Die Mittelmeerunion kommt nur langsam in Fahrt

Schwerer als erwartet

Dass es nicht einfach werden würde, war allen Beteiligten vorher klar. 43 Länder, drei Kontinente - die "Union für das Mittelmeer" war und ist ein ehrgeiziges Projekt. Vor einem Jahr, am 13. Juli 2008, wurde die Union in Paris feierlich aus der Taufe gehoben. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy und seine Amtskollegen aus Europa, Nordafrika und Nahost wollten damit eine engere Kooperation in zahlreichen politischen und wirtschaftlichen Bereichen begründen.

Autor/in:
Isabel Guzmán
 (DR)

Ein Jahr später sind selbst erfahrene Diplomaten verwundert.
«Ehrlich gesagt: Dass es so schwer werden würde, hätten wir nicht gedacht», sagt eine Brüsseler Expertin. Im Dezember 2008 war ein denkbar ungünstiges Szenarium wahr geworden: Krieg zwischen zwei Mitgliedern der Mittelmeerunion. Israel und die Palästinenser kämpften im Gaza-Streifen gegeneinander. Von dem Konflikt hat sich die junge Union bis heute nicht vollständig erholt.

Das Sekretariat, für das ein prachtvoller historischer Palast in Barcelona vorgesehen ist, hat seine Arbeit bisher nicht aufgenommen. Dabei ist dieses Organ von entscheidender Bedeutung: Es soll unter anderem dafür sorgen, dass sich zu den staatlichen Geldgebern eine Reihe privater Investoren gesellen. Auch auf politischer Ebene tut sich nicht viel. Seit Ende 2008 hat es keine hochrangigen ministeriellen Treffen mehr gegeben.

«Das bedeutet allerdings nicht, dass sich nichts bewegt», betont Ralf Christmann vom deutschen Bundesumweltministerium. «Es gibt Fortschritte auf der Arbeitsebene.» Christmann arbeitet an einem der sechs Projekt-Schwerpunkte mit, dem sogenannten Solarplan. Das Vorhaben ist kühn: Unter anderem sollen in der Sahara Solarkraftwerke errichtet werden, die sowohl Nordafrika als auch Europa und Nahost mit Strom beliefern können. 20 Gigawatt ab dem Jahr 2020 sollen es sein.

Dass deutsche Großkonzerne derzeit Investitionen von 400 Milliarden Euro in diesem Bereich prüfen, freut Christmann. Zwar handelt es sich bei dem Vorstoß der Konzerne im Rahmen des sogenannten «Desertec»-Konzepts zunächst einmal um eine unabhängige Initiative. Die Mittelmeerunion legt mehr Gewicht auf politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen. «Aber die Vision ist dieselbe, die Vorhaben ergänzen sich», sagt Christmann. «Beide Solarinitiativen verfügen über klare Ziele und über viel Aufmerksamkeit.»

Auch andere Projekte der Union kommen langsam voran: So gibt es Bemühungen um die Säuberung des Mittelmeers, die Vernetzung der Häfen, die maritime Sicherheit und eine bessere Zusammenarbeit bei Bildung und beim Katastrophenschutz. Einige der Projekte existierten schon und werden jetzt erweitert. Insgesamt beträgt das Budget für die mediterrane Kooperation 16 Milliarden Euro für sieben Jahre.

Allerdings: Der entscheidende Impuls fehlt der Mittelmeerunion noch. Dazu braucht es ein breiteres Engagement der Teilnehmer auf der Arbeitsgruppen- und Ausschussebene, den Rückhalt der Spitzenpolitik und ein starkes Sekretariat.

Dass die Union holpert, liegt ironischerweise auch an einem Faktor, der eigentlich einen Fortschritt gegenüber der Vergangenheit bedeutet. Bei bisherigen Gemeinschaftsprojekten Europas und seiner Mittelmeer-Nachbarn lag der Vorsitz stets bei der EU. Jetzt teilen sich Europa und der Süden gleichberechtigt die Präsidentschaft - was größere Blockade-Gefahren mit sich bringt, etwa wegen der politischen Nähe der Palästinensergebiete zu anderen arabischen Staaten. «Die Gleichberechtigung ist eine sehr legitime Idee», sagt eine EU-Beamtin. «Aber sie macht das Ganze überaus kompliziert.»