Die Ordensfrau Isa Vermehren wird 90 Jahre

Vom Kabarett zur Kirche

"Ich hab' das furchtbar gern gemacht." Als "Wort zum Sonntag"-Sprecherin hat sich Schwester Isa Vermehren vielen Menschen eingeprägt. Zwölf Jahre lang, bis 1998, repräsentierte die Nonne im schwarzen Habit der Schwestern vom Heiligsten Herzen Jesu diesen Fernseh-Klassiker der ARD mit. Für ihr publizistisches Lebenswerk erhielt sie sogar den "Deutschen Predigtpreis 2003". Heute wird sie 90 Jahre alt.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

"Wer gratulieren will, kann kommen", meint Isa Vermehren verschmitzt. Zu ihrem Geburtstagsempfang freut sie sich auf ein Wiedersehen mit vielen alten Freunden und ehemaligen Schülerinnen.

Auch wenn es ruhiger um sie geworden ist - als Gesprächspartnerin ist die geistig fitte Ordensfrau noch sehr gefragt, bekommt viel Besuch und telefoniert gerne. Und mit Geduld beantwortet sie auch ihre Post.
Auch wenn sie dafür heute nach eigenem Bekunden länger braucht als früher.

Zu erzählen gibt es genug, verbindet sich mit ihrem Namen doch ein abenteuerlicher Lebensweg: Die als Protestantin in Lübeck geborene Anwaltstochter wuchs im liberalen Geist der Heimatstadt Thomas Manns auf. Ihre Eltern sahen in der Demokratie der Weimarer Republik eine große Chance. Als die Nationalsozialisten die Macht ergriffen, floh sie aus der Enge des "Jeder kennt jeden" in die Anonymität der Weltstadt Berlin.

"Ich bin nicht spöttisch genug für das Kabarett"
Doch auch da war die Freiheit schnell zu Ende: Ihr Engagement in Werner Fincks vielgerühmtem politisch-literarischen Kabarett "Katakombe" beendeten die Nazis 1935 mit der Schließung des Theaters.
Diesen Abstecher in die Kunst der Satire betrachtet Vermehren als "improvisierte Sache" - sinnvoll, aber "ohne Ankergrund" seien diese zwei Jahre gewesen. "Ich bin nicht spöttisch genug für das Kabarett", lächelt sie verschmitzt. Wie "kabarettreif" sie wirklich war, bewies sie mit ihren frechen Seemannsliedern und Balladen. "Singen und Theaterspielen, dafür konnte ich mich begeistern, und das hab' ich später als Schulleiterin in Hamburg und Bonn auch häufig mit den Kindern gemacht."

20 Jahre war Isa Vermehren alt, als sie 1938 auf der Suche nach einer letztgültigen Wahrheit zur katholischen Kirche übertrat - sehr zum Kummer ihrer Mutter. Den Schritt in das Ordensleben tat sie nach dem Zweiten Weltkrieg. "Es gab viele Konversionen damals", erinnert sie sich. Der ungeheuere Druck der nationalsozialistischen Weltanschauung habe viele Menschen vor die konkrete Frage gestellt: "Was soll ich eigentlich noch glauben?" Dennoch stand Vermehren während des Krieges mit ihrer Ziehharmonika wieder auf der Bühne: Wehrbetreuung deutscher Soldaten an der Front in Frankreich, Italien oder Norwegen. Die Frage, ob sie damit den verhassten Krieg nicht doch unterstützte, hat sie noch lange beschäftigt.

Und dann Nazi-Opfer
Wenig später war sie selber Opfer der Nationalsozialisten. Denn Anfang 1944 wurden sie und weitere Familienmitglieder in Sippenhaft genommen, nachdem ihr Bruder, Diplomat in der Türkei, sich ins britisch besetzte Ägypten abgesetzt hatte. Für Isa Vermehren begann damals ihre "Reise durch den letzten Akt" des sogenannten Dritten Reiches. So jedenfalls lautete der Titel ihres 1946 erschienenen Buches über ihre Erlebnisse in den Konzentrationslagern Ravensbrück, Buchenwald und Dachau. Vieles sei ihr dort von dem erspart geblieben, was andere Häftlinge durchgemacht hätten, erinnert sich die Ordensfrau. "Die eigentlichen Härten des Häftlingslebens habe ich gar nicht zu spüren bekommen." Dennoch: In der Nazi-Zeit sei ihr aufgegangen, dass der Mensch in einem ganz radikalen Sinn zum Bösen fähig sei - eine Lektion, die unvergesslich bleibt.

Isa Vermehren hat nicht aufgehört, davon zu erzählen. Nicht in ihren
14 Jahren als Schulleiterin in Hamburg, nicht bei zahllosen Gedenkfeiern in den Konzentrationslagern und nicht in ihrem sogenannten Ruhestand im Bonner Sophie-Barat-Haus ihres Ordens. "Ich nehme jede Aufforderung an, über die Vergangenheit zu reden", sagt sie und strahlt aus ihren noch immer hellwachen Augen. "Ich tue das sehr gern." Natürlich ist das Alter nicht spurlos an der inzwischen an Parkinson erkrankten Ordensfrau vorübergegangen. Singen und Theaterspielen kann sie nicht mehr, und auch das Gehör wird nicht besser. Ihren trockenen Humor aber hat sie sich bewahrt: "Wenn Sie sich Apparate in die Ohren stopfen, wird die Musik nicht schöner."