Die offiziell inoffizielle Diplomatie des Vatikans

Kardinal Zuppi soll vermitteln

Ein Jahr und vier Monate sind vergangenen, seitdem Russland die Ukraine überfallen hat. Genauso lange ruft Papst Franziskus zum Frieden auf. Immer wieder betonte er, bereit für eine Reise nach Kiew zu sein. Unter zwei Voraussetzungen.

Autor/in:
Severina Bartonitschek
Vatikan-Flagge vor der Kuppel des Petersdoms / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani (KNA)
Vatikan-Flagge vor der Kuppel des Petersdoms / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani ( KNA )

Die Reise kann wirklich etwas bewirken und das weitere Ziel muss Moskau sein. Franziskus möchte mit beiden Parteien sprechen.

Nun zeigte sich der Kreml bislang nicht bereit, den Papst zu empfangen. Vertreter der Ukraine hingegen erneuerten ihre Einladung immer wieder. Zuletzt tat dies Präsident Wolodymyr Selenskyj im Mai bei seinem Besuch im Vatikan. Zugleich bat Selenskyj um Unterstützung für seine Art einer Friedensformel und für die Rückkehr von Gefangenen und nach Russland verschleppten Kindern.

Weiter rief er den Papst dazu auf, endlich seine Neutralität aufzugeben und die russischen Angreifer mit klaren Worten zu verurteilen. Es gebe "bei allem Respekt vor seiner Heiligkeit" keine Möglichkeit, mit dem Mörder Putin zu verhandeln.

Kardinal Matteo Zuppi / © Stefano dal Pozzolo/Romano Siciliani (KNA)
Kardinal Matteo Zuppi / © Stefano dal Pozzolo/Romano Siciliani ( KNA )

Ein Kardinal als Mediator

Franziskus hingegen bleibt bei seiner Linie, Kriegsverbrechen klar zu benennen und zu verurteilen, dennoch aber nicht Partei zu ergreifen für eine der beiden Seiten im Konflikt. Zudem hatte der Papst schon seine eigene Friedensmission für die Ukraine im Blick.

Sant'Egidio-Gründer Andrea Riccardi erklärte in einem anschließenden Interview zu dem Treffen, dass sich die vatikanische Diplomatie weiterhin darum bemühen werde, Gesprächskanäle zu öffnen, "in denen die Sprache der Diplomatie gepflegt wird - und nicht die Propaganda von Konfrontationen und Beschimpfungen".

Eine Aussage, die nach Bekanntwerden der päpstlichen Mission für die Ukraine noch einmal ein anderes Gewicht bekommt. Denn der Papst hat einen Sant'Egidio-Mann für seine Mission vorgesehen. Nicht die bereits in die Ukraine gereisten Kurienkardinäle Konrad Krajewski, Michael Czerny oder Erzbischof Paul Gallagher sollten übernehmen, sondern jemand außerhalb des Vatikans: Kardinal Matteo Zuppi.

Mit Erfahrung in Diplomatie

Der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz und Erzbischof von Bologna war fast 30 Jahre lang Seelsorger in Santa Maria in Trastevere, wurde zum "Pfarrer von Sant'Egidio", die dort ihr tägliches Abendgebet hält. Über Jahrzehnte war er mit Gründer Riccardi Chefdiplomat der Gemeinschaft, die auch "UNO von Trastevere" genannt wird.

Zuppi vermittelte zwischen Guerilla und Regime in Mosambik sowie in Algerien; im Auftrag von Ostafrikas früherem "elder statesman" Julius Nyerere moderierte er auch in Burundi.

Zur größten diplomatischen Leistung von Sant'Egidio zählen die Verhandlungen in Mosambik, die 1992 zum "Friedensabkommen von Rom" führten. Seine Erfahrungen aus dem mehr als zwei Jahre dauernden Prozess hat Zuppi selbst niedergeschrieben. Wichtige Faktoren für die Befriedung von Konflikten seien etwa die Identifizierung und Anerkennung der "echten" Verhandlungspartner - das kulturelle und anthropologische Verständnis der Konfliktparteien sei entscheidend.

Eine Versicherung für den Vatikan

Zudem müssten klare Strategien mit allen Details in Texten benannt werden, die keinen Interpretationspielraum ließen. Unabdingbar sei dabei, dass die Vorschläge dazu von den beteiligten Parteien stammten und nicht von Außenstehenden aufgezwungen würden.

Erfahrung in Friedensverhandlungen hat Zuppi also. Hinzu kommt ein weiterer Vorteil vor allem für den Papst, auf den der Historiker Jörg Ernesti in einem Kommentar für "Die Welt" hinweist. Als lediglich entsandter Kardinal der "im Einvernehmen" mit dem für die Außenpolitik zuständigen Staatssekretariat handle, habe nicht der offizielle vatikanische Apparat die Federführung.

Ginge die Mission schief, könne die päpstliche Diplomatie vor einer möglichen Beschädigung und Schwächung als Vermittler bewahrt werden. Einen geschickten Schachzug, nennt das Ernesti. Und auch Zuppi bestätigt es ähnlich in seinen Faktoren für erfolgreiche Friedensvermittlungen.

Ohne parteipolitische Interessen

Es brauche Mediatoren, die von den Kriegsführenden als ehrliche Vermittler anerkannt werden, "und nicht ihre Durchsetzung aufgrund von parteipolitischen Interessen, sei es intern, regional oder von internationalen Organisationen". Zudem brauche es nationale wie internationale Garantien, "die die Partei schützen, die sich als Verlierer fühlt". Ganz ohne Papst reiste Zuppi dann aber in der vergangenen Woche nicht nach Kiew.

Präsident Selenskyj überreichte er bei seinem Besuch einen Brief von Franziskus. Laut der ukrainischen Präsidentenkanzlei habe Zuppi die Solidarität von Franziskus mit dem ukrainischen Volk ausgedrückt und versichert, der Heilige Stuhl sei bereit, sich an der Suche nach Wegen zur Umsetzung humanitärer Initiativen zu beteiligen.

Im Mittelpunkt der Begegnung habe die Lage im Land und eine Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und dem Heiligen Stuhl bei der Umsetzung einer ukrainischen Friedensformel gestanden.

Zuppi optimistisch

Dabei betonte Selenskyj erneut, dass "der Algorithmus zur Erreichung des Friedens" nur ukrainisch sein könne. Eine Waffenruhe lehnte er ab. Russland würde diese nutzen und seine Fähigkeiten auszubauen, "um eine neue Welle von Verbrechen und Terror durchzuführen". Stattdessen forderte er, Russland diplomatisch zu isolieren und Druck auf Moskau auszuüben, damit es zu einem gerechten Frieden komme.

Der Friedensgesandte Zuppi hält hingegen an der päpstlichen Idee der Vermittlung fest. Auf einer Veranstaltung am Wochenende in Bologna erklärte er laut "La Repubblica", es gebe seitens der russischen Regierung Interesse und Erwartungen, auch Kontakt mit der russisch-orthodoxen Kirche sollten aufgenommen werden. Die Zeichen stünden auf Aufmerksamkeit, auf Erwartung und man gehe davon aus, dass es von Seiten der Regierung und der orthodoxen Kirche eine gewissen Zuspruch geben werde.

Insgesamt zeigt sich Kardinal Zuppi optimistisch. Er glaube, es gebe Raum für Frieden in der Ukraine: "Wir müssen daran glauben und wir müssen es wollen." Der Kern sei dabei "Frieden und Gerechtigkeit" - ohne das eine könne es das andere nicht geben. "Es muss alles getan werden, damit Frieden und Gerechtigkeit in die Ukraine zurückkehren", so Zuppi.

Quelle:
KNA