Die Schauspielerin und zweifache Oscar-Preisträgerin Luise Rainer wird 100 Jahre alt

"Hollywood verändert alles"

Im Londoner Nobelviertel Belgravia, wo die britische Kultur- und Politprominenz sich gern ansiedelt, begeht der "unberühmteste deutsche Hollywood-Star" am Dienstag den 100. Geburtstag. Es ist die Schauspielerin Luise Rainer - die einzige deutsche Schauspielerin, die je einen Oscar gewann.

Autor/in:
Bettina Thienhaus
 (DR)

Luise Rainer kann mit weiteren Superlativen aufwarten: Sie war die erste Darstellerin, die die begehrte Auszeichnung zweimal in Folge gewann und ist die älteste noch lebende. Als vor ein paar Jahren bei einem Umzug ein Möbelpacker die Statuette sehnsuchtsvoll beäugte, schenkte sie sie ihm kurzerhand.
Doch die Reue folgte auf dem Fuße, erzählte sie in einem Interview: «Ich habe in Hollywood angerufen. Die Academy hat sofort einen neuen Oscar geschickt.»

Eigenwillig war Rainer schon als Jugendliche. In Düsseldorf am 12. Januar 1910 in eine großbürgerliche jüdische Familie geboren, erkämpfte sie sich gegen den Willen des Vaters eine Theaterausbildung. Mit 16 Jahren sprach sie bei Max Reinhardt vor, vergeblich. Aber schon wenige Jahre später holte der Theatermann sie in sein Ensemble. Die elfenhafte Brünette mit den träumerischem Augen und dem sinnlichem Mund hatte das Zeug zum Star.


Flucht vor Hitler nach Hollywood
Ein Hollywoodscout entdeckte Luise Rainer 1935 auf der Bühne des Wiener Volkstheaters und bot ihr einen Siebenjahresvertrag bei MGM an, jenem Studio, das im Hollywood der 30er Jahre der Inbegriff für Glanz und Glamour war. Rainer hatte zwar schon beim deutschen Film Fuß gefasst. Doch die Bedrohung durch das Hitlerregime bestärkte sie in ihrem Entschluss, Europa zu verlassen.

Ihr Hollywood-Debüt gab Luise Rainer in «Escapade» - einem Film, von dem die «New York Times» schrieb, das einzig Bemerkenswerte an ihm sei der gelungene Auftritt von «Miss Rainer». «Der große Ziegfeld» brachte 1936 den Durchbruch und den ersten Oscar. Der Film porträtiert den legendären New Yorker Show-Produzenten Florenz Ziegfeld jr., der mit opulenten Shows Broadway-Geschichte schrieb.

Mimische Glanzleistung
Luise Rainer spielte Ziegfelds geschiedene Ehefrau Anna. Den Oscar, so heißt es, verdankt sie einer Szene: In Nahaufnahme gefilmt gratuliert Rainer ihrem Ex-Mann zur erneuten Hochzeit, todtraurig und lächelnd. Eine mimische Glanzleistung.

Im Jahr darauf folgte dann der zweite Oscar für die Verfilmung von Pearls S. Bucks Bestseller «Die gute Erde». Rainer spielte eine einfache chinesische Bäuerin, die mit ihrem Mann (Paul Muni) um eine bescheidene Existenz kämpft.

Mit «Der große Walzer» 1938 begann Rainers Auseinandersetzung mit dem Studio. Der Theaterschauspielerin war die Rolle als Johann Strauss' Ehefrau zu schlicht, wie alles was MGM für sie nach der «Guten Erde» plante. Rainer hätte gern die Nora in einer Ibsen-Verfilmung gespielt oder neben Gary Cooper die Maria in «Wem die Stunde schlägt», aber der allmächtige Studioboss Louis B. Mayer lehnte alles ab.

Engagement gegen Nazi-Deutschland
Mit ihrer Aufmüpfigkeit und ihren Ansprüchen passte die Schauspielerin nicht in das rigide Schema der Traumfabrik. Mayer habe ihr gedroht, sagt sie: «Wir haben Sie berühmt gemacht, Miss Rainer, und wir werden Sie vernichten.»

Da ging Luise Rainer. Ihr Vertrag wurde aufgelöst, sie spielte Theater in New York, und noch in zwei Filmen - nicht mehr bei MGM. Vor allem aber engagierte sie sich gegen den Faschismus in Europa. Luise Rainer half etwa Albert Einstein, europäischen Juden die Flucht in die USA zu ermöglichen. Sie schaffte es dank ihrer Prominenz sogar, ihren Vater aus dem KZ in die USA zu holen. Bei alledem bezeichnet sie sich selbst als unpolitisch: «Um gegen Hitler zu sein, muss man doch nicht politisch sein.»
YouTube hält Erinnerungen wach
Seit 1945 war Luise Rainer in zweiter Ehe mit dem britisch-schweizerischen Verleger Robert Knittel verheiratet. Das Paar lebte in der Schweiz und England, bekam eine Tochter. Bis ins hohe Alter ist Rainer sporadisch in Fernsehserien und Filmen aufgetreten, so 1984 in einer Episode von «Loveboat» und 1997 in der Dostojewski-Verfilmung «The Gambler».

Die wenigen Jahre in Hollywood, die Erfahrungen in der Traumfabrik aber waren prägend für Luise Rainer: «Hollywood verändert alles. Ich bekomme täglich wieder Fanpost. Und warum? Weil sich junge Leute Ausschnitte meiner alten Filme auf YouTube ansehen. Hollywood hält ewig.»