfassung" stellen. Auch die Gegenseite macht mobil.

Autor/in:
Christoph Arens
Der Kirche wichtig: Das Kreuz in der Schule (epd)
Der Kirche wichtig: Das Kreuz in der Schule / ( epd )

Auf Bundesebene soll es eine parlamentarische Initiative geben, wie Nationalrätin Ida Glanzmann mitteilte. Andererseits ist auch ein entsprechender Antrag im Kanton Luzern geplant. Dass die Kreuzfrage zur nationalen Sache werden soll, bestätigte CVP-Parteipräsident Christophe Darbellay. Er äußerte die Befürchtung, nicht nur das Kreuz, sondern auch die Bibel, der Weihnachtsbaum oder das Schweizer Kreuz seien in Gefahr. "Die Freidenker werden einmal das Streichen des Schweizer Kreuzes auf der Fahne beantragen", wird der Parteichef von den Medien zitiert. Deshalb sei Vorbeugung angezeigt. "Die Verfassung ist der richtige Weg, um unsere christlich-abendländische Kultur zu schützen."



Im Kanton Luzern war kürzlich eine Petition für den Erhalt von Kreuzen und Kruzifixen auf den Weg gebracht worden. Hinter der Aktion "Kruzifix bleibt" stehen Politiker der CVP, der Jungen CVP und der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei SVP, die sich führend an der Volksabstimmung über das Minarettverbot beteiligt hatte. Die Petition verlangt von Behörden, dass bestehende Kruzifixe und Kreuze in öffentlichen Gebäuden und Schulen hängen bleiben und neu aufgehängt werden dürfen. Das Kreuz sei ein wesentliches Symbol der eigenen Geschichte, Identität und Kultur.



Verbot von Gipfelkreuzen gefordert

In der vergangenen Woche hatte die Schweizerische Freidenker-Vereinigung ein Verbot von Gipfelkreuzen in der Alpenrepublik gefordert. Überall dort, wo sich der Staat repräsentiere, müssten religiöse Zeichen entfernt werden, verlangte der Verband. Das gelte auch für Kreuze in Krankenhäusern oder Schulen.



Kruzifixe in Klassenzimmern hatten in den vergangenen Wochen für Schlagzeilen gesorgt. In Stalden wurde ein freidenkerischer Lehrer entlassen, der im Schulzimmer die Kreuze abhängte. In Triengen störte sich der Vater zweier Schüler an den Kruzifixen im Schulzimmer. Daraufhin wurden die Kruzifixe, die Jesus am Kreuz hängend zeigen, von den Behörden durch einfache Kreuze ersetzt. Der Vater wollte sich damit nicht abfinden und den Fall bis vor Bundesgericht bringen. Später teilte er mit, er werde die Schweiz verlassen, weil er Morddrohungen erhalten habe.



Streit um Kreuze in öffentlichen Gebäuden gab es in den vergangenen Jahren immer wieder auch in Deutschland und zuletzt in Italien. Mit großer Spannung erwartet wird ein Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs um Kruzifixe in italienischen Schulen. Im November 2009 hatte eine aus sieben Richtern bestehende "Kleine Kammer" des Gerichts einer Klägerin Recht gegeben, die sich gegen Kreuze an öffentlichen Schulen in Italien gewandt hatte. Ihrer Ansicht nach verstoßen die Kreuze gegen die Religionsfreiheit. Im Juni verhandelte die Große Kammer des Gerichts den Fall. Wann ihr Urteil ergeht, ist offen. Die Entscheidung dürfte weitgehende Auswirkungen auf ganz Europa haben. Ein Einspruch ist nicht mehr möglich.