Die Mispel

Vergessene Köstlichkeit

In unserer Reihe "Landfunk" heißt es heute genau hinhören. Denn es geht um eine ziemlich vergessene Pflanze, die Mispel. Nicht zu verwechseln mit den Misteln. Der Mispelbaum ist ein richtig schöner Gartenschmuck, doch die Früchte sind schon etwas merkwürdig. Aber man kann was draus machen...

erntereife Mispel / © Stefan Quilitz (DR)
erntereife Mispel / © Stefan Quilitz ( DR )

Einmal im Jahr, wenn es November wird und der erste Frost übers Land zieht, kommt ein alter Mann in unseren Garten, und pflückt die Früchte von unserem Mispelbaum. Von dem Mann wissen wir nicht viel, er versteht uns auch gar nicht und wir wissen nicht, was er mit den Mispeln macht. Und bislang war uns der Baum auch was fast so geheimnisvoll wie der alte Mann. Gepflanzt haben wir jedenfalls den Baum vor einigen Jahren wegen der hübschen weißen Blüte im Frühjahr, nicht wegen der Früchte.

Von den Römern kultiviert und von Karl dem Großen gefördert

Die Mispel hat nichts zu tun mit der  fast gleichklingenden Mistel,  jener Schmarotzerpflanze hoch oben in den Bäumen, die schon unsere Vorfahren, die Druiden, pflückten. Die Mispel  gehört zum Kernobst, ist also verwandt mit Apfel und Birne, hat aber ein ganz eigenes Aussehen. Klein und braun sind die Früchte im November, auffällig stehen lang die Kelchzipfel ab. Die Mispel ist eine uralte Pflanze, die aus Asien stammt, von den Römern kultiviert und verbreitet wurde und schon lange in Deutschland zu Hause ist. Daher auch ihr eher irrtümlicher botanischer Name: Mespilus germanica.

Die Mispel ist eine richtige Zierpflanze, mag Sonne, verträgt Trockenheit, und auch Frost, die Äste wachsen breit und knorrig und im Frühling trägt sie die schönen weißen Blüten. Aber dann sind da auch eben diese Früchte. Im Mittelalter waren sie äußerst beliebt, Karl der Große listete sie extra als Obst auf, dann aber wurden sie von Äpfeln und Birnen verdrängt. Und das hat einen triftigen Grund:  denn die Mispeln schmecken erst nach dem ersten Frost oder wenn sie überreif schon auf dem Boden liegen. Wohl deshalb mochte Shakespeare die Mispel nicht leiden. In „Wie es euch gefällt“ lässt er Rosalinde sagen: „Eure Einfälle verfaulen, ehe sie halb reif sind, und das ist eben die rechte Tugend einer Mispel.“

Fault die Mispel, ist sie reif

Vom Baum gepflückt sind die Mispeln ungenießbar, der Mund zieht sich wegen der Gerbstoffe regelrecht zusammen. Diese adstringierende Wirkung wird  in der Heilkunde genutzt. Aber durch den Frost oder wenn die Mispeln im November schon zu faulen scheinen, beginnt eine Fermentierung, die die Gerbstoffe abbaut und die Früchte süß-säuerlich schmecken lässt. Das vorher weiße Fruchtfleisch wird jetzt braun und nun kann man die Mispeln auch roh genießen.

Der alte Mann, der im November in unseren Garten kommt, hat uns nie verraten, was er mit den Mispeln macht. Sicherlich kennt er Rezepte aus seiner fernen Heimat.

Wir haben experimentiert, was lässt sich aus den schon etwas matschigen, aber eben dann schmackhaften Früchten machen? Mus ist die erstbeste Lösung. Richtig schmackhaft ist das, wenn man es zur Winterszeit mit etwas Zimt oder Rosinen anreichert. So kann es gelingen:

Mispelmus

Wenn der Frost im Herbst ausbleibt, die Mispeln selbst einfrieren. So kann man den Zeitpunkt der Fermentierung auch selbst bestimmen, der nämlich nach dem Auftauen sofort einsetzt. Dem Fermentierungsprozess etwas Zeit geben. Wird das Fruchtfleisch braun, die Mispeln halbieren und mit reichlich Wasser für ein paar Minuten aufkochen. Eventuell sogar noch mal Wasser nachschütten. Die zerkochten Mispeln dann durch eine Flotte Lotte drücken und abschmecken. Zimt passt gut und Vanille. Eventuell auch Rosinen, Rotwein oder auch Apfelsaft. Wird das Mispel-Mus nicht frisch verzehrt, es noch einmal kurz aufkochen (rühren!) und wie Marmelade bzw. Apfelmus in Gläsern einmachen.

Schmeckt etwas nach Gries, das Mispelmus; zu Weihnachten den Gästen serviert, rät keiner, was er da vor sich hat. Schmeckt vorzüglich zu Eis und passt ebenso zu Wild oder Geflügel.

Also: der eigene Anbau lohnt. Für den Garten gibt es verschiedene Mispelsorten, entscheiden muss man sich vor allem, ob man die Mispel als Baum oder Strauch will, beides geht. Und wenn in diesen Novembertagen kein Gartenwetter ist, ist vielleicht Zeit, sich in einer Baumschule auf Mispelsuche zu begeben. Vielleicht sollten Sie dabei auf den Schweizer Theologen Josef Vital Kopp hören, der wusste: „Je stärker der Stamm, desto üppiger die Mispel.“

(24.11.12)