Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland über die Papst-Reise nach Israel und die katholisch-jüdischen Beziehungen

"Da ist einiges zu Bruch gegangen"

Das katholisch-jüdische Verhältnis hat gelitten: Unter der "Begnadigung" des Traditionalistenbischofs und Holocaust-Leugners Richard Williamson und der Neuformulierung der Karfreitagsfürbitte für die "Erleuchtung" der Juden. In wenigen Tagen reist Papst Benedikt XVI. ins Heilige Land. Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, im Interview über die Papst-Reise und den katholisch-jüdischen Dialog.

 (DR)

ddp: Wie sehen Sie denn heute mit etwas Abstand den Streit um die Piusbruderschaft?
Knobloch: Ich habe absolut keinen Abstand zum Thema Williamson. Er hatte ja 21 Tage - eine mir unverständliche Zeitspanne -, um seine Holocaust-Leugnung zu widerrufen. Diese 21 Tage sind schon längst vorbei. Eine entsprechende Aussage von Herrn Williamson, die der Vatikan dann auch veröffentlichen müsste, liegt mir nicht vor. Es ist also anzunehmen, dass Williamson bei seiner unsäglichen Holocaust-Leugnung bleibt. Mir ist die Haltung des Vatikans in dieser Angelegenheit absolut unverständlich. Ich gehe davon aus, dass der Papst bei seinem Israel-Besuch dazu Stellung nehmen wird.

ddp: Benedikt XVI. hat sich schon mehrfach zu dem Thema geäußert -schriftlich, aber auch bei Treffen mit Rabbinern. Reicht das nicht?
Knobloch: Die Meinung der jüdischen Welt ist nicht so, dass man sagen kann: Es ist alles wieder vollkommen vom Tisch. Insbesondere die Karfreitagsfürbitte der tridentinischen Liturgie mit der Bitte um die Missionierung und Erleuchtung der Juden stellt für mich eine noch größere Diskriminierung dar, als die Äußerungen des Herrn Williamson.

ddp: Sehen Sie unter Papst Benedikt XVI. Rückschritte in der Kirche?
Knobloch: Also mich hat das schon befremdet. Bei der ersten Thematik, damals in Regensburg, habe ich wirklich noch den Papst verteidigt: Ich habe seine Thesen zum Islam, über deren Folgen er sich nicht Gedanken gemacht hatte, zunächst nicht als Affront gesehen. Aber nachdem er der protestantischen Kirche abspricht, eine Kirche zu sein, und nachdem die Juden missioniert werden sollen, gibt es schon ein Thema, das noch der Klärung bedarf.

ddp: Wie sehen sie die katholisch-jüdischen Beziehungen derzeit?
Knobloch: Als diese Geschichte mit Williamson und der Piusbruderschaft aufkam, habe ich gleich gesagt, dass für mich momentan eine Dialogbereitschaft nicht gegeben ist - solange sich nicht etwas ändert oder eine deutliche Aussage von der katholischen Kirche in Deutschland kommt. Ich habe aber auch immer gesagt: momentan. Und die Kirche - außer einigen Hardlinern, die uns bekannt sind - hat sich da sehr positiv verhalten. So steht ja auch ein Gespräch mit Erzbischof Zollitsch im Raum.

ddp: Gibt es schon einen Termin dafür?
Knobloch: Es standen schon einige Termine im Raum, die sich jedoch bislang nicht realisieren ließen. Es ist nicht einfach, einen Termin zu finden, an dem alle Beteiligten Zeit haben. Auch von unserer Seite kommen natürlich mehrere Leute. Denn das ist schon ein Thema, das deutschlandweit unter der jüdischen Gemeinschaft einer Aufklärung bedarf, damit wir wieder in die Zukunft schauen können. Wie gesagt: Diese tridentinische Karfreitagsfürbitte ist etwas, was für mich unverständlich bleiben wird: Es ist mir unverständlich, warum man die Entscheidung des damaligen Papstes von 1970 jetzt geändert hat. Dieses Warum und Wieso, das kann auch ein Thema sein, das man mit Erzbischof Zollitsch bespricht.

ddp: Was erhoffen Sie sich vom Papst-Besuch im Heiligen Land?
Knobloch: Dieser Papst-Besuch wird für das Land ein enormes Interesse am Tourismus für die Zukunft wecken, was mich sehr freut. Die Plätze, an denen der Papst sich aufhalten wird, wird man dann in die Tourismusprogramme mit einbeziehen. Und das Land wird dadurch Freunde gewinnen.

ddp: Also der Papst als Werbeträger für den Tourismus in Israel?
Knobloch: Das sagen Sie. (lacht)

ddp: Das Programm der Reise sieht einen Besuch an der Klagemauer und in Yad Vashem vor, aber auch ein Treffen mit dem Präsidenten der Autonomiebehörde. Wie beurteilen Sie das?
Knobloch: Schauen Sie, der Papst besucht seine Christen, und er muss sie dort besuchen, wo sie leben. Da sehe ich kein politisches Thema.

ddp: Aber sein Besuch in der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem könnte schon ein Signal sein?
Knobloch: Der jetzige Papst hat lange Jahre mit seinem Vorgänger zusammengearbeitet, der den Holocaust selbst miterlebt und immer davon gesprochen hat, wie er das Leid und das Elend der Juden mit ansehen musste. In dieser Hinsicht bestehen beim heutigen Papst sicher keine Zweifel, das möchte ich unterstreichen. Aber: Er wird inYad Vashem, besonders wenn er in den Kinderpavillon geht, sich Gedanken machen müssen über einen Williamson und über eine Piusbruderschaft.

ddp: Wie viel ist denn im katholisch-jüdischen Verhältnis zu Bruch gegangen?
Knobloch: Da ist schon einiges zu Bruch gegangen, das muss ich schon sagen. Es muss halt wieder aufgebaut werden. Man muss sich wieder zusammenfinden und sich der Wichtigkeit eines Dialogs zwischen Christentum und Judentum bewusst sein.